Sị|cher|heits|po|li|tik, die:
Politik, die darauf abzielt, militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden od. einzudämmen.
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Sicherheitspolitik,
die Bemühungen der politischen Willensträger eines Staates, dessen politische Selbstbestimmung (Souveränität) und territoriale Unversehrtheit zu bewahren sowie seine Bevölkerung vor Schaden durch äußere Beeinflussung zu schützen. Sie umfasst damit sowohl die innere wie die äußere Sicherheit.
Gegenstand der inneren Sicherheit ist die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der Staat handelt in diesem Bereich v. a. durch Polizei und Staatsanwaltschaft, in Fragen des Staatsschutzes in Deutschland durch den Verfassungsschutz. In Staaten, die sich dem Prinzip des demokratischen Rechtsstaates verpflichtet haben, ist die Sicherheitspolitik an bestimmte, dem staatlichen Handeln vorgegebene Rechte seiner Bürger (besonders an die Grundrechte) und an rechtlichen Normen gebunden. In autoritären Staaten, v. a. Diktaturen, hat der Schutz des Staates (und der ihn tragenden Kräfte) absoluten Vorrang vor dem des einzelnen Bürgers. Infolgedessen instrumentalisieren solche Staaten Polizei und Staatsanwaltschaft - in enger Verknüpfung mit speziellen Staatsschutzinstitutionen - zur Disziplinierung der Bürger sowie zur Einschüchterung und Unterdrückung der Opposition. Besondere Ziele innerer Sicherheitspolitik sind heute der Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den Terrorismus, während andere staatliche Tätigkeiten zur Sicherung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung nicht der Sicherheitspolitik, sondern der Sozial-, Gesundheits, Verkehrs-, Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik zugerechnet werden.
V. a. im Bereich der politischen Wissenschaft wird der Begriff der Sicherheitspolitik überwiegend für die äußere Sicherheit gebraucht. Diese umfasst alle Maßnahmen und Konzepte, die darauf ausgerichtet sind, schädigende Einwirkungen von außerhalb des Staatsgebietes auf dieses selbst, die darin lebenden Menschen und ihre politische und soziale Ordnung abzuwehren. Hierfür setzte sich der Begriff Sicherheitspolitik in der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er-Jahren anstelle von Wehr- oder Verteidigungspolitik durch, nachdem erkannt worden war, dass Krieg im Rahmen des Ost-West-Konflikts aufgrund des Risikos einer nuklearen Eskalation und der daraus resultierenden Selbstvernichtung nicht mehr führbar, sondern möglichst zu verhindern war. Das Instrumentarium der äußeren Sicherheitspolitik ist breit gefächert. Es umfasst vorbeugende (von der Spionageabwehr und Auslandsspionage über die Rüstung zum Zwecke der Abschreckung bis hin zur klassischen Bündnispolitik), vorsorgende (z. B. Bevorratung von Lebensmitteln sowie Schutzraumbau) und direkte Abwehrmaßnahmen (durch Einsatz von Streitkräften und Grenzschutz, aber auch durch technische Mittel wie Minengürtel oder andere Grenzsicherungsanlagen) sowie eine positive Gestaltung der Außenbeziehungen (Entspannungs-, Kooperations- und Vertragspolitik bis zur Einbindung in ein System kollektiver Sicherheit). Bestimmungsfaktoren für die Effektivität der Sicherheitspolitik eines Landes sind der Stand seiner Rüstung, die Struktur und die räumliche Verteilung (Dislozierung) seiner Streitkräfte und die gewählte Verteidigungsdoktrin sowie sein außenpolitisches Auftreten, das über seinen weltpolitischen Status und die internationale Einschätzung seiner Zuverlässigkeit mitentscheidet. Dieses kann wie im Fall Deutschlands gekennzeichnet sein durch die dauerhafte Einbettung in und Selbstbindung durch ein Bündnissystem, das sich als kollektives Verteidigungssystem versteht, oder wie im Fall der Schweiz oder Österreichs durch Verzicht auf die Teilhabe an einem solchen System und eine Politik der (bewaffneten) Neutralität.
Es gibt drei Grundmuster internationaler Sicherheitspolitik, die in verschiedenen Abwandlungen und Mischformen auftreten oder angestrebt werden: 1) Die Idee der Balance of Power, d. h. die ständige Aufrechterhaltung oder das Bemühen um Wiederherstellung des Gleichgewichts der Mächte. Dieses Konzept hat besonders im 19. Jahrhundert die Beziehungen der europäischen Staaten untereinander bestimmt (Europäisches Konzert). Dagegen entwickelten sich nach 1945 zwei einander feindlich gegenüberstehende Bündnissysteme, die von den USA geführte NATO und der von der Sowjetunion beherrschte Warschauer Pakt; ihr wachsendes nukleares Waffenpotenzial führte zu einem Gleichgewicht des Schreckens. 2) Die Idee der Schaffung kollektiver Sicherheit. Mit der Gründung des Völkerbundes und der Vereinten Nationen sollte diese Idee der kollektiven Sicherheit verwirklicht werden, allerdings scheiterte sie im Völkerbund v. a. an der Abwesenheit der USA, während sie in den Vereinten Nationen bis zum Ende des Ost-West-Konflikts praktisch durch die Paralysierung des UN-Sicherheitsrates verhindert wurde. Auch nach dessen Ende gelang es dem Sicherheitsrat nicht, mit eigenen Streitkräften nach Kapitel VII der Charta im Sinne der kollektiven Sicherheit gegen Friedensbrecher vorzugehen: Im 2. Golfkrieg (1991) legitimierte er nur eine Koalition der Einsatzwilligen unter Führung der USA gegen Irak vorzugehen. Die in diesem Zusammenhang von US-Präsident G. Bush beschworene »Neue Weltordnung« kam nicht zustande. Vielmehr handelte die NATO 1999 im Kosovokrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sogar ohne Mandat der Vereinten Nationen. 3) Die (als Utopie oft diskutierte) Bildung eines Weltstaates oder einer Weltregierung.
Die Bundesrepublik Deutschland verfolgte seit ihrer Gründung zwei außen- und sicherheitspolitische Ziele. Zum einen wollte sie den Status eines Objekts der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges überwinden und wieder zu einem gleichberechtigten Subjekt im Rahmen der internationalen Beziehungen werden. Zum anderen musste sie ihre geostrategisch gefährdete Lage an der Nahtstelle des Ost-West-Konflikts mit West-Berlin als einem politisch dem Bundesgebiet verbundenen Territorium inmitten des gegnerischen Machtbereichs sicherer machen. Dies bedeutete, entweder die Abtrennung der DDR vom eigenen Staatsgebiet wie auch deren von der Sowjetunion oktroyierte Gesellschaftsordnung zu überwinden oder, sofern und solange dies nicht möglich war, die Beziehungen zur gegnerischen Seite so weit zu stabilisieren, dass ein Krieg vermieden wurde, der aufgrund beider Grenzlage immer deutsches Territorium und seine Bewohner getroffen hätte. Die Erfahrung der Abhängigkeit von den Westalliierten wie auch der gefährdeten Lage an der Grenze der beiden unterschiedlichen politischen Systeme verhalf den Politikern der Bundesrepublik Deutschland früh zu der Einsicht, dass Sicherheit nicht mehr in nationalem Alleingang zu verwirklichen sein würde. Da der Kalte Krieg das in der Präambel des GG hervorgehobene gesamteuropäische Friedensziel verstellt hatte, wurde die Westintegration handlungsbestimmend. Ob es zu jener Zeit möglich gewesen wäre, durch Akzeptanz der Neutralität die von Stalin 1952 angebotene Wiedervereinigung zu realisieren, ist historisch nicht geklärt. Die westdeutsche Sicherheitspolitik richtete sich Anfang der 1950er-Jahre auf die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Nachdem deren Zustandekommen 1954 gescheitert war, wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO und in die Westeuropäische Union (WEU) aufgenommen. Dabei verpflichtete sie sich, auf die Herstellung von ABC-Waffen zu verzichten und die Bundeswehr dem NATO-Oberbefehl und ihr Territorium dem »Schutzschirm« der US-amerikanischen, britischen und französischen Atomwaffen zu unterstellen. Damit wurde die Verteidigungsstrategie der NATO für sie verbindlich, was freilich bedeutete, dass sie auch dem Dilemma der nuklearen Abschreckung unterlag, das für den Fall ihres Versagens bedeutet hätte, dass Deutschland (West wie Ost) in einem Krieg vollständig zerstört worden wäre.
Es entsprach daher den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland, trotz der Einschränkungen ihrer Souveränität durch eine aktive Bündnispolitik, die westliche Sicherheitspolitik so weit wie möglich mitzugestalten. Dies begann 1967 mit der Beteiligung an der Neudefinition des Sicherheitskonzeptes der NATO, in dem die Funktion der militärischen Verteidigung um die der politischen Entspannung ergänzt wurde (Harmel-Bericht). Durch die im Bündnis abgestimmte »neue Ostpolitik« gewann die Bundesrepublik Deutschland ab 1969 auch Handlungsspielraum gegenüber der Sowjetunion und ihren Verbündeten. Die daraus hervorgegangenen Ostverträge waren eine wichtige Voraussetzung für den KSZE-Prozess (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), der maßgeblich dazu beitrug, den Ost-West-Gegensatz abzumildern. Auch das im NATO-Doppelbeschluss von 1979 zum Ausdruck gebrachte Interesse an einer Fortsetzung des Rüstungskontrolldialogs trotz der damaligen neuerlichen Ost-West-Konfrontation belegt das größer gewordene bundesdeutsche Gewicht im Bündnis. Obwohl die Bundesrepublik Deutschland an den Verhandlungen über atomare Mittelstreckenwaffen nicht direkt beteiligt war, beharrte sie auf einer beiderseitigen doppelten Nulllösung, was sich letztlich im INF-Vertrag von 1987 (INF) niederschlug. 1989 sorgte die deutsche Ablehnung einer von den USA und Großbritannien geplanten Modernisierung der Kurzstreckenraketen dafür, dass es zu keinem Rückschlag in der Entspannungspolitik kam und der Ost-West-Gegensatz überwunden wurde.
Die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO hatte die UdSSR 1955 mit der Gründung des Warschauer Paktes unter Einschluss der DDR beantwortet. Dieser wurde bis zu seiner Selbstauflösung von der Sowjetunion beherrscht, sodass es der DDR nicht möglich war, ein eigenes sicherheitspolitisches Profil zu entwickeln. Die DDR bemühte sich hierum erstmals, als im Zusammenhang mit der neuerlichen Ost-West-Konfrontation Anfang der 1980er-Jahre die Aufstellung neuer sowjetischer Raketen auch als Gefahr für die Existenz der DDR wahrgenommen wurde. Dies führte 1984 zu einer gemeinsamen Erklärung von DDR und Bundesrepublik Deutschland, dass von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen dürfe.
Das Ende des Ost-West-Konflikts und 1990 die Wiederherstellung der deutschen Einheit haben die Rahmenbedingungen der deutschen Sicherheitspolitik verändert. Aus der doppelten Randlage von Bundesrepublik Deutschland und DDR als Mitglieder feindlicher Militärbündnisse wurde nach der Selbstauflösung des Warschauer Paktes eine geostrategisch günstige Lage inmitten von Staaten, die mit der »Charta von Paris für ein neues Europa« des KSZE-Gipfels vom November 1990 einander die »Hand der Freundschaft« gereicht haben. Da im gleichzeitig verabschiedeten KSE-Vertrag (VKSE) eine Reduzierung der konventionellen Streitkräfte beschlossen worden war, konnte die Gefahr eines größeren Krieges längerfristig gebannt werden.
Dessen ungeachtet ist die relative Stabilität des Ost-West-Gleichgewichts einer schwer kalkulierbaren europäischen Sicherheitslage gewichen. Auf der einen Seite eröffnen sich Möglichkeiten einer friedlichen Entwicklung, in deren Rahmen NATO, WEU, EU und OSZE einander als Faktoren kooperativer Sicherheit gegenseitig unterstützen können. Auf der anderen Seite hat der Zerfall der Vielvölkerstaaten Sowjetunion und Jugoslawien zahlreiche Konfliktherde aufbrechen lassen, die zu Bürgerkriegen geführt haben, die über ihre Grenzen hinaus Unsicherheit ausstrahlen und auch vor Ort ein militärisches Engagement westlicher Staaten in der einen oder anderen Form mit sich gebracht haben. Hierbei verbinden sich ethnische Unterschiede mit Problemen des Übergangs von Diktaturen zu parlamentarischen Demokratien, von Plan- zu Marktwirtschaften, von Einparteienherrschaft zu pluralistischen Gesellschaften zu brisanten Mischungen und stellen die Staaten Europas vor neue Probleme in der Sicherheitspolitik. Die NATO hat versucht, dieser vielschichtigen Problematik durch das Programm »Partnerschaft für den Frieden« (ab 1994), die Einrichtung des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates (1997), die so genannte NATO-Russland-Grundakte (1997; aktualisiert durch verstärkte Einbindung Russlands 2002) sowie die schrittweise Erweiterung um ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten (1999: Polen, Ungarn, Tschechien) Rechnung zu tragen. Gleichzeitig bemüht sich die OSZE um Gewaltprävention und Krisenmanagement, während die EU mit Förderungsprogrammen diese Länder beim wirtschaftlichen Wiederaufbau unterstützt.
Seitdem die Landes- und Bündnisverteidigung nicht mehr primäre Aufgaben der NATO-Sicherheitspolitik sind, versteht sich das Bündnis v. a. als regionale Ordnungsmacht, wobei militärische Mittel eher zum Einsatz gelangen können als in der Patt-Situation des Ost-West-Konfliktes. So hat die NATO 1995 militärisch in den Bosnienkrieg eingegriffen, um den Beginn von Friedensverhandlungen zu beschleunigen. Sie hat 1999 im Kosovokrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien etwa 10 Wochen lang einen Luftkrieg geführt, der darauf zielte, den aus dem Kosovo vertriebenen Albanern eine Rückkehr zu ermöglichen. Und sie hat 2001 mit Zustimmung der Konfliktparteien einen Einsatz in Mazedonien geführt, um dort eine freiwillige Entwaffnung der albanischen Untergrundkämpfer vorzunehmen. Darüber hinaus stehen die internationalen Friedenstruppen auf dem Balkan (SFOR und KFOR) unter dem Kommando der NATO.
Die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen lassen auch die neutralen Staaten ihre Sicherheitskonzepte hinterfragen, da Neutralität mit dem Übergang von der Blockkonfrontation zur Kooperation in Europa ihren ursprünglichen Sinn verloren hat. Für Österreich, dessen Soldaten schon seit langem an UN-Friedensmissionen (z. B. auf Zypern) beteiligt sind, stellte sich diese Frage 1992 mit dem Beitritt in die Europäische Union, die seit dem Maastrichter EU-Vertrag auf eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) mit der WEU als ihrem militärischen Arm zusteuerte. Österreich wurde allerdings zunächst nur Beobachter bei der WEU und Teilnehmer an der NATO-Partnerschaft für den Frieden. Die Diskussion über einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft ist zwischen den politischen Parteien noch nicht abgeschlossen.
Auch in der schon seit 1815 strikt neutralen Schweiz wird über die wenigstens teilweise Aufgabe dieses Prinzips diskutiert. So trat die Schweiz dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« bei und votierte in einer Volksabstimmung 2002 für die Aufnahme des Landes in die Vereinten Nationen. Im Jahr 2000 hat die Bevölkerung einem Vertragspaket über das wirtschaftliche Verhältnis zur EU zugestimmt; daher wird eine Mitgliedschaft nicht mehr ausgeschlossen, die dann auch die Beteiligung an der GASP beinhalten würde.
Diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist bisher nur in Ansätzen vorhanden. Allerdings hat die EU Ende 2000 die »Petersberg-Aufgaben« der WEU (humanitäre Aufgaben, Rettungseinsätze, friedenserhaltende Maßnahmen sowie Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung einschließlich der Herbeiführung des Friedens) übernommen und stellt hierfür eine eigene Streitmacht auf.
Die USA sind nach der Auflösung der Sowjetunion als einzige Weltmacht noch übrig geblieben. Ihre globale sicherheitspolitische Strategie ist nicht einheitlich, sondern bewegt sich in einer Bandbreite von selektivem Engagement, kooperativer Sicherheit und Vorherrschaft (pax americana), wobei sich seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre eine Tendenz zum Unilateralismus durchzusetzen scheint. Dazu gehören der instrumentelle Umgang mit den Vereinten Nationen und ihren sicherheitspolitischen Organen bis hin zur Missachtung und Beitragsverweigerung ebenso wie die einseitige Kündigung des ABM-Vertrages, um den Aufbau einer Nationalen Raketenabwehr (NMD) zu ermöglichen, bei der Bedenken der Bündnispartner wie auch Russlands beiseite geschoben werden. Andererseits wären die Friedensbemühungen in Nordirland 1998 ohne diplomatischen Einsatz der USA nicht vorangekommen. Ebenfalls zur Beilegung des Nahostkonflikts engagierten sich die USA unter B. Clinton sehr stark, während sie sich unter G. W. Bush zunächst zurückhielten und erst ab Juni 2001 politisch eingriffen, ohne jedoch tatsächlich die Gewalt eindämmen zu können.
Russland hatte den Machtverlust durch den Untergang der Sowjetunion nur schwer verkraftet und bemühte sich in den 1990er-Jahren um eine sicherheitspolitische Konsolidierung. Dabei entwickelte es unter B. Jelzin ein strategisches Konzept, in dem zwischen dem »nahen« und dem »fernen« Ausland unterschieden wird. Unter dem strategisch wichtigen »nahen« Ausland werden die ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion verstanden, in die Russland gegebenenfalls militärisch intervenieren will. Unter Präsident Putin öffnete sich Russland insbesondere im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung dem Westen.
Letztere gehört zu den gänzlich neuen Herausforderungen und Fragen an die Sicherheitspolitik, die sich für die Staaten durch veränderte Risikofaktoren stellen, denen sie ausgesetzt sind. Dazu gehören außerdem gezielte Umweltveränderungen, Währungsspekulationen sowie Angriffe auf militärische und zivile Datenbanken und -leitungen (»Cyberwar«). Die Terroranschläge auf die USA vom 11. 9. 2001 wurden von Angehörigen eines global aktionsfähigen Netzwerkes (al-Qaeda) ausgeführt, das in verschiedenenLändern, gegen deren Macht und Lebensweise es sich aus religiös-sektiererischen Motiven heraus richtet, über jederzeit aktivierbare »Schläfer« verfügt, die zu weiteren Anschlägen gegen zivile wie militärische Ziele bereit sind. Angesichts dieser amorphen Bedrohung verschwimmen die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit. Zugleich wird deutlich, dass auch durch noch so scheinbar perfekte präventive Maßnahmen bis auf Weiteres keine umfassende Sicherheit für die Bevölkerungder modernen Staatenwelt mehr garantiert werden kann, zumal auch weiterhin mit sich laufend verändernden Gefahrenpotenzialen zu rechnen ist. US-Präsident G. W. Bush hat hiergegen einen weltweiten Antiterrorkrieg ausgerufen, wobei er darauf hinwies, dass militärische Kampfeinsätze, wie sie gegen das Taliban-Regime in Afghanistan ergriffen wurden, nur einen Bruchteil der erforderlichen Maßnahmen ausmachen, während geheimdienstliche Operationen und polizeiliche Kontrollen möglicherweise für lange Zeit im Zentrum dieser Anstrengungen stehen werden.
Bereits 1982 wurde im Bericht der Palme-Kommission betont, Sicherheit könne nicht mehr gegeneinander, sondern nur noch gemeinsam erreicht werden. Dieses partnerschaftliche Sicherheitsverständnis bezog sich zunächst auf die im Ost-West-Konflikt verstrickten Parteien. Für eine Erweiterung dieses Konzepts in der Nord-Süd-Dimension traten die Brandt- (1980) und die Brundtland-Kommission (1987) ein. In deren Bericht heißt es zusammenfassend, Sicherheit sei grundlegend sowohl für Abrüstung als auch für Entwicklung und bestehe nicht nur aus militärischen, sondern auch aus politischen, ökonomischen, sozialen, humanitären und Menschenrechts- sowie ökologischen Aspekten. Auch wenn diese Aufzählung sehr vage bleibt, so relativiert sie doch augenfällig den Anteil des Militärischen an der Sicherheitspolitik.
D. Frei: Sicherheit. Grundfragen der Weltpolitik (1977);
Gemeinsame Sicherheit, hg. v. E. Bahr u. a., 6 Bde. (1986-91);
Amerikanische Weltpolitik nach dem Ost-West-Konflikt, hg. v. M. Dembinski u. a. (1994);
Sicherheitspolitik Dtl.s: Neue Konstellationen, Risiken, Instrumente,hg. v. W. Heydrich u. a. (1992);
E. O. Czempiel: Kluge Macht. Außenpolitik für das 21. Jh. (1999);
Eine Welt ohne Chaos?, hg. v. B. Meyer (1996).
Periodika: Friedensgutachten, hg. v. der Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft, der Hess. Stiftung Friedens- u. Konfliktforschung u. dem Inst. für Friedensforschung u. Sicherheitspolitik Hamburg (1989 ff.);
Globale Trends, hg. v. der Stiftung Entwicklung u. Frieden (1991 ff.).
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Sị|cher|heits|po|li|tik, die: Politik, die darauf abzielt, militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden od. einzudämmen.
Universal-Lexikon. 2012.