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Eritrea
Eri|t|rea; -s:
afrikanischer Staat am Roten Meer.

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Eritrea,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 121 143 km2
 
Einwohner: (2000) 4,14 Mio.
 
Hauptstadt: Asmara
 
Amtssprachen: Tigrinja, Arabisch
 
Nationalfeiertage: 24. 5.
 
Währung: 1 Nakfa (Nfa) = 100 Cent
 
Zeitzone: 1400 Asmara = 1200 MEZ
 
Staat in Nordostafrika am Roten Meer, 121 143 km2, (2000) 4,14 Mio. Einwohner. Eritrea grenzt im Südosten an Djibouti, im Süden an Äthiopien, im Westen und Nordwesten an die Republik Sudan. Hauptstadt ist Asmara. Amtssprachen sind Tigrinja und Arabisch. Währung: 1 Nakfa (Nfa) = 100 Cent. Uhrzeit: 1400 Asmara = 1200 MEZ.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Die am 23. 5. 1997 in Kraft getretene Verfassung bestimmt Eritrea als präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf fünf Jahre gewählte Präsident (einmalige Wiederwahl möglich). Er ist mit weit reichenden Vollmachten ausgestattet und nimmt die obersten Ämter des Staates wahr, d. h., er steht als Vorsitzender der Nationalversammlung (Parlamentspräsident) der Legislative, als Vorsitzender des Staatsrates (Regierungschef) der Exekutive vor und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er ernennt die Gouverneure der Provinzen. Trägerin der Legislative ist die 1993 gebildete Nationalversammlung, ein Einkammerparlament, das als Übergangsparlament bis zu den ersten Wahlen aus 75 Mitgliedern des Zentralrats der PFDJ, 60 Repräsentanten der verfassunggebenden Versammlung und 15 Vertretern der im Ausland lebenden Eritreer besteht.
 
Parteien:
 
Bisher einzige legale Partei ist die 1994 aus der Eritrean People's Liberation Front (EPLF; deutsch Eritreische Volksbefreiungsfront) hervorgegangene People's Front for Democracy and Justice (PFDJ; deutsch Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit). In Opposition zur PFDJ stehen u. a. die Democratic Movement for the Liberation of Eritrea und die muslimische Afar Liberation Front (ALF).
 
Wappen:
 
Das 1993 offiziell eingeführte Staatswappen zeigt ein Kamel auf grünem Boden, das von zwei grünen Ölzweigen umrahmt wird. Darunter wird in drei Sprachen der Name des Landes angegeben.
 
Nationalfeiertage:
 
24. 5. zur Erinnerung an die Erlangung der Unabhängigkeit 1993.
 
Verwaltung:
 
Eritrea ist in zehn Provinzen gegliedert, an deren Spitze jeweils ein vom Präsidenten ernannter Gouverneur steht.
 
Recht:
 
Bis zum Aufbau eines Gerichtswesens und einer Rechtsordnung gilt in Eritrea äthiopisches Zivilrecht, für Muslime zusätzlich im Familienrecht die Scharia.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der aus der »Eritrean People's Liberation Army« (EPLA) seit 1992 hervorgegangenen neuen Armee des Landes lässt sich gegenwärtig nicht exakt belegen. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Kampfes gegen die äthiopischen Regierungstruppen 1991 betrug die Truppenstärke der EPLA etwa 100 000 Mann. Die von der EPLA übernommene Ausrüstung umfasst neben leichten Waffen v. a. erbeutetes Großgerät sowjetischer Herkunft, u. a. Kampfpanzer T-54/-55, T-62 und mehrere Küstenwachboote.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Eritrea erstreckt sich längs der Korallenküste des Roten Meeres und hat eine Küstenlänge von fast 1 000 km. Die südliche Küstenebene gehört zu der im Bereich des Ostafrikanischen Grabensystems geologisch besonders aktiven Afarsenke. Landeinwärts erheben sich hinter der halbwüstenhaften Küstenebene im Norden das Zentrale Hochland, das von den Randgebirgen (bis 2 633 m über dem Meeresspiegel) allmählich nach Westen abfällt, im Süden die Danakilberge (bis 2 131 m über dem Meeresspiegel), die einige Vulkane aufweisen. Als Folge von intensiver ackerbaulicher Nutzung und Abholzung ist Bodenerosion weit verbreitet. Die Flüsse des Hochlands führen nur zeitweilig Wasser. Mit ihrem Nordzipfel reicht die heiße Salzwüste der Danakilsenke nach Eritrea hinein.
 
Klima:
 
Eritrea liegt in den Tropen und hat überwiegend tropisches Klima. In der niederschlagsarmen, feuchtheißen Küstenebene ist Massaua einer der heißesten Orte der Erde (Temperaturmaximum 46 ºC im August; Jahresmittel 30 ºC), die wenigen Niederschläge fallen hier im Winter; von März bis Juli weht von der Arabischen Halbinsel gelegentlich ein heißer Wind. Die übrigen Gebiete haben zwei Regenzeiten (Juni-September; März-Mai). Das Hochland mit gemäßigtem und mildem Klima erhält meist ausreichende Niederschläge.
 
Bevölkerung:
 
Sie besteht aus neun ethnischen Hauptgruppen, die größte ist die der im Hochland, dem Hauptsiedlungsgebiet, meist als sesshafte Bauern lebenden Tigrinja, die 50 % der Bevölkerung ausmachen; ferner die der Tigre (30 %), die überwiegend als Halbnomaden im Norden und Westen des Landes leben; des Weiteren Amhara, Kunama, Saho u. a. Der Südosten wird vom Hirtenvolk der Danakil (Afar, 8 %) bewohnt. Araber leben v. a. im Küstengebiet in den Städten, ebenso Inder und Italiener, sowie an der Grenze zur Republik Sudan. Nach Schätzungen halten sich etwa 1 Mio. Eritreer im Exil auf, deren Rückführung begonnen hat. Die Einwohnerzahl stieg im Zeitraum von 1984 bis 1994 von 2,704 Mio. auf 3,779 Mio. Einwohner. Rd. 20 % der Bevölkerung leben in Städten, die größten sind die Hauptstadt Asmara mit (1992) 400 000 Einwohner und Keren (40 000 Einwohner) sowie die Hafenstädte Assab (50 000 Einwohner) und Massaua (40 000 Einwohner).
 
Religion:
 
Der eritreische Staat, in seinem Selbstverständnis der religiösen Toleranz verpflichtet, praktiziert die Religionsfreiheit und rechtliche Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften. Rd. 50 % der Bevölkerung sind Christen; etwa 1,6 Mio. gehören der eritreischen orthodoxen Kirche an (äthiopische Kirche), rd. 130 000 der mit der katholischen Kirche unierten äthiopischen Kirche (Eparchien [Bistümer]: Asmara, Barentu, Keren). Daneben bestehen protestantische Minderheitskirchen (Baptisten und Lutheraner). Die Danakil im Südosten und die Tigre und Saho im Nordwesten sind in ihrer Mehrheit sunnitische Muslime. Darüber hinaus werden in Teilen der Bevölkerung weiter Elemente traditioneller afrikanischer Religiosität gepflegt.
 
Bildungswesen:
 
Es besteht keine Schulpflicht, der Besuch der öffentlichen Schulen, soweit eingerichtet, ist kostenfrei, ebenso das Studium an der Universität von Asmara. Die Elementarschule ist für die Altersstufen zwischen sechs und zehn, die Juniorschule zwischen zehn und dreizehn und die Sekundarschule zwischen dreizehn und siebzehn gedacht; sie werden heute infolge der Unterbrechung des Schulunterrichts während des Kriegs von allen Altersgruppen besucht. Es gibt auch einige Privatschulen. Die Analphabetenquote beträgt 80 %.
 
Publizistik:
 
Presse: Mit der Unabhängigkeit kündigte die Regierung ein eigenes Pressegesetz und Pressefreiheit an. In Asmara erscheint u. a. die Tageszeitung »Hibret« (herausgegeben vom Informationsministerium) sowie zweimal wöchentlich »Hadas Eritrea« (gegründet 1991). - Rundfunk: Der Sender »Voice of the Broad Masses of Eritrea« strahlt Hörfunkprogramme in Arabisch, Tigrinja, Tigre, Afar und Kunama aus. Der Fernsehsender »ERI-TV« (gegründet 1992) zur Unterstützung der Bildungs- und Informationspolitik der Regierung sendet seit 1993 Programme in Arabisch und Tigrinja.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, das 1993 bei etwa 115 US-$ lag, ist Eritrea eines der ärmsten Länder der Erde. Dreißig Jahre andauernder Krieg und Dürreperioden haben zum Niedergang der einst blühenden Wirtschaft und zu katastrophalen Ernteausfällen geführt. Nach dem Ende des Bürgerkrieges 1991 waren mehr als 85 % der Bevölkerung von internationaler Hilfe abhängig. Auch weiterhin sind nach Schätzungen westlicher Hilfsorganisationen noch drei Viertel der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Der Wiederaufbau der zerstörten Wirtschaft ist die größte Herausforderung des seit 1993 unabhängigen Landes, wobei die Schaffung einer grundlegenden Infrastruktur an erster Stelle steht. Die zögerliche Bereitschaft der westlichen Industrieländer, den Wiederaufbau Eritreas finanziell zu unterstützen, resultiert aus großem Misstrauen gegenüber der früher marxistisch ausgerichteten Regierungspartei.
 
Landwirtschaft:
 
Der mit Abstand wichtigste Wirtschaftssektor ist der Agrarbereich; etwa 80 % der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft, die v. a. für den Eigenbedarf betrieben wird. Die bedeutendsten Anbauprodukte sind Teff (eine Hirseart), Mais, Weizen und Sorghum; für den Export könnte der Anbau von Kaffee, Baumwolle und Tabak, v. a. an der Randstufe des Hochlandes im Nordwesten, größere Bedeutung erlangen. Der Südosten gehört zur halbwüstenhaften Afarsenke und wird nur durch Nomadenwirtschaft (Schafe, Ziegen, Rinder, Kamele) genutzt. Da in manchen Jahren die Niederschläge fast völlig ausbleiben, sind die Erntemengen erheblichen Schwankungen unterworfen, was immer wieder zu Hungerkatastrophen führt.
 
Fischerei:
 
Die Fischerei könnte wieder eine bedeutsame Ressource für die Ernährung werden.
 
Bodenschätze:
 
Es wird vermutet, dass Eritrea über beträchtliche Rohstoffvorräte verfügt, u. a. Pottasche, Kupfer und Eisenerz. In Hinblick auf den akuten Energiemangel kommen den Erdöl- und Erdgaslagerstätten im Roten Meer und in der Afarsenke große Bedeutung zu. In der Umgebung von Asmara gibt es Goldminen.
 
Industrie:
 
Während des eritreischen Freiheitskrieges wurden die meisten Industrieanlagen zerstört oder demontiert und nach Äthiopien gebracht. Vor der Unabhängigkeit war die heutige Hauptstadt Asmara neben Addis Abeba das industrielle Zentrum Äthiopiens. Die traditionell hier ansässigen Betriebe der Glas-, Zement-, Schuh- und Konservenindustrie werden wieder aufgebaut. Im Lande entwickelte sich v. a. wieder ein vielfältiger handwerklicher Sektor.
 
Außenwirtschaft:
 
Das Devisenaufkommen ist sehr gering, es besteht hauptsächlich aus Auslandsüberweisungen von Exil-Eritreern. 70 % aller Exportgüter stammen aus der Landwirtschaft (v. a. Häute, Felle, Leder- und Ölprodukte). Wichtigster Handelspartner für den Export ist Äthiopien; die meisten Importe (Rohöl, Düngemittel, Fahrzeuge, Maschinen, Fertigprodukte u. a. Güter) kommmen aus Saudi-Arabien, Äthiopien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
 
Verkehr:
 
Während des Bürgerkrieges wurde die Verkehrsinfrastruktur fast völlig zerstört. Die Schienen der einzigen Eisenbahnlinie zwischen Agordat, Asmara und der Hafenstadt Massaua wurden demontiert und nach Äthiopien gebracht. Es gibt kaum befestigte Straßen, die meisten Brücken sind zerstört. Die Wiederinstandsetzung der Straßenverbindung zwischen Asmara und Massaua hat höchste Priorität beim Wiederaufbau. Es gibt zwei große Hafenstädte: Massaua, das 1990 fast vollständig zerstört wurde, und Assab, das früher v. a. zur Versorgung der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba mit ausländischen Waren diente. 1993 wurde mit Äthiopien ein Abkommen über die Nutzung der beiden eritreischen Häfen geschlossen. Die anfallenden Instandhaltungskosten tragen beide Staaten. Der internationale Flughafen liegt nahe der Hauptstadt.
 
 
An der Küste Eritreas, die im 14.-19. Jahrhundert zwischen Arabern, Portugiesen, Türken und Ägyptern sowie Äthiopiern umkämpft war, setzten sich nach 1881 die Italiener fest und erklärten Eritrea 1890 zur Kolonie. Das Hinterland stand bis dahin überwiegend unter äthiopischem Einfluss. Nach der Kapitulation Italienisch-Ostafrikas im Zweiten Weltkrieg kam Eritrea 1941 unter britische Verwaltung. Zwei politische Lager formierten sich: Anhänger einer Union mit Äthiopien und ein »Unabhängigkeitsblock«; Letzterer gewann bei den Wahlen 1947 eine knappe Mehrheit. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschloss dennoch 1950, Eritrea als »autonome Einheit in Föderation mit Äthiopien« der Souveränität des äthiopischen Kaisers zu unterstellen. Dieses Statut trat 1952 in Kraft, jedoch hob Äthiopien die Autonomie am 14. 11. 1962 auf und machte Eritrea zu seiner 14. Provinz.
 
Seit 1961 entwickelten sich separatistische Bestrebungen, die sich v. a. seit dem Sturz der Monarchie in Äthiopien (1974) zu einem Aufstand ausweiteten, getragen besonders von der Eritrean Liberation Front (ELF) und der marxistisch orientierten Eritrean People's Liberation Front (EPLF). Mit Unterstützung kubanischer Streitkräfte konnten äthiopische Truppen zeitweilig die Kontrolle der Zentralregierung über große Teile Eritreas wiederherstellen, ohne jedoch die Aufständischen völlig zurückdrängen zu können. Um der in den 1980er-Jahren erstarkten Befreiungsbewegung politisch entgegenzuwirken, erklärte die äthiopische Regierung Eritrea aufgrund der Verfassung von 1987 zur autonomen Region.
 
Nicht nur der Bürgerkrieg, sondern auch die Hungersnöte infolge der Dürrekatastrophen (Sahel, Desertifikation), von der äthiopischen Regierung strategisch in der Bekämpfung des Aufstands genutzt, bewogen in den 70er- und 80er-Jahren rd. 500 000 Menschen zur Flucht v. a. in die Republik Sudan.
 
In den 80er-Jahren erzielten die eritreischen Kräfte zunehmend militärische Erfolge und drängten die äthiopische Armee immer mehr zurück. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regierungssystems in Äthiopien im Mai 1991 setzte die EPLF in ganz Eritrea ihre Herrschaft durch und bildete eine provisorische Regierung. Einvernehmlich mit der neuen äthiopischen Regierung wurde die staatliche Unabhängigkeit Eritreas angestrebt und nach einer Volksabstimmung (25. 4. 1993) gewährt. Nach der Wahl von I. Afewerki (PFDJ) zum Staatspräsident (21. 5. 1993) wurde am 24. 5. 1993 die Republik Eritrea proklamiert. Hauptprobleme Eritreas waren zunächst der Wiederaufbau des Landes, die Rückführung der zahlreichen Bürgerkriegsflüchtlinge und die Demobilisierung der Befreiungsarmee. 1995 unterzeichneten Eritrea und Äthiopien ein Abkommen über die Bildung einer Freihandelszone. Nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs gab Eritrea 1998 die Hanisch-Inseln an Jemen zurück und beendete damit einen dreijährigen Streit um die für die Schifffahrt wichtigen Inseln. Im Juni 1998 kam es wegen unterschiedlicher Gebietsansprüche zu einem Grenzkrieg mit Äthiopien, der 1999 wieder aufflammte, sich Anfang 2000 ins Landesinnere von Eritrea ausweitete und im Juni 2000 durch ein Waffenstillstandsabkommen beendet werden konnte. Friedensgespräche (u. a. über Fragen des Grenzverlaufes) begannen im Juli 2000.
 
 
Hb. E. Gesch. u. Gegenwart eines Konfliktes, hg. v. E. Furrer-Kreski u. a. (Zürich 1990);
 M. Zimmermann: E. Aufbruch in die Freiheit (21992);
 N. H. Kurdi: L'Érythrée. Une identité retrouvée (Paris 1994);
 V. Matthies: Äthiopien, E., Somalia, Djibouti (21994);
 C. Prouty u. E. Rosenfeld: Historical dictionary of Ethiopia and Eritrea (Metuchen, N. J., 21994);
 R. Iyob: The Eritrean struggle for independence. Domination, resistance, nationalism, 1941-1993 (Cambridge 1995).
 

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Eri|trea; -s: afrikanischer Staat am Roten Meer.

Universal-Lexikon. 2012.