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Zionismus
Zio|nịs|mus 〈m.; -; unz.〉
1. 〈urspr.〉 jüd. Bewegung zur Herstellung eines selbstständigen jüd. Staates Israel
2. 〈heute〉 polit. Bewegung in Israel, die die Heimatrechte der benachbarten arab. Staaten nicht akzeptiert
[zu Zion, dem Tempelberg in Jerusalem, auch Jerusalem selbst]

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Zi|o|nịs|mus, der; - [zu Zion, im A. T. einer der Hügel Jerusalems, den David eroberte (2. Sam. 5, 6 ff.)]:
a) (Ende des 19. Jh.s entstandene) jüdische Bewegung, die das Ziel hat, einen selbstständigen Nationalstaat für Juden in Palästina zu schaffen;
b) [partei]politische Strömung im heutigen Israel u. innerhalb des ↑ Judentums (1) in aller Welt, die eine Stärkung u. Vergrößerung des Staates Israel befürwortet u. zu erreichen sucht.

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I
Zionịsmus
 
der, -, im ursprünglich religiösen Verständnis innerhalb des Judentums die auf Jerusalem (den Zion) und Palästina (das »Land Israel« [»Erez Israel«]) gerichtete Orientierung (»Sehnsucht«) sowie die innere Bindung an dieses; seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die innerhalb des Judentums als Palästinasiedlungsbewegung entstandene politische (nationale) und soziale Bewegung zur Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina.
 
Der Begriff Zionismus und sein heutiger Inhalt wurden von dem Wiener Schriftsteller Nathan Birnbaum, Pseudonym Mathias Acher (* 1864, ✝ 1937) in seiner Schrift »Die nationale Wiedergeburt des jüdischen Volkes in seinem Land« (1893) geprägt.
 
Die Anfänge des Zionismus stehen - neben der religiösen Verwurzelung in der (passiven) messianischen Erwartung einer Rückkehr in das dem Volk Israel in der Bibel verheißene Gelobte Land (Palästina) und nach Zion (Jerusalem) - im Zusammenhang mit dem Aufkommen des (auch jüdischen) Nationalismus in Europa und des modernen Antisemitismus in Ost- und Mitteleuropa Ende des 19. Jahrhunderts (Suchen jüdischer Identität, Existenz und Eigenstaatlichkeit). Widerhall fand der Zionismus deshalb zuerst bei Teilen der Ostjuden, besonders im zaristischen Russland, wo die Judenemanzipation unterblieben war (Haskala; Ostjuden), während die Westjuden den Zionismus zumeist ablehnten. Zwischen 1881 und 1914 verließen etwa 2,5 Mio. Juden (Aschkenasim) Osteuropa und wanderten meist in die USA aus; auch die aktive jüdische Besiedlung Palästinas setzte ein.
 
Die geistigen Grundlagen des Zionismus legten der in Tomaschow (Russland; heute Polen) geborene Arzt und Schriftsteller Leon Pinsker (* 1821, ✝ 1891) und der aus Deutschland stammende Schriftsteller und Sozialist M. Hess; Begründer der zionistischen Weltbewegung wurde der in Budapest geborene Journalist T. Herzl.
 
In seiner 1882 veröffentlichten Schrift »Autoemancipation! Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden« verfocht Pinsker - dabei an das religiöse zionistische Verständnis anknüpfend - die These, dass die individuelle bürgerliche Emanzipation der Juden (Haskala) gescheitert sei und durch eine nationale, kollektive Emanzipation auf eigenem Territorium ersetzt werden müsse. Dies führte zur Gründung der osteuropäischen Palästinasiedlungsbewegung »Chibbat Zion« (»Zionsliebe«), die jedoch nur geringe Erfolge hatte. Ähnlich, jedoch von einem sozialistischen Standpunkt ausgehend, argumentierte Hess (»Rom und Jerusalem. Die letzte Nationalitätenfrage«, 1862): Er forderte für die Juden einen auf sozialistischen Prinzipien aufgebauten jüdischen Nationalstaat in Palästina, den er als Keimzelle für die Sozialisierung der ganzen Menschheit ansah. Für Herzl wurde die Dreyfusaffäre zum Ausgangspunkt seiner Überzeugung, dass die Juden eine Nation seien und daher die Gründung eines jüdischen Staates notwendig sei (»Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage«, 1896); unter den zionistischen Kreisen des Judentums stieß er damit weltweit auf große Resonanz und trug nicht unmaßgeblich zu ihrem organisatorischen Zusammenschluss bei.
 
Die eigentliche Gründung der zionistischen Weltbewegung erfolgte auf dem von Herzl 1897 nach Basel einberufenen und dort vom 29. bis 31. 8. tagenden 1. Zionistischen Weltkongress (1997 in Basel Feier und wissenschaftlicher Kongress anlässlich des 100-jährigen Jubiläums). Die rd. 200 gewählten Delegierten verabschiedeten ein Programm zur »Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina« und stimmten der von Herzl vorgeschlagenen Gründung der Zionistischen Weltorganisation (englische Zionist World Organization, Abkürzung ZWO) zu, der die zu regionalen Zweigen zusammengefassten zionistischen Organisationen (in Deutschland die »Zionistische Organisation in Deutschland e. V.«, Abkürzung ZOD; gegründet 1897, heute [1998] über 3 000 Mitglieder) nachgeordnet wurden. Nach 1897 fanden Zionistische Weltkongresse (Abkürzung ZWK) zunächst jährlich, seit 1901 im Abstand von zwei Jahren statt; seit 1946 werden sie nach Bedarf einberufen (seit 1951 in Jerusalem).
 
Die endgültige Palästina-Orientierung der zionistischen Weltbewegung erfolgte auf dem 7. ZWK 1905 in Basel, der eine auf dem 6. ZWK (1903) vorgeschlagene jüdische Siedlungskolonie in Uganda (»Uganda-Notlösung«) ablehnte und sich für Palästina als »Heimstätte« für die Juden in aller Welt aussprach. Die Folge der Fixierung auf Palästina und bald auch auf das Hebräische als Nationalsprache war eine allmähliche Zunahme der Bedeutung religiöser Traditionen in zionistischen Kreisen, programmatisch vertreten durch die seit 1902 im Mizrachi organisierten religiös-zionistischen Orthodoxen. Während Herzls diplomatische Bemühungen, die Ziele der zionistischen Weltbewegung im internationalen Kräftefeld abzusichern (politischer Zionismus), nur geringe Erfolge zeigten, trieben osteuropäische und besonders sozialistische Zionisten den »praktischen Zionismus«, d. h. die planmäßige Besiedlung Palästinas, voran. Von weit reichender Bedeutung waren 1901 die Gründung des Jewish National Fund, mit dessen Mitteln in der Folgezeit in Palästina Land erworben und verwaltet wurde, und 1908 des Palestine Office als zentralem Organ der zionistischen Siedlungsangelegenheiten im Land. Diese Organe trugen ab 1922 unter der britischen Mandatsverwaltung, die auf der Basis der Balfour Deklaration (1917) die jüdische Ansiedlung (bis 1936) aktiv förderte, zum Ausbau einer effektiven, quasistaatlichen Organisation der jüdischen Bevölkerung Palästinas bei. Die seit 1918 beständig wachsende jüdische Einwanderung in Palästina führte 1922 zur Gründung der Jewish Agency for Palestine als der Vertretung der ZWO in Palästina und hatte auch die Ausbildung von Parteien zur Folge, von denen die sozialistischen (»Mehrheitszionisten«) und religiösen Gruppierungen (zionistischer und nichtzionistischer Orthodoxie) besondere Bedeutung erlangten. Der zunehmende Widerstand der palästinensischen Araber gegen die jüdische Besiedlung (auch aus arabischen Staaten) verstärkte sich nach 1933, als - bedingt durch die nationalsozialistische Judenverfolgung (»Holocaust«) - die legale und illegale Einwanderung sprunghaft anstieg (1939 Erhöhung des jüdischen Bevölkerungsanteils in Palästina auf etwa 0,6 Mio.; Nahostkonflikt).
 
Dem »politischen« und »praktischen Zionismus« beziehungsweise »Pionier-Z.« (wichtigster Vertreter: C. Weizmann) gegenüber setzte sich der kulturelle Zionismus (M. Buber u. a.) für die vorrangige Schaffung eines kulturellen Zentrums in Palästina und für einen politischen Ausgleich mit der nichtjüd. Landesbevölkerung ein. Die kulturpolitischen Bestrebungen wurden in der ZWO nur teilweise aufgegriffen; die in der Diaspora bürgerliche und in Palästina sozialistische Mehrheit einschließlich des Mizrachi verfolgte eher eine Konfrontationspolitik gegenüber der britischen Mandatsregierung, da diese auf arabischem Druck hin die Zuwanderung von durch die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland und den 1939-45 von Deutschland besetzten europäischen Gebieten bedrohten Juden beschränkte. Besonders die 1923 durch W. Jabotinsky gegründete, rechtsextrem orientierte Union der Zionisten-Revisionisten, die sich 1935-46 von der ZWO trennte, setzte sich hierbei militant für eine sofortige Staatsgründung ein und organisierte antibritische und antiarabische militärische Organisationen (Irgun Zwai Leumi, Haganah).
 
Nach 1945 eskalierte der Konflikt vollends. Vorschläge zur Errichtung eines binationalen Staates ließen sich nicht verwirklichen. Mit der Resignation der Mandatarmacht und dem Teilungsplan der UN vom 29. 11. 1947 (Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat), der von den arabischen Staaten abgelehnt wurde, v. a. aber mit der Ausrufung des Staates Israel am 14. 5. 1948 wurde das Ziel der zionistischen Weltbewegung erreicht.
 
Mit der Staatsgründung gingen die meisten Aufgaben der Jewish Agency for Palestine auf die Staatsorgane Israels über; die Bemühungen der ZWO konzentrieren sich seitdem auf die Stärkung der Beziehungen zwischen dem (säkular zionistischen) jüdischen Staat und der jüdischen Diaspora, v. a. in den USA (besonders durch die Organisation von Kultur- und Bildungsprogrammen). Eine weitere wichtige Arbeit der ZWO bildete die Betreuung der Neueinwanderer in den israelischen Staat, der durch die ab 1948 zunehmende jüdische Einwanderung aus arabischen Staaten, v. a. Nordafrika, Irak, Syrien, bald eine sephardische Bevölkerungsmehrheit erhielt. Neue Brisanz, mit auch politischen Implikationen, erhielt die Bevölkerungsentwicklung erst wieder ab 1991 durch die verstärkte Auswanderung von Juden aus GUS-Staaten (seit 1995 eigene Partei: Israel Ba-Alija).
 
Politisch und sozial heterogen (u. a. Linkszionismus, v. a. Israel. Arbeiterpartei, Rechtszionismus, Likud-Block), entstand ein Neuer Zionismus (1. 8. 1985 Neudefinition Israels als »Staat des jüdischen Volkes«). - Im Dezember 1991 annullierte die UN-Vollversammlung die Resolution von 1975, in der der Zionismus als »eine Form von Rassismus und rassischer Diskriminierung« verurteilt worden war. Der umstrittene, seit der Besiedlung der von Israel besetzten Gebiete (1977-92 und erneut seit 1996) v. a. von der Siedlerbewegung erhobene, von rechtszionistischen Kreisen unterstützte Anspruch auf »das ganze Land Israel« wird zwar durch den Übergang zum Ausgleich mit der PLO (Beginn: »Gaza-Jericho-Abkommen« vom 13. 9. 1993) infrage gestellt, birgt aber nach wie vor noch erhebliches Konfliktpotenzial in sich.
 
Organisation der zionistischen Weltbewegung:
 
Die ursprüngliche Struktur der ZWO wurde 1921, 1960 und 1968 reformiert; heute (1998) sind ihr nationale zionistische Zusammenschlüsse in über 40 Ländern verbunden. Als Legislative dienen die Zionistische Weltkongresse (XXXII. in Jerusalem 1992). Der vom ZWK gewählte Präsident vertritt die Gesamtorganisation. Das Congress Tribunal ist für Rechtswesen zuständig, der Comptroller übt die Funktion eines Rechnungshofes aus. Als Exekutive fungiert das General Council, im Land Israel die Jewish Agency for Israel (Abkürzung ZWO-JA). Sitz der ZWO ist Jerusalem; Büros bestehen u. a. in New York, London und Paris.
 
Literatur:
 
W. Laqueur: Der Weg zum Staat Israel. Gesch. des Zionismus (a. d. Engl., Neuausg. Wien 1975);
 D. Vital: The origins of Zionism (Neuausg. Oxford 1980);
 D. Vital: Zionism. The formative years (ebd. 1982);
 D. Vital: Zionism. The crucial phase (ebd. 1987);
 B. Avishai: The tragedy of Zionism (New York 1985);
 S. Almog: Zionism and history (a. d. Hebr., Jerusalem 1987);
 R. N. Rosenzweig: The economic consequences of Zionism (Leiden 1989);
 C. C. O'Brien: Belagerungszustand. Die Gesch. des Z. u. des Staates Israel (a. d. Engl., Neuausg. 1991);
 
Antisemitismus - Z.-Antizionismus, 1850-1940, hg. v. R. Heuer u. a. (1997);
 S. Avineri: Profile des Z. (a. d. Amerikan., 1998);
 
Der Traum von Israel. Die Ursprünge des modernen Z., hg. v. H. Haumann (1998).
II
Zionismus
 
Mit dem Aufkommen des nationalstaatlichen Denkens entstand in Europa auch eine jüdische nationale Bewegung. Sie war zum Teil religiös geprägt durch die traditionelle glaubensmäßige Beziehung zu Palästina, dem Land der Verheißung, der Stadt Jerusalem, Zion, sie war aber auch in dem Streben nach einem Judenstaat durchaus mit politischen Zielsetzungen verbunden. Die Erfahrungen mit dem Antisemitismus waren für die Begründer des politischen Zionismus und für seine Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung.
 
Als erster politischer Zionist gilt der Arzt Leon Pinsker (1821-91) aus Odessa, der unter Eindruck der Judenpogrome von 1881 in Russland seine Schrift »Autoemanzipation« (1882) erscheinen ließ, in der er eine Heimat für das bedrängte Judentum forderte, das vor allem wieder eine Nation werden müsse. Die Schrift hatte für den späteren Zionismus grundlegende Bedeutung. Dem von Pinsker geleiteten Palästinakolonisationsverein (später Odessaer Komitee) gelang es nicht, eine Auswanderung in größerem Umfang zu verwirklichen.
 
Unabhängig von Pinsker, aber besonders unter dem Eindruck der Dreyfusaffäre in Frankreich, begründete der österreichische Schriftsteller und Politiker Theodor Herzl (1860-1904) mit seiner Schrift »Der Judenstaat« (1896) die zionistische Bewegung. Für Herzl war die Judenfrage eine nationale, von den Juden selbst zu lösende Aufgabe: Sie müss ten sich auf politischem Wege das Land für einen eigenen Staat sichern. Die zionistischen Kongresse - der erste fand 1897 in Basel statt - sollten eine Art »parlamentarische Zen tralgewalt« für den Zionismus sein und seinen politischen Zielen als Plattform dienen. Das Zentrum der zionistischen Bewegung wurde in Wien errichtet, wo auch die von Herzl publizierte Wochenschrift »Die Welt« erschien. Die zionistische Bewegung repräsentierte bis zum Ersten Weltkrieg nur eine Minderheit des europäischen Judentums mit dem Schwergewicht der Anhänger in Russland, wenn auch geführt von österreichischen und deutschen Juden.
 
Bei den westeuropäischen, inzwischen formal emanzipierten Juden fand der Zionismus keine ungeteilte Zustimmung. Der überwiegende Teil folgte dem seit der Emanzipation eingeschlagenen Weg der Assimilation; sie befürchteten, dass durch die zionistische Bewegung ihre Integration infrage gestellt werden könne und jede Herausstellung von Besonderheit dem Antisemitismus Angriffsmöglichkeiten bieten würde.
 
Die Einwanderung nach Palästina setzte in größerem Stil erst in den Zwanzigerjahren ein, nachdem die Balfour-Deklaration die britische Unterstützung für die Errichtung jüdischer Siedlungen in Palästina gesichert hatte. Die Forderung der »Baseler Erklärung« des ersten Zionistenkongresses von 1897 nach einer »öffentlich-rechtlichen gesicherten Heimstätte in Palästina« erfüllte sich erst mit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948.

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Zi|o|nịs|mus der; - [zu Zion, im A. T. einer der Hügel Jerusalems, den David eroberte (2. Sam. 5, 6 ff.)]: a) (Ende des 19. Jh.s entstandene) jüdische Bewegung mit dem Ziel, einen selbstständigen Nationalstaat für Juden in Palästina zu schaffen; b) [partei]politische Strömung im heutigen Israel u. innerhalb des Judentums (1) in aller Welt, die eine Stärkung u. Vergrößerung des Staates Israel befürwortet u. zu erreichen sucht.

Universal-Lexikon. 2012.