Akademik

Sucht
Abhängigkeit; Laster; Abhängigkeitserkrankung; Suchtverhalten

* * *

Sucht [zʊxt], die; -, Süchte ['zʏçtə] und Suchten ['zʊxtn̩]:
1. maßlos oder krankhaft übersteigertes Verlangen nach etwas:
ihre Sucht nach Vergnügungen; ihn trieb die Sucht nach Geld.
Syn.: Drang, Hang, Neigung.
Zus.: Abenteuersucht, Kaufsucht, Putzsucht, Sensationssucht, Vergnügungssucht.
2. krankhaftes Abhängigsein von einem bestimmten Genuss- oder Rauschmittel o. Ä.:
die Sucht nach Alkohol; eine Sucht bekämpfen; an einer Sucht leiden; das Tablettenschlucken ist bei ihr zur Sucht geworden.
Syn.: Abhängigkeit, Gewöhnung.
Zus.: Alkoholsucht, Drogensucht, Fresssucht, Heroinsucht, Tablettensucht.

* * *

Sụcht 〈f. 7u
1. krankhaft gesteigertes Bedürfnis (Alkohol\Sucht, Drogen\Sucht)
2. übersteigertes Streben (Geltungs\Sucht, Ruhm\Sucht, Vergnügungs\Sucht)
3. 〈veraltet〉 Krankheit, Leiden (Gelb\Sucht, Schwind\Sucht)
● \Sucht nach Abwechslung, Vergnügen, Zerstreuung; die schnöde \Sucht nach dem Geld; die Zunahme der Süchte nach Medikamenten; das Rauchen ist bei ihm, ihr zur \Sucht geworden [<ahd. suht „Krankheit“; → siechen; zu germ. *seuka „krank“; die Wendung Sucht nach etwas beruht auf volksetym. Verbindung mit Suche]

* * *

Sụcht: Zustand psychischer u./od. physischer Abhängigkeit, wobei stoffgebundene Süchte u. stoffungebundene (z. B. Fett-, Spiel-, Kaufsucht) unterschieden werden. Die Abhängigen der Ersteren bedienen sich entweder legaler Drogen (Nicotin, Alkohol, Schnüffelstoffe, Medikamente) oder illegaler Drogen (Suchtmittel), z. B. der Halluzinogene, Betäubungs- u. Rauschmittel, Stimulantien, Barbiturate etc.

* * *

Sụcht , die; -, Süchte u. Suchten [mhd., ahd. suht = Krankheit, ablautende Bildung zu siechen]:
1. krankhafte Abhängigkeit von einem bestimmten Genuss- od. Rauschmittel o. Ä.:
die S. nach Alkohol;
eine S. bekämpfen;
an einer S. leiden;
jmdn. von einer S. heilen;
das Tablettenschlucken ist bei ihr zur S. geworden.
2. übersteigertes Verlangen nach etw., einem bestimmten Tun; Manie (1):
seine S. nach Vergnügungen;
ihn trieb die S. nach Geld.
3. (veraltet) Krankheit:
die fallende S. (Epilepsie).

* * *

Sucht
 
[althochdeutsch suht »Krankheit«, zu siechen], unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Bedürfnis werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und Chancen eines Individuums. Man spricht von Sucht, wenn die Kontrolle über den Gebrauch von Suchtmitteln oder süchtigen Verhaltensweisen herabgesetzt oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist, und das Suchtmittel auch dann noch missbraucht wird, wenn sich negative Auswirkungen wie körperliche, psychische oder soziale Beeinträchtigungen zeigen. Bei einem Suchtabhängigen wird das gesamte Leben, Denken und Handeln auf die Beschaffung des Suchtmittels, die Verhütung von Entzugserscheinungen und die Vertuschung der Sucht ausgerichtet, wobei das Suchtmittel nicht unbedingt eine Droge sein muss, sondern auch eine Verhaltensweise sein kann. - Sucht ist ein Begriff, der sowohl in der Alltags- wie in der Fachsprache verwendet wird. In der Fachsprache gab es bis zum Beginn der 1960er-Jahre noch eine weitgehende Übereinstimmung über den Suchtbegriff, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung (Intoxikation) bezeichnet wurde, der durch wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge hervorgerufen wird und zu folgenden psychischen, körperlichen, pharmakologischen und sozialen Phänomenen führt: 1) psychische Abhängigkeit (englisch craving), d. h. ein unbezwingbares Verlangen, die Einnahme der Droge fortzusetzen und sich diese unter allen Umständen zu beschaffen; 2) Toleranzsteigerung, d. h. die Notwendigkeit, die Dosis zu erhöhen, um den gleichen Effekt zu erzielen; 3) eine körperliche Abhängigkeit von den Wirkungen der Droge, die sich bei deren Absetzen in Abstinenzsymptomen manifestiert; 4) Schädlichkeit als Summe der nachteiligen Wirkungen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Um den Begriff Sucht (englisch addiction) deutlich abzugrenzen, wurde der Begriff der Gewöhnung (Habituation) eingeführt. Die Gewöhnung durch wiederholten Gebrauch einer Droge weist folgende charakteristische Merkmale auf: 1) den Wunsch, weiterhin Drogen einzunehmen, ohne unter einem Zwang zu stehen; 2) keine oder nur eine geringe Tendenz, die Dosis zu erhöhen; 3) keine körperliche Abhängigkeit, keine Entzugssymptomatik zu bewirken; 4) im Allgemeinen nur das Individuum betreffende Schäden hervorzurufen. - Die Anwendungspraxis dieser WHO-Begriffe zeigte jedoch, dass die Abgrenzungen unklar und unscharf waren, sodass die WHO 1964 den Suchtbegriff aufgab und stattdessen den der Drogenabhängigkeit (englisch drug dependence) einführte. Drogenabhängigkeit ist ein Zustand psychischer und physischer Abhängigkeit von einer Substanz mit zentralnervöser Wirkung, die zeitweise oder fortgesetzt eingenommen wird. Da nach Art des verwendeten Mittels ganz unterschiedliche Wirkungen auftreten, beschrieb die WHO acht verschiedene Drogenabhängigkeitstypen, die jeweils mit einem internationalen Diagnoseschlüssel (ICD-Nummer) versehen sind: Morphin-Typ; Barbiturat-Alkohol-Typ; Kokain-Typ; Cannabis- oder Marihuana-Typ; Amphetamin-Typ; Khat-Typ; Halluzinogen- oder LSD-Typ; spezifischer Opiat-Antagonist-Typ. Diese WHO-Aufstellung ist offen; weitere Abhängigkeit erzeugende Drogen können hinzugefügt werden. Gemeinsames Charakteristikum aller acht Abhängigkeitstypen ist die psychische Abhängigkeit (englisch psychic dependence). Ihr kommt eine zentrale Bedeutung zu, da sie zum charakteristischsten Merkmal jeder Drogenabhängigkeit, zum »Nicht-mehr-aufhören-Können« führt. Die körperliche Abhängigkeit wurde beim Absetzen der Droge (Entzug, Entgiftung) vom Morphin-Typ, Barbiturat-Alkohol-Typ und auch vom Opiat-Antagonist-Typ beobachtet. Ein Phänomen stellt die so genannte Niedrig-Dosis-Abhängigkeit dar, die bei Beruhigungs- und Schlafmitteln vom Benzodiazepintyp auftritt; es besteht trotz gleichbleibend niedriger Dosis eine Abhängigkeit.
 
Alle Arten von Genuss- und Arzneimitteln können missbräuchlich verwendet werden. Als Drogenmissbrauch (englisch drug abuse) bezeichnet die WHO die Verwendung jeder Art von Drogen ohne medizinische Indikation beziehungsweise in übermäßiger Dosierung. Die Abgrenzung zur Drogenabhängigkeit ist schwierig. In der Suchtkrankenhilfe wird der Drogenmissbrauch überwiegend als Vorläufer zur Entstehung der Drogenabhängigkeit gesehen.
 
Das Wort Sucht ist seit Jahrhunderten im deutschen Sprachgebrauch; doch Volksmund und Wissenschaft verwendeten den Begriff höchst unterschiedlich. Wurde Sucht im Mittelalter v. a. im Sinne von Siechtum, Krankheit verstanden und verwendet (z. B. Fallsucht, Schwindsucht, Trunksucht), so wurde der Begriff bald auch auf Eigenschaften ausgedehnt, die Charakter, Wesensart oder Persönlichkeitsstruktur betreffen, z. B. Eifersucht, Putzsucht, Prunksucht, Gefallsucht und Selbstsucht. Im 19. Jahrhundert wandelte sich Trunksucht zu einem moralisch negativ besetzten Begriff, was möglicherweise dazu beitrug, Sucht als schuld- oder schicksalhaftes Verhalten zu interpretieren. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff Sucht immer stärker medizinisch verstanden und gleichzeitig ausgeweitet, z. B. durch das Einbeziehen so genannter stoffungebundener Suchtformen wie Ess-, Brech- oder Magersucht und später durch Suchtformen (Verhaltensstörungen) wie Spiel-, Kauf- oder Arbeitssucht ergänzt.
 
 Entstehungsursachen
 
Sucht ist das Ergebnis einer Entwicklung, in der die Droge (Suchtmittel), die Persönlichkeit (Mensch), die Gesellschaft (Milieu) und die Verfügbarkeit der Droge (Markt) die größte Bedeutung besitzen. Sie hat nie eine einzige Ursache, sondern entsteht aus einem komplexen Ursachengefüge, das unterschiedliche Schwerpunkte enthält: 1) Mensch: prämorbide (vor der Krankheit bestehende) Persönlichkeit; Heredität (Erblichkeit); frühkindliches Milieu; sexuelle Entwicklung; aktuelle Stress- oder Überforderungsreaktionen; Erwartungshaltung; 2) Suchtmittel: Art der Applikation (Einnahme); Dosis; Dauer; Gewöhnung (Toleranz); individuelle Reaktion; psychische, psychosoziale und körperliche Folgen; 3) Milieu: familiäre Situation; Ausbildung; Beruf; Wirtschaftslage; sozialer Status und Mobilität; Gesetzgebung; Religion; 4) Markt: Verfügbarkeit; Einstellung zur Droge; Einflüsse von Werbung und Mode; Konsumgewohnheiten.
 
Die Entstehung der stoffgebundenen Sucht ist an Suchtmittel gebunden, die eine Veränderung bewirken. Diese Substanzen greifen in die natürlichen Abläufe des Körpers ein und beeinflussen Stimmungen, Gefühle und Wahrnehmungen, v. a. durch Wirkung auf das Zentralnervensystem. Die originären Wirkungen dieser Mittel können halluzinogener, beruhigender, betäubender oder aufputschender Natur sein. Für den Bereich der stoffgebundenen Sucht gibt es zahlreiche Hinweise, dass genetische und konstitutionelle Faktoren eine Rolle spielen. So sind z. B. Betaendorphine, die mit Freude und Lust erfüllen, Angst und Stress abbauen, bei Alkohol- und Drogenabhängigen bis zu einer dreimal geringeren Menge vorhanden als bei Nichtsuchtkranken. Auch tritt die »antisoziale Persönlichkeit«, eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert, die sich bereits im Kleinkindesalter durch Hyperaktivität, der Suche nach starken Außenreizen und einer erhöhten Aggressivität bemerkbar macht, häufiger bei alkoholkranken Familien auf als in der Normalbevölkerung. Dennoch dürften soziale Lernprozesse eine entscheidende Bedeutung für die Suchtentwicklung haben. Wer nicht in der Herkunftsfamilie gelernt hat, unabhängig zu werden, Verantwortung für das Leben zu übernehmen, wer bei Eltern suchtähnliche Verhaltensweisen erlebt, in eine Altersgruppe mit Süchtigen gerät, ist der Gefahr ausgesetzt, süchtig zu werden. In Deutschland ist die an ein Mittel gebundene Sucht im Sinne der ehemaligen Reichsversicherungsordnung eine Krankheit (Abhängigkeitserkrankung). Sucht ist ein »objektiv fassbarer Zustand« des Körpers und des Geistes, »der von der Norm abweicht und der durch eine Heilbehandlung behoben, gelindert oder zumindest vor einer drohenden Verschlimmerung bewahrt werden kann«. Jeder kann süchtig werden, denn es gibt keinen absoluten und schon gar keinen lebenslangen »Schutz« vor der Sucht. Die Behandlung der Sucht erfolgt unabhängig davon, ob das Suchtmittel verboten oder erlaubt ist.
 
Bei der nahezu »inflationären« Erweiterung des Suchtbegriffs (z. B. Fernseh-, Sex-, Videosucht oder Süchtigkeit nach Extremsituationen) besteht die Gefahr, dass der Begriff fast alles einschließt, das nach überschießendem Verhalten aussieht. Genaue Unterscheidungsmerkmale sind daher notwendig. Stoffungebundene Sucht wird nicht als Abhängigkeit kategorisiert. So wird z. B. Spielsucht unter den abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle aufgeführt, Essstörungen finden sich unter dem Oberbegriff Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen. Bei stoffungebundener Sucht ist die Aktivierung der Nervenzellen durch körpereigene Botenstoffe von Bedeutung. Besonders interessant sind die Endorphine (endogene Morphine), weil sie euphorisieren, gegen Angst helfen, »Substrat des Glücks« sind. Die Ausschüttung dieser Stoffe kann durch Verhalten, Erlebnisse, Einstellungen und Gedanken beeinflusst werden, z. B. auch durch Stress, Joggen, exzessives Glücksspiel und körperliche und psychische Extremsituationen wie Wildwasserfahrten, Bungeejumping oder Autorennen.
 
 Drogenkonsum
 
Zum Suchtmittel (Droge) greifen Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Charakter, sozialer Stellung, Bildung, religiöser oder weltanschaulicher Prägung. Zu den Konsummotiven gehören ganz allgemeine Konfliktsituationen verschiedener Art, Überdruss an der Konsumgesellschaft, Einsamkeit und Isolation, seelische Unfreiheit, aber auch Steigerung des Lebensgenusses. Bei jungen Menschen stehen Neugier und Abenteuerlust, Belastungen in der Zeit der Pubertät, mangelndes Selbstwertgefühl, Angst vor der Zukunft, Ablehnung des Leistungsprinzips, Protest gegen die Erwachsenenwelt oder die Unfähigkeit, Spannungen und Konflikte zu ertragen, als Motive im Vordergrund. Werden alle Einflüsse zusammengenommen, so ergeben sich drei große Motivgruppen, die zum Drogenkonsum führen: 1) Der Suchtmittelkonsum gehört zum Umgang in einer Gruppe, der man selbst angehört. Bei Jugendlichen kommt das Geltungsbedürfnis in der Gruppe Gleichaltriger noch verstärkend hinzu. 2) Der Suchtmittelkonsum dient irgendeiner Spannungsmilderung oder ist 3) eine Art Selbstbelohnung. Grundsätzlich gilt das sowohl für legale als auch für illegale Suchtmittel. Drogen wie Alkohol, Nikotin und Medikamente sind in Deutschland nicht verboten. Bei Missbrauch sind sie in ihrer zerstörerischen Wirkung aber durchaus den illegalen Drogen vergleichbar, deren Besitz, Herstellung oder Weitergabe, nicht jedoch deren Konsum, in Deutschland durch das Betäubungsmittelgesetz verboten ist. Die Arten der Suchtmitteleinnahme hängen v. a. von der Drogenart, Beimengungen beziehungsweise Trägersubstanzen und Herstellung ab. Dementsprechend können Suchtmittel eingerieben, inhaliert, geschnupft, geraucht, gegessen, getrunken oder injiziert werden.
 
Der Konsum von Suchtmitteln erfolgt zunächst v. a. durch Nachahmung. In Deutschland wird z. B. von Jugendlichen meist zuerst der Konsum von legalen Suchtmitteln erlernt. So nimmt hier im Durchschnitt ab dem 14. Lebensjahr der Anteil der Raucher stärker zu. Der erste Alkoholrausch wird im Schnitt im Alter von 15 Jahren erlebt. Tabak und Alkohol gehören zu den so genannten Erstdrogen. Mit 17 Jahren wird im Durchschnitt zum ersten Mal eine illegale Droge probiert. Da dies in der Regel Cannabis (Haschisch) ist, wird diese häufig als »Einstiegsdroge« bezeichnet. Die Zahl der Cannabiskonsumenten in Deutschland wird auf 200 000-300 000 geschätzt. Die vornehmlich in den 1960er- und 1970er-Jahren vertretene These vom Umsteigeeffekt (Cannabis als quasi zwangsläufiger Schrittmacher für härtere Halluzinogene und Betäubungsmittel) spielt seit den 1980er-Jahren eine zunehmend geringere Rolle. Die Abhängigkeit von einem Suchtmittel ergibt sich nicht aus ein- oder zweimaliger Einnahme. Wohl aber ist in dieser frühen Konsumphase die Gefahr einer Überdosierung des Suchtmittels (z. B. Vergiftung) gegeben. Das trifft besonders auf illegale Suchtmittel zu (z. B. Heroin auf dem »Schwarzmarkt«), da deren Zusammensetzung in der Regel vom Konsumenten weder kontrolliert noch überprüft werden kann. In Deutschland rechnet man mit 60 000-80 000 Heroinabhängigen. In der ersten Phase des Drogenkonsums gehen fast alle Verbraucher davon aus, dass sie den Gebrauch ihres legalen (z. B. Tabak, Alkohol) oder illegalen Suchtmittels (z. B. Cannabis, Ecstasy, Kokain) kontrollieren können. Die Gefahr eines später einsetzenden Kontrollverlustes wird häufig verharmlost beziehungsweise negiert, und zwar vor folgendem Hintergrund: Auch wenn Suchtmittel verfügbar sind, greift nicht jeder dazu, und nicht jeder, der zu einem Suchtmittel greift, wird von diesem abhängig. Beispielsweise trinkt die Mehrheit der Erwachsenen in Deutschland Alkohol. Von diesen vielen Millionen Alkoholkonsumenten werden schätzungsweise 6 % alkoholkrank. Doch wer alkoholkrank wird, lässt sich nicht vorhersagen. Das gilt auch für andere Suchtmittel.
 
Neben persönlichen gesundheitsbeeinträchtigenden Folgen hat Suchtmittelmissbrauch beziehungsweise Abhängigkeit in der Regel auch soziale Folgen persönlicher und gesamtgesellschaftlicher Natur. So wird in einer marktwirtschaftlich organisierten und konsumorientierten Industriegesellschaft die Entscheidung zum Suchtmittelkonsum als souveräne Entscheidung über den eigenen Körper begriffen. Diese respektiert auch der Staat und bedroht diese Selbstschädigung nicht mit Strafe. Dieser Respekt des Staates vor dem Individuum belastet bei Abhängigkeitserkrankungen jedoch objektiv die Gesellschaft. So wurde z. B. die Anzahl der Alkoholkranken in Deutschland 1996 auf 2,5 Mio. geschätzt. Bei Einbeziehung der regelmäßig mitgeschädigten Partner und Kinder waren über 5-8 Mio. Menschen durch das Suchtmittel Alkohol in ihrer Fähigkeit der Lebensgestaltung und Gemeinschaftsbildung schwer gestört. Damit waren von Alkoholproblemen etwa 10 % der Gesamtbevölkerung direkt und indirekt betroffen. Die Illegalität von Suchtmitteln verursacht ebenfalls hohe Kosten, die sich einerseits durch Beschaffungs- und Folgekriminalität der Abhängigen und andererseits durch die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität ergeben. Die Zahl der Konsumenten illegaler harter Drogen wird in Deutschland auf 168 000 bis 211 000 geschätzt. 1996 wurden 187 022 Rauschgiftdelikte polizeilich registriert.
 
 Statistik zu Suchterkrankungen in Deutschland
 
In Deutschland sind von den behandlungsbedürftigen suchtkranken Menschen schätzungsweise 2,5 Mio. alkoholabhängig, 1,4 Mio. medikamentenabhängig, 6 Mio. nikotinabhängig und 150 000 drogenabhängig. Abhängigkeitserkrankungen zählen damit zu den herausragenden sozialmedizinischen Problemen. Abhängigkeitskranke Menschen sollen möglichst frühzeitig zu einer Behandlung veranlasst werden, da mit der Abhängigkeitsdauer das Chronischwerden der körperlichen Schädigungen, die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen sowie psychische, berufliche, soziale und familiäre Probleme deutlich ansteigen.
 
Die individuellen und gesellschaftlichen Folgen der Sucht stellen sich im Vergleich von Alkohol und Nikotin auf der einen und illegalen Drogen auf der anderen Seite extrem unterschiedlich dar. 1997 standen 1 501 Drogentoten 40 000 Todesfälle im Zusammenhang mit Alkohol (davon 1 800 Verkehrstote) und 110 000 Todesfälle in Verbindung mit Nikotin gegenüber. Die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten durch Missbrauch und Abhängigkeit werden bei illegalen Drogen auf etwa 13 Mrd., bei Alkohol auf 40 Mrd. und bei Nikotin auf 80 Mrd. geschätzt. Die Kosten ergeben sich u. a. durch Arbeitsunfähigkeit, Lohnfortzahlungen, Unfälle, Fehlbehandlungen in der Akutmedizin oder Frühberentungen. Um den Anforderungen, die sich aus gesundheits- und sozialpolitischen sowie ökonomischen Gründen bei der Suchtproblematik ergeben, gerecht werden zu können, hat sich in Deutschland ein umfangreiches Hilfssystem für Abhängige etabliert. 1997 gab es in diesem Bereich etwa 8 000 Selbsthilfegruppen, es standen 1 219 Beratungs- und Anlaufstellen im ambulanten Sektor sowie 20 680 stationäre Therapieplätze zur Verfügung.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Alkoholkrankheit · Amphetamin · Designerdrogen · Drogen · Drogenpolitik · Ecstasy · Entzugskur · Halluzinogene · Haschisch · Heroin · Kokain · LSD · Lösungsmittel · Methadon · Morphin · organisierte Kriminalität · Psychopharmaka · Rauchen · Rauschgifte · Suchtkrankenhilfe · Suchtmittelbekämpfung
 
Literatur:
 
S.-Krankheiten. Diagnose, Therapie u. analyt. Nachweis, hg. v. W. Arnold u. a. (1988);
 
Abhängigkeit u. S., bearb. v. D. P. Agarwal u. a. (Neuausg. 1989);
 
Verhaltenstherapie in der Medizin, hg. v. I. Hand u. H.-U. Wittchen (1989);
 
Ambulante S.-Therapie. Möglichkeiten u. Grenzen, hg. v. S. Tasseit (1992);
 W. Keup: Mißbrauchsmuster bei Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten u. Drogen (1993);
 W. Groß: S. ohne Drogen (19.-20. Tsd. 1994);
 
Hb. Alkohol, Alkoholismus, alkoholbedingte Organschäden, hg. v. H. K. Seitz u. a. (1995);
 D. Ladewig: S. u. Suchtkrankheiten (1996);
 W. S. Poser: Medikamenten-Mißbrauch u. Abhängigkeit (1996);
 
»S.« Die Lebenswelten Abhängiger, hg. v. G. Längle u. a. (1996);
 
S. Grundlagen, Diagnostik, Therapie, hg. v. K. Mann u. G. Buchkremer (1996);
 R. Simon u. a.: Suchtbericht Dtl. 1997 (1997).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Sucht und Suchtkrankheiten
 
Drogen und Gifte
 

* * *

Sụcht, die; -, Süchte und Suchten [mhd., ahd. suht = Krankheit, ablautende Bildung zu ↑siechen]: 1. krankhafte Abhängigkeit von einem bestimmten Genuss- od. Rauschmittel o. Ä.: die kleinen Süchte, die kleinen Gefühle (Ott, Haie 320); die S. nach Alkohol; eine S. bekämpfen; Das Wissen der Psychiatrie von der Psychopathologie der Suchten (Bodamer, Mann 151); an einer S. leiden; jmdn. von einer S. heilen; das Tablettenschlucken ist bei ihr zur S. geworden. 2. übersteigertes Verlangen nach etw., einem bestimmten Tun; ↑Manie (1): seine S. nach Vergnügungen; eine krankhafte S., von sich reden zu machen (Winckler, Bomberg 144); ihn trieb die S. nach Geld. 3. (veraltet) Krankheit: die fallende S. (Epilepsie).

Universal-Lexikon. 2012.