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sozialer Wandel
sozialer Wandel,
 
sozialwissenschaftlicher Begriff, der darüber hinaus auch im täglichen Sprachgebrauch und in politischen und ökonomischen Zusammenhängen eine große Anwendungsbreite gefunden hat. Im allgemeinsprachlichen Verständnis wird mit sozialem Wandel der Prozess der Veränderung bezeichnet, dem Gesellschaften im Ganzen, einzelne gesellschaftliche Teilbereiche, aber auch individuelle Verhaltensmuster, Einstellungen und im Besonderen Wertorientierungen im Rahmen historischer, ökonomischer und sozialer Entwicklungen unterworfen sind. Im Rahmen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen bezeichnet sozialer Wandel die Veränderung sozialer Strukturen, sowohl in quantitativer (das Anwachsen oder der Niedergang einer bestimmten Erscheinung) als auch in qualitativer Hinsicht (Funktionsveränderungen, neue Erscheinungen, neue Werte). Der Begriff bezieht sich dabei v. a. auf die Entwicklung der für eine Gesellschaft typischer Merkmale unter der Perspektive, dass sich durch deren Veränderung die gesamte Gesellschaft in ihren Grundzügen ändert. Seine sozialwissenschaftliche Konzeption und die mit ihr verbundene Verwendung als deskriptive oder analytische Kategorie setzen damit zwei Grundannahmen voraus, die selbst zu den Grundlagen des Selbstverständnisses moderner Gesellschaften gehören: die Vorstellung der Gesellschaft als eines von wechselseitiger Abhängigkeit bestimmten Interaktionszusammenhangs und Rahmens sozialen Handelns und zugleich die Vorstellung einer die Gesellschaft insgesamt und in ihren Teilbereichen durchziehenden Dynamik, die in ihnen allerdings unterschiedlich schnell, tief greifend oder weit reichend in Erscheinung treten kann. Die Untersuchung des sozialen Wandels durch die Sozialwissenschaften (besonders die Soziologie) sieht eine ihrer Hauptaufgaben darin, Tendenzen, Gesetzmäßigkeiten und Folgen gesellschaftlicher Veränderung aufzuspüren, zu bestimmen und hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung zu diskutieren.
 
Als eine grundlegende Erscheinung des sozialen Wandels (sowohl hinsichtlich der historischen Entwicklungen als auch in Bezug auf die wissenschaftliche Modellbildung) ist der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft anzusehen, wie er von Europa ausgehend im 18. und 19. Jahrhundert seine Entwicklung nahm, heute weite Teile der Welt erfasst hat und, im Rahmen der Diskussionen um Globalisierung, Entwicklungspolitik und die Begrenzungsmöglichkeiten industriekapitalistischer Entwicklungen und Verwerfungen, Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen geworden ist. Die in der Folge des sozialen Wandels entstandene Industriegesellschaft stellt wiederum selbst, als eine Gesellschaft, die in ihrer eigenen Entwicklung stetig die jeweils eigenen Voraussetzungen mit verändern, ja untergraben und neu definieren muss (É. Durkheim, G. Simmel, M. Weber, R. K. Merton, D. Bell, J. Fourastié, A. Giddens, U. Beck), das »Paradebeispiel« für sozialen Wandel als fortschreitenden, immer neuen Selbstorientierungen unterworfenen Prozess dar. Neben dem demographischen Übergang (Anstieg der Bevölkerung, Verlängerung der Lebenszeit) bildet die Veränderung der Erwerbsstruktur von landwirtschaftlicher Arbeit zur Industriearbeit eine wesentliche Grundlage der Entwicklung und Formation der Industriegesellschaft und des mit ihr verbundenen Ordnungsmodells der »bürgerlichen Gesellschaft«. Diesem wirtschaftlichen Strukturwandel entsprachen Veränderungen im familiären Zusammenleben ebenso wie in der Rechtsordnung, im Erziehungsverhalten ebenso wie im Geschäftsleben und in der Verwaltung (Weber), nicht zuletzt veränderte Vorstellungen von politischer Partizipation und individuellen Einstellungen und Verhaltensmustern bis hin zu Veränderungen der Gefühlsstrukturen und Wahrnehmungsmuster etwa im Zusammenhang der Urbanisierung (Simmel). Der soziale Wandel innerhalb der heutigen Industriegesellschaft ist wesentlich durch drei Komponenten charakterisiert: Die Fortsetzung und Vertiefung der Veränderungen in den genannten Bereichen, die Entstehung neuer Interdependenzen (z. B. veränderte Berufsbiographien und Lebensplanungen, gewandelte Einstellungen zu Familie, Partnerschaft und Erziehung) und die Vervielfältigung individueller Reaktionsmuster.
 
 Geschichte und Theorien
 
Während der Prozess des sozialen Wandels und das Bemühen um seine Erforschung und Deutung bereits zum Ende des 18. Jahrhunderts einsetzten (A. Condorcet, A. Smith) und hier zu Studien führten, die im Laufe des 19. Jahrhunderts in Soziologie, Ökonomie und politischen Wissenschaften einmündeten (K. Marx), tritt der Begriff selbst (»Social change«) erst in Buchtiteln der US-amerikanischen Soziologie der 1920er-Jahre in Erscheinung (S. H. Price, 1920; W. F. Ogburn 1922). Gegenüber älteren, deutlich wertenden und eher geschichtsphilosophisch bestimmten Begriffen wie Fortschritt, Revolution oder Evolution stellt der Begriff sozialer Wandel eine eher neutrale Sichtweise gesellschaftlicher Änderungsprozesse dar und bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, mehrere Faktoren und Ursachen in Anschlag zu bringen, ja auf Kausalitätsvorstellungen zugunsten von Funktionszusammenhängen ganz zu verzichten. Namentlich stand der Begriff in Konkurrenz zur marxistischen Deutung gesellschaftlicher Dynamik als ein revolutionärer und durch Revolutionen vorangetriebener Prozess. Zugleich gibt es aber bis heute keine allgemein anerkannte Definition oder eine die verschiedenen Deutungsmuster und Standpunkte umfassende Theorie. Der Begriff gehört vielmehr zu jenen Grundbegriffen der Soziologie, in deren Auslegung und wissenschaftlicher Festlegung sich unterschiedliche Theorieansätze, historische Sichtweisen und Diskussionen sowie nicht zuletzt unterschiedliche Praxisvorstellungen und Verwendungsabsichten wieder finden lassen beziehungsweise spiegeln.
 
Bis heute bildet dabei der historisch bislang einmalige Mobilitäts- und Umbruchprozess zur modernen Gesellschaft, wie er - mit den Doppelrevolutionen industrielle Revolution und Französische Revolution zum Ende des 18. Jahrhunderts einsetzend - zur Ablösung der agrarisch verfassten Ständegesellschaft durch die Industriegesellschaften des 19. Jahrhunderts geführt hat, den Hintergrund für die Begriffsbestimmung und die Erforschung des sozialen Wandels. Nicht nur Marx und F. Engels, die die Dynamik dieses Umbruchs im »Kommunistischen Manifest« von 1848 emphatisch beschrieben, sondern auch eine Reihe konservativer beziehungsweise liberaler Autoren und Beobachter (A. de Tocqueville, J. S. Mill, A. Comte, L. von Stein) gehören zu den Interpreten der mit diesem Gesellschaftstyp verbundenen Problemlagen und gesellschaftliche Erfahrungen, die je nach Standpunkt und eigenen Gesellschaftsvorstellungen als Aufbruch, Niedergang, Krise oder Chance, bald auch schon unter den Aspekten möglicher Planung und Steuerbarkeit betrachtet beziehungsweise dargestellt wurden. Zu den Erfahrungen, die nicht nur die Vorstellung sozialen Wandels bestimmen, sondern eben zugleich auch die Grundlagen der modernen Gesellschaften selbst in den Blick brachten, zählen die seit dem 19. Jahrhundert durch die industrielle Entwicklung in Gang gekommene Zunahme und Verstetigung räumlicher und sozialer Mobilität ebenso wie die Verbürgerlichung beziehungsweise Proletarisierung vormals ständisch beziehungsweise agrarisch geprägter Lebenszusammenhänge, die Ausbreitung und durchgängige Gliederung des Bildungswesens, eine veränderte Arbeitsökonomie einschließlich der zugehörigen Regelungssysteme sowie steigende Qualifizierungsansprüche, die Ausweitung und Durchorganisation behördlich-administrativer Strukturen und eine durchgehendere Verrechtlichung der sozialen Beziehungen im Ganzen, Veränderungen in der Familienstruktur, im Freizeitbereich und im Privatsektor insgesamt sowie eine grundlegende Perspektive der Säkularisierung im Hinblick auf das soziale und individuelle Selbstverständnis und die Lebensperspektiven. Die ebenfalls mit dem sozialen Wandel in Gang gesetzte Auflösung traditioneller ständischer und schichtenspezifischer Bindungen stellt sich heute in den westlichen Industriegesellschaften als eine grundlegende Tendenz der Individualisierung von Chancen und Risiken des sozialen Wandels dar. So lassen sich die spezifischen Entstrukturierungsvorgänge moderner Gesellschaften, besonders in der ersten Jahrhunderthälfte des 20. Jahrhunderts (Zeitalter der Massen), als Folgen und Erscheinungsbilder sozialen Wandels verstehen. Dass sich auch Veränderungen auf der Ebene der Individuen, z. B. veränderte Rollenbilder der Geschlechter und Generationen, gewandelte Einstellungen zu Beruf, Familie und Partnerschaft sowie der Entwurf neuer Lebensstile insgesamt als Ausdruck sozialen Wandels verstehen lassen, gehört dagegen im Wesentlichen zu den Erkenntnissen der nach 1945 besonders im Hinblick auf Veränderungen im Bereich der Werthaltungen moderner Gesellschaften durchgeführten Untersuchungen des sozialen Wandels (Ronald F. Inglehart, * 1934).
 
War die ältere Diskussion noch stark von der Suche nach historischen Gesetzmäßigkeiten und kausalen Ableitungsmöglichkeiten sowie entsprechend fundierten Zukunftsprognosen bestimmt (dies gilt ebenso für Comtes Dreistadiengesetz wie für Marx' Theorie einer stetigen, aber durch die jeweiligen Produktionsverhältnisse auch gebrochenen Entwicklung der Produktivkräfte, die sich gegenüber den jeweils bestehenden Strukturen revolutionär ihren Weg bahnen sollten), so tritt bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert eine deutlichere Beschäftigung mit Funktionszusammenhängen auf, wobei sich hier an Marx' Einsichten in die Wechselbeziehungen, Brüche und Konflikte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen (Siedlungsstrukturen, Arbeit, Wirtschaft, Recht, Religion, Ideologie, Kultur) anknüpfen ließ, die dieser selbst noch dem Ökonomismus der eigenen Theorie und ihrem von Hegel übernommenen geschichtsphilosophischen Fundament unterworfen hatte. Bei den soziologischen Theoretikern der Jahrhundertwende bildeten dabei noch feste Mechanismen die Grundlage für die Analyse des sozialen Wandels; so bei Durkheim, der den Prozess der Arbeitsteilung und den damit verbundenen Übergang von mechanisch-gemeinschaftlicher Verbindung zu organisch-gesellschaftlicher Solidarität als Funktionen des sozialen Wandels begriff, oder bei F. Tönnies, der sozialen Wandel mit umgekehrten Vorzeichen zu Durkheim als Übergang von gemeinschaftlich-organischer zu gesellschaftlichen, durch Interessenegoismen geprägten sozialen Organisationsformen bestimmte. Bei dem Sozialdarwinisten H. Spencer standen die durch den Überlebenskampf gesteigerten Anpassungsleistungen von Individuen und sozialen Organisationen im Mittelpunkt des sozialen Wandels. V. Pareto stellte sozialen Wandel als zirkulären Austausch von Eliten dar. Simmel und Weber sahen im sozialen Wandel einen Prozess fortschreitender Funktionsdifferenzierung. Dabei stellte Simmel stärker die Tragik eines sich fortlaufend steigernden, sich damit jedoch in seinen jeweiligen Ergebnissen zugleich auch immer wieder relativierenden beziehungsweise aufhebenden Prozesses heraus, während Weber die Unumkehrbarkeit jenes Prozesses betonte, dem er die okzidentalen Industriegesellschaften im Besonderen unterworfen sah und der nach ihm durch das Wechselverhältnis von fortschreitender Rationalisierung und wachsender »Entzauberung der Welt« bestimmt wurde. Diese besonders von Weber herausgestellte Doppeldeutigkeit von sozialem Wandel führte in der Folge zur Loslösung der Diskussion um den sozialen Wandel von der Anbindung an geschichtsphilosophischen oder gesamtgesellschaftlichen Theorien und hat seither zugleich sozialwissenschaftliche Theoriemodelle befördert, die die verschiedenen Faktoren, Wechselprozesse und Abhängigkeiten bei gesellschaftlichen Veränderungen in den Blick nehmen. So benannte bereits Ogburn, der gleichwohl einen Primat technologisch-ökonomische Impulse vertrat, Entwicklung, Akkumulation, Austausch und Anpassung als maßgebliche Faktoren sozialen Wandels. Weitere Faktoren, z. B. die Bedeutung von Innovationen und deren Verbreitung, das Ziel bestehende Konflikte zu bewältigen und umfassende gesellschaftliche Modernisierung zu betreiben, kamen in der Folge hinzu. Vor dem Hintergrund eines im 20. Jahrhundert sich verbreitenden gesellschaftsbezogenen Denkens (Soziologie im Alltag) erscheint sozialer Wandel damit eingebettet in den größeren Funktionszusammenhang gesellschaftlicher Verhältnisse, als deren eine Dimension er dann in seiner Mehrdeutigkeit, aber auch in normativer Hinsicht in Erscheinung tritt.
 
 Forschungsbereiche und Problemstellungen
 
Aufgrund seiner umfassenden, keineswegs aber unbestrittenen Rolle als gesellschaftsverändernde Kraft ist sozialer Wandel zum einen Gegenstand allgemeiner soziologischer Forschungen (Gesellschaftstheorie, Makrosoziologie, Gesellschaftsgeschichte) geworden und ist zum anderen ein Thema im Bereich spezieller Soziologien, wobei sozialer Wandel hier die zeitliche Dimension der Veränderungen maßgeblicher Elemente oder Strukturen in den jeweils untersuchten Teilbereichen bezeichnet (Wandlungen des Alltags und der Familie, der Öffentlichkeit, der Rechtsverhältnisse, der Politik, der Industrie und der Arbeitswelt, des Bildungssystems, der Wertvorstellungen, des Partnerschaftsverhaltens und der Geschlechterrollen u. a.). Auch unter interdisziplinären und gesellschaftsvergleichenden Gesichtspunkten spielt sozialer Wandel eine bedeutende Rolle, da er die Wechselbeziehungen historischer, ökonomischer, kulturgeschichtlicher und soziologischer Faktoren und Entwicklungen in den Blick bringt. Im Hinblick auf seine theoretische Erfassung werden in der Forschung sowohl finalistische, d. h. geschichtsphilosophische Entwürfe als auch kausalbezogene, im engeren Sinn wissenschaftlich-empirischer Forschungsansätze verfolgt. Wird sozialer Wandel eher als Anpassungsleistung interpretiert, so können evolutionistische, strukturfunktionalistische oder systemtheoretische Perspektiven herangezogen werden, werden dagegen Konflikte, Innovationen oder unvorhersehbare radikale beziehungsweise krasse Veränderungen (Katastrophen) als Ursachen sozialen Wandels in Betracht gezogen, so bieten sich konflikttheoretische beziehungsweise auch individualistische Sichtweisen an. Aus strukturfunktionalistischer Sicht kommt - im Anschluss an T. Parsons - sozialer Wandel dadurch zustande, dass die Aufrechterhaltung und die weitere Steigerung der Effektivität eines sozialen Systems entsprechende Veränderungen erfordern und bewirken, während in konflikttheoretischer Sichtweise der Streit zwischen unterschiedlichen Gruppen (Klassen, aber auch beispielsweise Eliten) um materielle Güter oder soziale Stellungen den Ausgangspunkt sozialen Wandels bildet. Eine Art Synthese beider Sichtweisen bietet eine »konflikttheoretisch gehärtete Modernisierungstheorie« (W. Zapf), die in ihren Anfängen auf die soziologische Modernisierungstheorie nach 1945 zurückgeht, welche damals v. a. auch in der Entwicklungsländerforschung eine bedeutende Rolle spielte (Daniel Lerner, * 1917, ✝ 1980, S. N. Eisenstadt) und die dann unter dem Eindruck der weltpolitischen Veränderungen nach 1990 zunächst eine Neuauflage (dabei die an ihr seit 1968 geübte Kritik integrierend) erfuhr. Während diese Theorie zunächst genug Raum für die interpretatorische Bearbeitung konfliktbezogener sozialer Veränderungen, zumal in den Transformationsgesellschaften Osteuropas, zu bieten schien, vollzieht sich zum Ende des 20. Jahrhunderts unter dem Eindruck globaler Verwerfungen eines scheinbar ungebremsten Kapitalismus auch eine Neuformulierung konfliktbezogener Deutungsmuster sozialen Wandels (Rainer Geißler, * 1939, Giddens, George Ritzer, Viviane Forrester).
 
Hinsichtlich unterschiedlicher Reichweiten sozialen Wandels lassen sich drei Ebenen unterscheiden. In seiner engsten Fassung bezieht sich der Begriff auf die Veränderung typischer Merkmale und Strukturen in bestimmten Institutionen oder Arbeitsbereichen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten. Auf der zweiten Ebene treten Veränderungen in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen in ihrem Wechselbezug, in ihrer Abhängigkeit oder auch in ihrer Losgelöstheit von anderen Entwicklungen in den Blick. Auf einer dritten Ebene finden sich schließlich globale Beschreibungen sozialen Wandels, die nicht zuletzt wegen der Breite und Bedeutung des Themas auf mitunter großes Interesse in Öffentlichkeit und Politik stoßen (V. Packard, D. Bell, Neil Postman, * 1931, Paul Kennedy, * 1945, U. Beck). Während im Bereich der wissenschaftlichen Diskussion instrumentelle Fragen, also etwa zur Erhebung und Auswertung von Daten oder zur Festlegung von Gesellschaftsausschnitten und zur Operationalisierung von Begriffen im Vordergrund stehen, lebt die publizistische Diskussion nicht zuletzt vom Entwurf großer Szenarien, in denen Chancen und Risiken dieser Entwicklungen gleichermaßen beschworen und kritischer Betrachtung unterworfen werden. Die neoliberale Kritik der sozialstaatlichen Integrationsmodelle industrieller Gesellschaften sowie deren sozialistische beziehungsweise linksliberale Kritik spielen in der derzeitigen Diskussion um die Erforschung, die Steuerung und die Interpretation sozialen Wandels ebenso eine wichtige Rolle wie die Folgen weltweiter Migration, die Auflösung der Arbeitsgesellschaft, die Bedeutung der neuen Medien und die Erscheinungsformen einer Individualisierung von sozialen Lagen, Lebensstilen und Lebensläufen, die sich nicht zuletzt in Erfahrungen und Erscheinungsformen neuer Anomie und entsprechenden Konfliktpotenzialen wieder finden lässt. Eine besondere Beachtung erfahren schließlich die Probleme gesellschaftlicher Transformation in den ehemals staatssozialistischen Gesellschaften Osteuropas, während das Interesse an entwicklungspolitischen Fragen - zumindest in Europa - derzeit keine große Rolle mehr spielt.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Dienstleistungsgesellschaft · Fortschritt · Gesellschaft · Industrialisierung · Informationsgesellschaft · Innovation · Mobilität · Planung · Rationalisierung · Wertewandel · Zivilisation
 
Literatur:
 
W. F. Ogburn: Kultur u. s. W. Ausgew. Schr. (1969);
 
S. W., Zivilisation u. Fortschritt als Kategorien der soziolog. Theorie, hg. v. H. P. Dreitzel (21972);
 
Funk-Kolleg S. W., hg. v. T. Hanf u. a., 2 Bde. (1975);
 G. Wiswede u. T. Kutsch: S. W. Zur Erklärungskraft neuerer Entwicklungs- u. Modernisierungstheorien (1978);
 H. Strasser u. S. C. Randall: Einf. in die Theorien des s. W. (1979);
 
Theorien des s. W., hg. v. W. Zapf (41979);
 W. Jäger: Gesellschaft u. Entwicklung. Eine Einf. in die Soziologie s. W. (1981);
 C. Lau: Gesellschaftl. Evolution als kollektiver Lernprozeß. Zur allg. Theorie sozio-kultureller Wandlungsprozesse (1981);
 Michael Schmid: Theorie des s. W. (1982);
 R. Boudon: Theories of social change (a. d. Frz., Cambridge 1986, Nachdr. ebd. 1994);
 W. L. Bühl: S. W. im Ungleichgewicht (1990);
 
Sozialer Umbruch in Ostdeutschland, hg. v. R. Geißler (1993);
 B. Schäfers: Gesellschaftl. Wandel in Dtl. (61995);
 
S. W. Modellbildung u. theoret. Ansätze, hg. v. Hans-Peter Müller u. Michael Schmid (1995);
 
Gesellschaften im Umbruch, hg. v. L. Clausen (1996);
 A. Giddens: Konsequenzen der Moderne (a. d. Engl. Neuausg. 1996);
 K. Imhof u. G. Romano: Die Diskussion der Moderne. Zur Theorie des s. W. (1996);
 G. Ritzer: Die McDonaldisierung der Gesellschaft (a. d. Amerikan., Neuausg. 1997);
 V. Bornschier: Westl. Gesellschaft - Aufbau u. Wandel (Neuausg. Zürich 1998).

Universal-Lexikon. 2012.