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Schwangerschaftsabbruch
Abort (fachsprachlich); Abortion (fachsprachlich); Schwangerschaftsunterbrechung; Abtreibung

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Schwạn|ger|schafts|ab|bruch 〈m. 1ukünstliche Herbeiführung einer Fehl- od. Frühgeburt; Sy Abtreibung, Interruption (1)

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Schwạn|ger|schafts|ab|bruch, der:
Abbruch einer Schwangerschaft durch gynäkologische Maßnahmen:
einen S. vornehmen [lassen].

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Schwangerschafts|abbruch,
 
Interrụptio graviditatis, Abrụptio graviditatis, Abọrtus artificialis, künstliches Herbeiführen einer Fehlgeburt durch gynäkologische Maßnahmen; umgangssprachlich auch als Abtreibung bezeichnet, womit im engeren Sinn der rechtswidrige Schwangerschaftsabbruch gemeint ist.
 
Die angewendeten Verfahren zum Schwangerschaftsabbruch sind von der Schwangerschaftsdauer, vorausgegangenen Schwangerschaften beziehungsweise Geburten und dem Alter der Schwangeren abhängig. Der Eingriff darf nur durch einen Arzt durchgeführt werden. Im ersten Schwangerschaftsdrittel (6.-12. Woche) wird die Aufdehnung des Gebärmutterhalskanals in Narkose und die Absaugung des Uterusinhalts (Aspirationskürettage) oder eine Ausschabung vorgenommen. Bei Erstschwangeren ist eine Prostaglandinapplikation zur Erweichung und Erweiterung des Gebärmutterhalses angezeigt. Zwischen der 12. und 16. Schwangerschaftswoche ist die Prostaglandingabe (in der Regel in die Scheide als Zäpfchen oder Gel in den Gebärmutterhalskanal) die am häufigsten angewendete Methode. Oft ist nach Ausstoßung der Frucht noch eine Ausschabung erforderlich. Nach der 16. Woche hat sich die lokale (Scheide, Gebärmutterhals, Gebärmutterhöhle) oder systemische (intramuskulär, intravenöse Tropfinfusion) Prostaglandinanwendung am besten bewährt. Die früher häufig vorgenommene Abortinduktion mit Injektion einer hypertonen Lösung (Natriumchlorid, Harnstoff) in die Fruchthöhle wird wegen einer höheren Nebenwirkungsrate nur noch selten angewendet. Eine mögliche Alternative zum operativen Schwangerschaftsabbruch bis zur 8. Woche stellt der Einsatz des Progesteronrezeptorblockers RU 486 (Mifepriston®) dar, der die Wirkung des Progesterons an der Gebärmutter (Ruhigstellung) blockiert und somit allein oder in Verbindung mit niedrigen Prostaglandindosen durch Gebärmutterkontraktionen zum Schwangerschaftsabbruch führt. Die Zulassung von RU 486 ist in Deutschland noch nicht erfolgt. Komplikationen bei Schwangerschaftsabbrüchen nehmen mit dem Fortbestehen einer Schwangerschaft zu.
 
 Geschichte des Abtreibungsverbots
 
Als Mittel der Geburtenkontrolle, der Lebens- und Familienplanung sowie als Reaktion auf Notsituationen hat der Schwangerschaftsabbruch zu allen Zeiten und in allen Kulturen eine bedeutsame Rolle gespielt. In vielen Gesellschaften hat es Bestrebungen gegeben, den Schwangerschaftsabbruch unter Kontrolle zu stellen, wobei religiöse Überzeugungen und philosophisch-ethische Werthaltungen eine ebenso wichtige Rolle gespielt haben wie staatliche (bevölkerungspolitische) Interessen. Zu einem Instrument staatlicher Politik wurde die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs allerdings erst im Laufe des 19. Jahrhunderts.
 
Für die griechische Philosophie waren Schwangerschaftsabbruch und Kindesaussetzung ethisch neutrale Instrumente zur bevölkerungspolitisch und eugenisch motivierten Geburtenkontrolle. Einflussreich wurde v. a. die von Aristoteles vertretene Lehre von der Sukzessivbeseelung, derzufolge die Beseelung des Menschen nicht mit der Befruchtung, sondern 40 Tage (beim männlichen Fetus) beziehungsweise 90 Tage (beim weiblichen Fetus) danach erfolgt. Vor Erlangung dieses Beseelungsstadiums war ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt.
 
Im klassischen römischen Recht stand der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe, ohne dass dem Fetus ein eigenständiger Status zukam, ebenso der Gebrauch von Abtreibungsdrogen wegen der damit häufig einhergehenden Lebensgefahr für die Schwangere. Strafbar war der Schwangerschaftsabbruch aber auch aufgrund der Auffassung, dass die Frau ihren Mann um die Kinder betrüge.
 
Die Ansicht, dass die Leibesfrucht erst im Verlaufe der fetalen Entwicklung zum Menschen heranreife, wurde auch für die jüdisch-christliche Tradition prägend. Als Zeitpunkt für die Beseelung setzte sich überwiegend ein geschlechtsspezifisch nicht differenzierendes Datum von 40 Tagen nach der Empfängnis durch. Mit der Standardkommentierung zum Decretum Gratiani fand seit dem 13. Jahrhundert ein neues, geschlechtsspezifisch differenzierendes »Fristenkonzept« Eingang in das kanonische Recht. Der Zeitpunkt der Beseelung des männlichen Fetus wurde auf den 40., der des weiblichen auf den 80. Tag nach der Empfängnis festgelegt. Mit der Rezeption des römischen Rechts wurde dies auch in das gemeine Recht übernommen, wobei zumeist von einheitlich 40 Tagen ausgegangen wurde. Zwar galt die dieser »Fristenlösung« zugrunde liegende Beseelungslehre in der Neuzeit seit Mitte des 17. Jahrhundert als widerlegt, doch blieb dies für die rechtliche Ausgestaltung des Schwangerschaftsabbruchs ohne Bedeutung. Mit den kursächsischen Konstitutionen von 1572 begann sich ein neues Fristenkonzept durchzusetzen, das den Schwangerschaftsabbruch erst dann als Tötungsdelikt ansah, wenn er zum Zeitpunkt der Spürbarkeit der ersten Kindsbewegungen um die Schwangerschaftsmitte vorgenommen wurde.
 
Im 18. Jahrhundert versuchte man v. a. aus bevölkerungspolitischen Interessen, dem Schwangerschaftsabbruch entgegenzuwirken. Gefordert wurden Meldepflicht und Überwachung unehelich Schwangerer, die Einrichtung öffentlicher Entbindungsanstalten oder die Aussetzung einer Gebärprämie. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 drohte vom Zeitpunkt der auf 30 Wochen nach der Empfängnis angesetzten extrauterinen Lebensfähigkeit der Leibesfrucht an mit drastischen Strafen. Die übrigen Territorialstaaten rückten erst im 19. Jahrhundert von der kursächsischen Fristenregelung ab, wobei der Schwangerschaftsabbruch als minder schwerer Fall eines Tötungsdelikts oder als Sondertatbestand betrachtet wurde.
 
Im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 wurde der Schwangerschaftsabbruch (§ 218) zwar nicht gesetzessystematisch aus den Tötungsdelikten ausgegliedert, doch war anerkannt, dass er eigentlich nicht zu ihnen rechne.
 
In der Weimarer Republik wurden die sexualreformerischen Ideen zur Geburtenkontrolle und Sexualaufklärung von einem Netz von Sexualberatungsstellen verbreitet. Den hier arbeitenden Ärzten und Ärztinnen zeigte sich die soziale Not besonders der Arbeiterinnen und das ganze Elend der illegalen und lebensgefährlichen Abtreibungspraxis. Verschiedentlich gab es Initiativen zur Reform des Abtreibungsparagraphen. 1926 wurde die generelle Ahndung mit Geld- oder Gefängnisstrafe dahin gehend modifiziert, dass ein Schwangerschaftsabbruch straflos blieb, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft oder die Geburt gefährdet war. Der anstehenden Aufhebung des § 218 kam die nationalsozialistische Machtübernahme zuvor.
 
Unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde die Fremd- und Selbstabtreibung (in besonders schweren Fällen) mit Zuchthaus beziehungsweise die Fremdabtreibung im Falle eines »Angriffs auf die Lebenskraft des deutschen Volkes« mit dem Tode bestraft, zum andern wurden Zwangsabtreibungen für die aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit Verfolgten, für »Erbkranke« und (nach Ansicht der Nationalsozialisten) als »minderwertig« einzustufende Menschen nationalsozialistische Praxis.
 
 Die rechtliche Entwicklung nach 1945
 
Nach 1945 war gemäß § 218 StGB die Selbstabtreibung mit Freiheitsstrafe bis zu 5 beziehungsweise die Fremdabtreibung mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bedroht. Durch das 5. Strafrechtsreformgesetz vom 18. 6. 1974 wurde eine Fristenregelung zugelassen, die den Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt innerhalb der ersten drei Monate seit Empfängnis nach vorheriger Beratung erlaubte. Diese Regelung wurde durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 25. 2. 1975 verworfen, da sie für unvereinbar mit dem Recht des Ungeborenen auf Leben erachtet wurde. Die daraufhin erfolgte Neufassung der §§ 218 ff. vom 18. 5. 1976 führte eine medizinisch-soziale Indikationenregelung ein. Danach war der den Schwangerschaftsabbruch Ausführende grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Für die Schwangere war der Strafrahmen im Höchstmaß auf Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe beschränkt. Der mit Einwilligung der Schwangeren und durch einen Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch war jedoch legal, wenn er aufgrund einer der folgenden Indikationen erfolgte: 1) medizinische Indikation (nicht auf andere, zumutbare Weise abwendbare Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung für den körperlichen oder seelischen Gesundheitszustand der Schwangeren), ohne Fristeinschränkung; 2) embryopathische oder eugenische (kindliche) Indikation (Gefahr einer so schwerwiegenden, nicht behebbaren Schädigung des Gesundheitszustandes des Kindes, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann), innerhalb von 22 Wochen; 3) ethische (kriminologische) Indikation (dringende Gründe für die Annahme, dass die Schwangerschaft auf einer an der Schwangeren begangenen rechtswidrigen Tat, v. a. Vergewaltigung, beruht), innerhalb von 12 Wochen; 4) soziale Indikation (nicht auf andere, zumutbare Weise abwendbare Gefahr einer so schwerwiegenden Notlage, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann), innerhalb von 12 Wochen. In der Realität wurde die Indikationenregelung weitgehend im Sinn einer »verkappten Fristenregelung« unterlaufen. In den vergleichsweise sozial wohl situierten alten Ländern gingen (1991) etwa 88 % aller legalen Schwangerschaftsabbrüche auf die soziale Indikation zurück (1981: 75 %). Bis zur Entscheidung des BverfG vom 28. 5. 1993 bestand eine umfängliche Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für den Schwangerschaftsabbruch (§§ 200 a-g RVO).
 
In den neuen Ländern galten diese Regelungen laut Einigungsvertrag nicht. Dort war ein Schwangerschaftsabbruch bei Vorliegen von medizinischen Gründen und (binnen 12 Wochen nach Beginn der Schwangerschaft, Fristenlösung) auf Antrag der Frau bei nicht erwünschter Schwangerschaft rechtlich zulässig (Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. 3. 1972). Der gesamtdeutsche Gesetzgeber hatte nach Art. 31 Einigungsvertrag die Aufgabe, bis spätestens 31. 12. 1992 eine neue, für beide Teile Deutschlands bessere Regelung hinsichtlich des Schutzes für das vorgeburtliche Leben und die verfassungskonforme Bewältigung von Konfliktsituationen zu erarbeiten.
 
Daraufhin beschloss der Bundestag das Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27. 7. 1992, wonach der Schwangerschaftsabbruch außer in den Fällen der Gefahr für die Mutter (medizinische Indikation) oder der Schädigung des Kindes (eugenische Indikation) auch dann nicht rechtswidrig war, wenn ein Arzt auf Verlangen der Schwangeren den Abbruch innerhalb von 12 Wochen ab Empfängnis vornahm und diese sich vorher in näher geregelter Weise hatte beraten lassen (Fristenlösung); in diesen Fällen bestand auch ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung. Darüber hinaus war der Schwangerschaftsabbruch für die Schwangere (nicht aber für andere Beteiligte) nicht strafbar, wenn er binnen 22 Wochen und nach Beratung durch einen Arzt vorgenommen wurde. Das Gesetz regelte außerdem die Hilfe für Schwangere, Familien und Kinder durch Aufklärung, Beratung und soziale Leistungen wie Kindergartenplätze u. a. Es trat jedoch, soweit es Änderungen des StGB vorsah und auf die bisherige statistische Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen verzichtete, aufgrund einer einstweiligen Anordnung des BverfG nicht in Kraft. Das BverfG erklärte auf Antrag durch Urteil vom 28. 5. 1993 Teile des Gesetzes für nichtig. Es stellte in Leitsätzen u. a. fest, dass das GG den Staat verpflichtet, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Rechtlicher Schutz gebühre dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz sei nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbiete. Das BverfG schränkte in seiner Entscheidung die Fristenregelung ein und erklärte den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich für rechtswidrig. Es stellte fest, dass der Staat den Rechtsbruch nicht bestrafen muss, sondern ihn mit Rücksicht auf eine eventuell schwierige Lage der Schwangeren dulden kann. Für zulässig wurde eine Fristenregelung erklärt, nach der ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft unter der Voraussetzung nicht bestraft wird, dass die Schwangere eine umfassende Beratung mit dem Ziel, das werdende Leben zu bewahren, in Anspruch genommen hat. Ausdrücklich stellte das Gericht fest, dass das GG es nicht zulasse, für einen rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Die Leistung von Sozialhilfe bei Bedürftigkeit sei hingegen nicht zu beanstanden. Nicht rechtswidrig waren nach dem Urteil die aufgrund der medizinischen, der eugenischen oder der kriminologischen Indikation vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch. Das BVerfG hatte eine Vollstreckungsregelung für die Übergangszeit bis zum Erlass eines neuen Gesetzes angeordnet, die vom 16. 6. 1993 bis zum 1. 10. 1995 galt. Für den im Zentrum des Streits stehenden Schwangerschaftsabbruch nach Beratung, aber ohne Indikation galt danach praktisch eine Fristenlösung mit Beratungspflicht mit der Maßgabe, dass der Schwangerschaftsabbruch nur straflos, aber nicht rechtmäßig sei. Außerdem wurden die Anforderungen an die Beratung konkretisiert. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung war für diesen Schwangerschaftsabbruch ausgeschlossen, soweit die Maßnahmen nicht dazu dienten, die Gesundheit der Mutter oder des Kindes aus einer künftigen Schwangerschaft zu schützen. Eine Ausnahme machte das Gericht bei der kriminologischen Indikation (Vergewaltigung); obwohl das Gesetz diesen Rechtfertigungsgrund nicht kannte, gewährte es einen Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn eine ärztliche Feststellung über das Vorliegen einer entsprechenden Straftat erfolgt war. Die bis 15. 6. 1993 im alten Bundesgebiet gültige soziale Indikation fand keine Anwendung mehr.
 
Unter dem Eindruck der vom BVerfG geschaffenen Rechtssituation wurde das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz vom 21. 8. 1995 erlassen, ein Artikelgesetz, das besonders Bestimmungen zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten sowie Änderungen des StGB enthielt. Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) hat jede Frau und jeder Mann das allgemeine Recht, sich in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen von einer staatlich anerkannten Beratungsstelle informieren und beraten zu lassen. Die Länder haben ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen zu gewährleisten. Die Schwangerschaftskonfliktberatung (§§ 5 ff. SchKG in Verbindung mit § 219 StGB) dient dem Schutz des ungeborenen Lebens und hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen. Der Frau muss bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass deshalb ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Ausgehend von der Verantwortung der Frau ist die Beratung ergebnisoffen zu führen. Die Rat suchende Schwangere ist unverzüglich zu beraten. Sie kann auf ihren Wunsch gegenüber der sie beratenden Person anonym bleiben. Im Einvernehmen mit ihr können auch andere Personen (z. B. der Erzeuger des Kindes, ärztliche, psychologische Fachkräfte) hinzugezogen werden. Nach Abschluss der Beratung ist der Schwangeren eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung über die Beratung auszustellen. Die Ausstellung von Beratungsscheinen durch Beratungsstellen der katholischen Kirche soll ab 1999 unterbleiben, da dies eine »Vorbereitungshandlung« zum Schwangerschaftsabbruch darstelle.
 
Nach § 12 SchKG ist niemand verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken; es sei denn, die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung ist nicht anders von der Frau abzuwenden. Die Länder haben gemäß § 13 SchKG ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen.
 
In strafrechtlicher Hinsicht gilt weiterhin § 218 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt. Die §§ 218 a ff. bestimmen jedoch, unter welchen Voraussetzungen ein Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar ist. Nach § 218 a Absatz 1 ist eine strafbare Handlung im Sinne von § 218 nicht gegeben, wenn die Schwangere innerhalb von 12 Wochen seit der Empfängnis den Schwangerschaftsabbruch verlangt, der Eingriff von einem Arzt durchgeführt wird und die Schwangere dem Arzt durch eine nach § 219 StGB erforderliche Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen (Beratungskonzept). Wie bisher ist der Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig, wenn er mit Einwilligung der Schwangeren vorgenommen wird und nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwehren und die Gefahr nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann (medizinische Indikation, § 218 a Absatz 2). Die bisherige embryopathische oder eugenische Indikation (Erbkrankheit, Fehlbildung), die bereits 1993 durch § 218 a Absatz 3 StGB einen eigenen Rechtfertigungsgrund darstellte, fällt seit 1995 unter die medizinische Indikation mit der Folge, dass dann anders als in der Vergangenheit keine Beratung erforderlich ist und die zeitliche Begrenzung auf die 22. Woche wegfällt. Neu geregelt wurde die kriminologische Indikation (§ 218 a Absatz 3), die innerhalb von 12 Wochen seit Empfängnis den von einem Arzt durchgeführten Schwangerschaftsabbruch zulässt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis an der Schwangeren ein Sexualdelikt im Sinne der §§ 176 bis 179 StGB begangen wurde und dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Schwangerschaft auf der Tat beruht. Beibehalten worden ist die Regelung des § 218 a Absatz 4, der (nur) die Schwangere straffrei lässt, wenn sie den Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 22 Wochen seit Empfängnis nach erforderlicher Beratung hat durchführen lassen. - Zur Verbesserung des Lebensschutzes wurden darüber hinaus nach den Vorgaben des BverfG § 170 b Absatz 2 StGB (jetzt § 170) und § 240 StGB geändert und die Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber der Schwangeren sowie die Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch gesondert unter Strafe gestellt. Nach §§ 218 b, c sind auch bestimmte ärztliche Pflichtverletzungen bei Schwangerschaftsabbrüchen strafbar.
 
Sozialversicherungsrechtlich
 
ist die Schwangere grundsätzlich leistungsberechtigt, wenn sie sozialversichert ist und der Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig war (§ 24 b Absatz 1 SGB V). Handelt es sich jedoch um einen Eingriff im Sinne des § 218 a Absatz 1 StGB (Beratungsregelung), ist der Sozialversicherungsträger für den Eingriff und die gewöhnliche Nachbehandlung nicht leistungspflichtig (§ 24 b Absatz 3 SGB V). Das bedeutet, dass zwar die Kosten für die Beratung und die Maßnahmen der Gesunderhaltung der Frau und, falls es nicht zum Schwangerschaftsabbruch kommt, des Kindes übernommen werden, nicht aber die Kosten für die Anästhesie, den operativen Eingriff, die vaginale Behandlung, die Injektion von Medikamenten, die Assistenz durch einen anderen Arzt sowie die Kosten der Operationsvor- und -nachbereitung. Frauen, die die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs nicht tragen können, sind nach dem Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen vom 21. 8. 1995 so gestellt, als seien sie sozialversichert. Danach sind einer Frau die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch nicht zuzumuten, wenn ihre verfügbaren persönlichen Einkünfte 1 700 DM monatlich nicht übersteigen und sie kein verfügbares Vermögen besitzt. Die Einkommensgrenze erhöht sich für jedes ihr gegenüber unterhaltsberechtigte minderjährige Kind um 400 DM. Die genannten Beträge verändern sich um den Vomhundertsatz, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert (§ 6 Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen). In den neuen Ländern ist die Einkommensgrenze geringer und wird durch VO angepasst (ab 1. 7. 1997 1 553 DM, Zuschlag für Kinder 383 DM). Die aus dem Gesetz erwachsenen Kosten haben die Länder den gesetzlichen Krankenkassen zu erstatten.
 
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind 1996 in Deutschland etwa 130 900 legale Schwangerschaftsabbrüche gemeldet worden (gegenüber 1995 eine Erhöhung um annähernd 33 000). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche für 1995 noch nach der bis Ende 1995 geltenden gesetzlichen Grundlage ermittelt wurde. Die seit dem 1. 1. 1996 geltende Neuregelung soll die statistische Dunkelziffer der Schwangerschaftsabbrüche verringern. Der wesentliche Unterschied gegenüber der bis dahin geltenden Regelung (anonyme Abgabe der Meldungen durch die Auskunftspflichtigen) besteht darin, dass eine Pflicht zur Angabe von Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen (Inhaber der Arztpraxis, Leiter des Krankenhauses) vorgeschrieben wurde. Der Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche um etwa 34 % dürfte weitgehend auf die dargestellte gesetzliche Neuregelung der Bundesstatistik zurückzuführen sein und damit nicht als tatsächliche Zunahme angesehen werden. Das Durchschnittsalter der betroffenen Frauen betrug 1996 28 Jahre. Bei 3,6 % der Fälle handelte es sich um Minderjährige. Mehr als die Hälfte der Frauen (52,3 %) waren verheiratet, 40,5 % ledig. 4 874 aller 1996 gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche wurden aufgrund einer medizinischen (4 818 Fälle) oder kriminologischen (56 Fälle) Indikation vorgenommen. Dabei scheint kein Zusammenhang zwischen der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche und der gesetzlichen Regelung zu bestehen. In Ländern, die den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellen, verringert sich nicht die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche, sondern sie erfolgen illegal unter zum Teil medizinisch schlechteren Bedingungen oder werden im Ausland vorgenommen.
 
In Österreich wird der Schwangerschaftsabbruch mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, bei gewerbsmäßiger Begehung bis zu drei Jahren bestraft (§ 96 StGB). Der Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt ist jedoch nicht strafbar, wenn er mit Zustimmung der Schwangeren innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft vorgenommen wird (Fristenlösung), wenn eine medizinische oder eugenische Indikation vorliegt oder wenn die Schwangere zur Zeit der Schwängerung das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte (§ 97 StGB). Auch ohne ärztlicher Hilfe ist der Schwangerschaftsabbruch straffrei, wenn er zur Rettung der Schwangeren aus unmittelbarer Lebensgefahr erforderlich ist. Kein Arzt ist im Übrigen zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs verpflichtet, sofern nicht unmittelbare Lebensgefahr besteht.
 
In der Schweiz wird der Schwangerschaftsabbruch als Abtreibung beziehungsweise Fremdabtreibung grundsätzlich bestraft (Art. 118 ff. StGB). Zulässig ist ein Schwangerschaftsabbruch mit schriftlicher Zustimmung der Schwangeren im Falle einer medizinischen Indikation durch einen Arzt nach vorheriger Einholung eines Gutachtens.
 
 Schwangerschaftsabbruch in der öffentlichen Diskussion
 
Während die profane Ethik zu keiner eindeutigen Aussage über die Zulässigkeit oder das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs findet, vertreten Lehramt und Moraltheologie der katholischen Kirche eine restriktive Auffassung: In Fortführung der traditionellen Beseelungslehre, wobei der Zeitpunkt der Beseelung jedoch heute als mit dem Zeitpunkt der Befruchtung identisch angesehen wird, liegt nach katholischer Lehre mit der Empfängnis ein beseeltes Individuum und damit eine Person vor, womit der Schwangerschaftsabbruch dem Tötungsverbot unterliegt. Moraltheologisch erlaubt ist damit ein Schwangerschaftsabbruch nur bei Vorliegen einer so genannten doppelt-vitalen Indikation, bei der im Falle der Fortsetzung der Schwangerschaft Schwangere und Fetus zu Tode kämen. Im Falle der lediglich einfach-vitalen Indikation, bei der allein die Schwangere ihr Leben riskiert, genießt angesichts der Schuldlosigkeit der Leibesfrucht deren Lebensrecht den Vorrang und ist die Schwangere gehalten, ihr Leben dem ihrer Leibesfrucht zu opfern. Allerdings wird dem weltlichen Recht konzediert, hier auf eine Strafverfolgung zu verzichten. Nach katholischem Kirchenrecht wird der unerlaubte Schwangerschaftsabbruch mit der Exkommunikation bestraft.
 
Von der grundlegenden Schutzwürdigkeit und Unantastbarkeit des werdenden beziehungsweise ungeborenen Lebens gehen auch die evangelischen Kirchen aus, doch wird von ihnen die Eigenverantwortlichkeit der elterlichen Gewissensentscheidung stärker in den Vordergrund gerückt. Kein einheitliches Bild vermittelt die medizinische Ethik. Grundsätzlich der Lebenserhaltung verpflichtet, zeichnet sich aber in der Ärzteschaft die Tendenz ab, an der Schutzwürdigkeit vorgeburtlichen Lebens deutliche Abstriche zu machen.
 
In der Kontroverse, von welchem Zeitpunkt an Leben als Rechtssubjekt zu schützen ist, auch gegen den Willen der schwangeren Frau, spielt die Entwicklung von Humangenetik, Pränatalmedizin und Reproduktionsmedizin eine entscheidende Rolle, da durch sie Eingriffsmöglichkeiten Dritter und die Kontrolle von Lebensprozessen eröffnet werden sowie die Ersetzbarkeit von Mutterschaft und Vaterschaft suggeriert wird. In dieser Betrachtung tritt die Person der Frau zurück, gewinnt sie die Stellung eines Mittels zum Zweck der Entwicklung eines anderen Lebens. Diese Entwicklung hat ihren Niederschlag in einer unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunktes gefunden, ab dem artspezifisches menschliches und damit vom rechtlichen Standpunkt schützenswertes Leben besteht; laut Embryonenschutzgesetz vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung von Ei und Samenzelle an, nach § 218 StGB ab dem Zeitpunkt der Nidation. Diese unterschiedlichen gesetzgeberischen Wertentscheidungen zeigen, dass es sich bei der Festlegung, ab wann der Schutz des menschlichen Lebens einzusetzen hat, nicht um eine naturwissenschaftliche begründete, sondern um eine politische Entscheidung handelt, die von religiösen und weltanschaulichen Werturteilen geprägt wird. Der Konflikt der unterschiedlichen Wertentscheidungen des Lebensschutzes spitzt sich weiter zu, seitdem die Medizin in der Lage ist, Frühgeborene etwa ab der 24. Woche bei einem Gewicht von etwa 500 g intensiv-medizinisch mit guten Erfolgschancen zu behandeln, und andererseits durch die Novellierung des Schwangerschaftsabbruchrechtes die Fristen für eine embryopathische Indikation entfallen sind. Nach der Rechtsordnung ist es zulässig, Schwangerschaftsabbrüche zu einem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem sonst frühstgeborene Kinder unter Zuhilfenahme intensiv-medizinischer Maßnahmen am Leben erhalten werden können. Dieses hat eine erneute Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch ausgelöst und Fragen danach aufgeworfen, ob und wann welche medizinische Verfahren von der Gesellschaft akzeptiert werden. Ob es bei dieser Ausgangslage bei der gesetzlichen Kompromisslösung von 1995 bleiben wird, ist zurzeit offen.
 
Literatur:
 
Wir sind keine Mörderinnen!, hg. v. S. von Paczensky (1980);
 
Die neuen Moralisten § 218. Vom leichtfertigen Umgang mit einem Jahrhundertthema, hg. v. S. von Paczensky: u. a. (1984);
 
§ 218 - zu Lasten der Frauen, hg. v. S. von Paczensky: u. a. (10.-12. Tsd. 1990);
 W. Gropp: Der strafbare S. (1981);
 
S. als individuelles u. gesellschaftl. Problem, hg. v. F. Böckle (1981);
 H. H. Bräutigam u. D. A. Grimes: Ärztl. Aspekte des legalen S. in der Bundesrep. Dtl. u. in den USA (1984);
 R. Augstein u. H.-G. Koch: Was man über den S. wissen sollte (1985);
 C. Belling: Ist die Rechtfertigungsthese zu § 218 a StGB haltbar? (1987);
 
S. im internat. Vergleich, hg. v. A. Eser u. a., 2 Bde. (1988-89);
 A. Leist: Eine Frage des Lebens. Ethik der Abtreibung u. künstl. Befruchtung (1990);
 M. Gante: § 218 in der Diskussion. Meinungs- u. Willensbildung 1945-1976 (1991);
 B. Holzhauer: Schwangerschaft u. S. (21991);
 
Gesch. der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. R. Jütte (1993);
 A. Bernard: Der S. aus zivilrechtl. Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des nasciturus (1995);
 N. Hoerster: Abtreibung im säkularen Staat. Argumente gegen den § 218 (21995);
 N. Hoerster: Neugeborene u. das Recht auf Leben (1995);
 U. Gerhard: Unerhört. Die Gesch. der dt. Frauenbewegung (23.-25. Tsd. 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Schwangerschaftsverlauf und Schwangerschaftsabbbruch
 

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Schwạn|ger|schafts|ab|bruch, der: Abbruch einer Schwangerschaft durch gynäkologische Maßnahmen: einen S. vornehmen [lassen]; Der Präsident der Gesellschaft für Gynäkologie will den medikamentösen S. einschränken (Focus 25, 1999, 161); Denn nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Schein eine der wesentlichen Bedingungen für den S. (Spiegel 25, 1999, 75).

Universal-Lexikon. 2012.