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Verstädterung
Urbanisation; Urbanisierung; Landflucht

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Ver|stạ̈d|te|rung 〈f. 20das Verstädtern

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Ver|städ|te|rung [auch: …'ʃtɛt…], die; -, -en:
das Verstädtern; das Verstädtertsein.

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Verstädterung,
 
im deutschen Sprachraum Bezeichnung für die Vermehrung, Vergrößerung oder Ausdehnung der Städte (nach Anzahl, Bevölkerung oder Fläche) im Gegensatz zur Urbanisierung, die die Ausbreitung städtischer Lebens-, Wohn-, Sozial- oder Wirtschaftsformen bezeichnet. Allerdings werden die Begriffe oft synonym verwendet. Zudem beschreibt der Begriff Verstädterung sowohl einen Zustand als auch einen Prozess. Als ein sehr komplexes Phänomen setzt sich die Verstädterung aus zahlreichen Einzelmerkmalen zusammen und ist im Allgemeinen statistisch schwer zu erfassen. An der Erforschung von Verstädterungserscheinungen sind mehrere Disziplinen beteiligt (v. a. Bevölkerungsgeographie, Demographie, Stadtgeographie, Stadtgeschichte, Stadtsoziologie).
 
 Verstädterung als demographischer Zustand oder Prozess
 
Zur Beschreibung der weltweiten, nationalen oder auch regionalen Verstädterung werden im Allgemeinen demographische Indikatoren herangezogen (demographische Verstädterung). Dabei sind meist Einwohnerschwellenwerte zur Abgrenzung städtischer Siedlungen, häufig aber auch verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte (Stadttitel) oder andere Kriterien relevant. Allerdings schwanken bei Stadtdefinitionen die Mindesteinwohnerzahlen ganz erheblich (z. B. 200 Einwohner in Dänemark, 10 000 Einwohner in der Schweiz, 20 000 Einwohner in Nigeria und 30 000 Einwohner in Japan); am gebräuchlichsten sind Werte zwischen 2 000 und 5 000 Einwohnern Für den internationalen Vergleich wird teilweise der Einwohnerschwellenwert von 20 000 benutzt; eine Reihe von Institutionen (z. B. UNO), die weltweite Verstädterungsstatistiken veröffentlichen, wenden jedoch in der Regel die jeweiligen nationalen Definitionen an. Die demographische Verstädterung bezeichnet zum einen die Verstädterung als Zustand (auch Verstädterungsgrad oder Verstädterungsquote genannt), d. h. den prozentualen Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung eines bestimmten Raumes (meist eines Landes oder Staates), zum anderen aber auch den Zuwachs des Anteils der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung in einem bestimmten Zeitraum, z. B. als durchschnittliche jährliche Zuwachsrate (auch Verstädterungsrate genannt).
 
Da für einige Staaten - wie Großbritannien oder Preußen - schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts relativ zuverlässige flächendeckende Einwohnerdaten für städtische Gemeinden zur Verfügung stehen, konnten einzelne Verstädterungsphasen seit der Zeit der industriellen Revolution ermittelt werden. Obwohl die ersten städtischen Siedlungen bereits vor mehr als 5 000 Jahren entstanden, betrug der Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung der Erde um 1800 lediglich 3 %, in England und Wales zum Zeitpunkt der ersten Volkszählung (1801) rd. 10 %. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Verstädterungsgrad der Erde auf 14 %, im Jahre 1950 schon auf 30 % angewachsen; 2000 lebten 2,85 Mrd. Menschen, d. h. 47 % der Weltbevölkerung, in Städten, und nach den UN-Schätzungen dürfte die 50 %-Schwelle der Verstädterung etwa im Jahre 2007 überschritten sein und im Jahre 2015 53 %, im Jahre 2030 60 % betragen. Dabei bestehen heute und zunehmend auch in Zukunft ganz beträchtliche Unterschiede zwischen den Verstädterungsgraden einzelner Länder. Die Extreme reichen von Ländern mit einem Verstädterungsgrad von unter 10 % (z. B. einige asiatische und afrikanische Länder wie Bhutan, Burundi) bis zu einer Reihe von Industrie-, aber auch Entwicklungsländern, in denen mehr als 80 % der Einwohner in Städten leben (z. B. Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Süd-Korea, Australien, Venezuela, Chile, Argentinien). Der Verstädterungsgrad ist zwar nach wie vor in den Industrieländern mit durchschnittlich knapp 75 % insgesamt noch sehr viel höher als in den Entwicklungsländern (rd. 40 %), allerdings bestehen zwischen den unterentwickelten Räumen gravierende Unterschiede: das hoch verstädterte Lateinamerika (durchschnittlich 75 %) gegenüber z. B. den weitaus geringer verstädterten Großräumen Afrikas und Asiens (rd. 37 %). Trotz des vergleichsweise noch geringen Verstädterungsgrades von Entwicklungsländern leben aber mittlerweile bereits zwei von drei Stadtbewohnern in der Dritten Welt (2000: 1,94 Mrd. von 2,85 Mrd.); nach Schätzungen der UNO wird der Anteil der Entwicklungsländer an der städtischen Bevölkerung im Jahre 2015 knapp 75 % betragen. Hinzu kommt, dass die Dynamik des Verstädterungsprozesses in den einzelnen Entwicklungsländern sehr groß ist (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung 1995-2000 z. B. in Malawi 8,5 %, Tansania 6,3 % und Nepal 5,2 %, Honduras 4,8 %), während in den meisten Industrieländern die städtische Bevölkerung nur noch langsam zunimmt (durchschnittlich um 0,6 % jährlich). Die demographische Verstädterung konzentriert sich immer mehr auf die großen städtischen Agglomerationen mit mehr als 1 Mio. Einwohnern (Metropolen). Lag der weltweite Metropolisierungsgrad 1950 noch bei 7 %, so lebten bereits 2000 39 % der städtischen Bevölkerung in derartigen Metropolen und 9 % in städtischen Agglomerationen mit mehr als 10 Mio. Einwohnern (»Mega-Städte«). Während es um 1900 weltweit erst 13 Millionenstädte gab, waren es 2000 insgesamt 411. Im Jahr 2015 werden sich wahrscheinlich 21 % der Weltbevölkerung auf Millionenstädte konzentrieren, wobei die überwiegende Mehrheit der Metropolen auf die Entwicklungsländer entfallen wird (2000 befanden sich hier schon 71 % aller Millionenstädte der Erde).
 
Zu den Ursachen der demographischen Verstädterung zählen neben der statistischen Umklassifizierung von bislang als »ländlich« aufgeführten Gemeinden durch Überschreiten bestimmter Mindesteinwohnerzahlen (z. B. auch durch Eingemeindungen) insbesondere das hohe natürliche Bevölkerungswachstum (v. a. in den Entwicklungsländern, wo die Geburtenüberschüsse heute wesentlich höher sind als in den Industriestaaten zur Zeit ihres raschesten Städtewachstums) und durch Wanderungsgewinne (Land-Stadt-Wanderungen, Landflucht). Letztere sind durch eine Vielzahl von »Push«-Faktoren (z. B. agrare Überbevölkerung und ländliche Besitzstrukturen in den Entwicklungsländern) und »Pull«-Faktoren (u. a. bessere Arbeitsmöglichkeiten in den Großstädten der Dritten Welt, Bedarf an städtischen Konsumgütern) beeinflusst. Dabei ist das Wanderungspotenzial (v. a. in Afrika und Asien) bei weitem noch nicht ausgeschöpft, da - trotz rascher Verstädterung - die ländliche Bevölkerung ebenfalls noch wächst (Wachstumsrate 1995-2000 in Asien 0,7 %, in Afrika 1,5 %).
 
 Verstädterung als Städtewachstum und Städteumstrukturierung
 
Städtischer Siedlungsformen sind im Laufe ihrer Entwicklung im Allgemeinen durch eine flächenhafte bauliche Expansion bei häufig gleichzeitiger Umstrukturierung, Erneuerung und funktionaler Entfaltung oder Diversifizierung gekennzeichnet. Dies betrifft nicht nur die historischen Stadtentwicklungsphasen, sondern in besonders starkem Maße auch die jüngeren Verstädterungsprozesse. Diese zeichneten sich z. B. in den hoch industrialisierten Ländern durch das häufig wenig koordinierte Flächenwachstum der (Groß-)Städte oder Stadtregionen in das ländliche Umland aus. Diese Suburbanisation setzte bereits Ende des 19. Jahrhunderts ein (Umzüge wohlhabender Haushaltungen von der Innenstadt an den Stadtrand), erreichte in den USA seit den 1920er-, in Deutschland erst seit den 60er-Jahren eine größere Bedeutung. In den Entwicklungsländern finden bedeutende flächenhafte bauliche Expansionsprozesse städtischer Siedlungen statt, v. a. in den Großstadt- und Metropolitangebieten, in Gestalt »wilder Siedlungen«, d. h. (meist) randstädtische Hütten-, Baracken-, Squatter- oder Marginalsiedlungen (Slum, Favelas). Dieser Prozess ist in den Anfangsstadien meistens auf die ausschließliche Bevölkerungs-Konzentration (legale, semilegale, oft aber illegale Landbesetzungen) beschränkt; anschließend folgt häufig ein stufenweiser Ausbau der Wohnsiedlungen mit allerdings im Allgemeinen fehlender Industriesuburbanisierung und einer sehr beschränkten tertiären Suburbanisierung.
 
So haben sich in den einzelnen Kulturräumen der Erde im Rahmen der Verstädterungsprozesse unterschiedliche Formen von Verdichtungsräumen (städtische Agglomerationen, Ballungsgebiete) herausgebildet. In Nordamerika z. B. dominiert die Entwicklung zur großflächigen Bandstadt (Strip-City) entlang wichtiger Verkehrsachsen (z. B. Städteagglomeration Boswash), ähnlich in Japan entlang der Schnellbahnen (Städteband v. a. zwischen den Ballungsräumen Tokio, Ōsaka und Nagoya).
 
Verschiedene kulturgenetische Modelle veranschaulichen die kulturräumlichen Unterschiede des Verstädterungsprozesses beziehungsweise der Stadtentwicklung. Diese lassen sich mit grundlegenden Stadtmodellen vergleichen, die von der klassischen »Chicagoer Schule« der Sozialökologie zwischen etwa 1925 und 1945 erarbeitet wurden (z. B. Ringmodell von E. W. Burgess). Nach dem Modell des Geographen Jürgen Bähr (* 1940) besteht z. B. die lateinamerikanische Großstadt aus einer ringförmigen Anordnung im Stadtkern (mit City im Bereich der kolonialzeitlichen Altstadt, Wohn-Geschäfts-Industrie-Mischzone und daran angrenzenden Slums), sektorförmigen Stadterweiterungen (besonders Oberschichtviertel, entlang von Ausfallstraßen entstandene Industrieviertel mit angrenzenden Unterschichtwohngebieten; meist seit den 1930er-Jahren, zum Teil auch erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt) und einer zellenförmigen Stadtgliederung an der Peripherie (u. a. Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus, Hüttenviertel, überwiegend erst seit den 1960er-Jahren). Das geographische Modell der spanisch-amerikanischen Stadtentwicklung von Axel Borsdorf (* 1948) verdeutlicht darüber hinaus die traditionelle »schachbrettartige« Grundrissstruktur (gitterförmiges Straßennetz) sowie wesentliche sozialräumliche Veränderungen der lateinamerikanischen Stadt seit der spanischen Kolonialzeit und deren Beeinflussung durch Bevölkerungs-Zuwanderungen (Ein- und Binnenwanderungen, innerstädtische Wanderungen).
 
 Soziale Verstädterung
 
Die Adaption und räumliche Ausbreitung (oder Diffusion) städtischer Lebens-, Wohn-, Sozial- und Wirtschaftsformen lässt sich als soziale Verstädterung bezeichnen (häufig identisch mit Urbanisierung). Eine hohe Intensität städtischer Lebensformen wird oft als Urbanität bezeichnet, eine sinkende Urbanität als Desurbanisierung. Für die Charakterisierung der sozialen Verstädterung oder der (sozialen) Urbanität kann eine Vielzahl von Indikatoren dienen: u. a. Bevölkerungs- und Wohndichte, sozial- und berufsstrukturelle Merkmale, Differenzierung der kulturellen Bedarfsdeckung, aber etwa auch Slumbildung oder soziale Marginalität. Die in jüngerer Zeit in westlichen Industriestaaten (u. a. in Deutschland) zu beobachtenden Wandlungen in der Nutzung innerstädtischer Altbaugebiete durch neue Haushaltstypen (z. B. Einpersonenhaushalte mit hohem Einkommen) als Resultat veränderter Berufssituationen, neuer Lebensstile usw. (z. B. »Yuppies«, »Alternative«) sind Merkmale einer »neuen Urbanität« oder auch der Reurbanisierung.
 
Die soziale Verstädterung in den Ländern der Dritten Welt ist u. a. durch Marginalisierung gekennzeichnet: Entwicklung von Marginalsiedlungen oder -vierteln mit mangelhafter Bausubstanz, hohen Wohndichten, unzureichender öffentlicher und Wohninfrastruktur, hohen Anteilen von Erwerbspersonen mit niedrigen (Minimallöhne) und/oder unregelmäßigen Einkommen, Unterprivilegierung, häufig auch Diskriminierung im soziokulturellen Bereich sowie wachsende Kriminalität als Folge der Armut. Neben den rand- wie auch innerstädtischen Hüttenvierteln betrifft dies in den Großstädten von Entwicklungsländern auch die stadtzentrumsnah gelegenen degradierten ehemaligen Ober- und Mittelschichtwohngebiete, die heute Wohnviertel von ethnisch, religiös und/oder landsmannschaftlich segregierter Unterschichtbevölkerung darstellen und häufig als Slums bezeichnet werden. Allerdings können »Slums« (bei entsprechender behördlicher Definition) auch alle großstädtischen Marginalviertel umfassen. In süd- und südostasiatischen Großstädten stellen »pavement dwellers« (Obdachlose, die im Freien übernachten beziehungsweise leben) sehr problematische Merkmale sozialer Verstädterung dar. Die Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum, der hinsichtlich Fläche und infrastruktureller Ausstattung den Mindestanforderungen entspricht, ist eines der gravierendsten Probleme in den Großstädten der Dritten Welt. Strategien zur Lösung des Problems der Marginalsiedlungen bestehen z. B. in Selbsthilfeprogrammen des Wohnungsbaus. Typisch für die soziale Verstädterung in der Dritten Welt sind auch Prozesse der »Verdörflichung« (Verländlichung oder intraurbane Ruralisierung) durch Eindringen ländlicher Siedlungs-, Wohn- und Wirtschaftsweise sowie Ausbreitung ländlicher Sozialorganisation und Verhaltensweisen in die Städte.
 
 Funktionale Verstädterung
 
Auch die funktionale Verstädterung, die die Abhängigkeit der Verstädterung, des Städtewachstums oder der Entstehung städtischer Agglomerationen von der Entwicklung wichtiger Funktionen (Industrie, tertiärer Sektor u. a.) beinhaltet, ist sehr komplex und lässt sich - wie die anderen Komponenten oder Dimensionen der Verstädterung - in eine größere Anzahl von Einzelmerkmalen oder -prozessen gliedern. So bezeichnet die industrielle Verstädterung die Stadtentwicklung und die Entstehung städtischer Agglomerationen und industrieller Ballungen unter den verschiedenen Einflüssen der Industrialisierung (u. a. Entstehung eines neuen Typs der Industriegemeinde, z. B. im Ruhrgebiet, in der Phase stärkster Verstädterung zwischen der Reichsgründung 1871 und dem Ersten Weltkrieg). Teilkomponenten der tertiären Verstädterung sind z. B. die (in Großbritannien, v. a. in London, schon im 18. Jahrhundert, in Deutschland erst Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende) Citybildung oder die jüngeren Prozesse der Standortdezentralisierung tertiärer Nutzungen (häufig als Standortverlagerungen aus der City oder Innenstadt) zugunsten dezentraler oder peripherer Lagen (tertiäre Suburbanisierung, Bürostandortdekonzentration, zum Teil in Form neuer Entlastungszentren wie der City-Nord in Hamburg, der Bürostadt Frankfurt-Niederrad oder der »edge cities« am Rande nordamerikanischer Ballungsgebiete). Die verschiedenen Komponenten und Einzelaspekte der komplexen Verstädterung sind nicht nur häufig epochenspezifisch entwickelt (Unterscheidung einzelner Verstädterungs- oder Urbanisierungsphasen), sondern lassen sich auch nach den räumlichen Betrachtungsebenen (lokale, regionale, nationale, internationale oder sogar globale Einzelprozesse der Verstädterung) unterscheiden. Schließlich zeigt die funktionale Verstädterung auch Zusammenhänge mit dem primären Wirtschaftssektor, u. a. in der Entwicklung einer »urbanisierten Landwirtschaft« (Reiterhöfe, Treibhauskulturen usw. im Umlandbereich von Großstädten).
 
 Dezentralisierungsstrategien
 
Verstädterung und Metropolisierung haben in den vergangenen Jahrzehnten v. a. in den Ländern der Dritten Welt bereits bedrohlichen Formen angenommen und gravierende Probleme der Stadtentwicklung, der Umweltbelastung (u. a. Luft- und Gewässerverschmutzung) sowie der Stadt- und Regionalplanung hervorgerufen. Die starke Bevölkerungs-Konzentration in großstädtischen oder metropolitanen Verdichtungsräumen auf der einen sowie die charakteristische Bevölkerungs-Dispersion im ländlichen Raum auf der anderen Seite haben dazu geführt, die Dekonzentration oder Dezentralisierung (der Bevölkerung und der verschiedenen Wirtschaftsfunktionen) zugunsten kleinerer Großstädte, aber auch von Mittel- und Kleinstädten in peripheren Regionen voranzutreiben. Auf die drei Metropolitangebiete Mexiko, Guadalajara und Monterrey entfielen z. B. 1990 rd. 25 % der Einwohner, aber rd. 60 % aller Industriebetriebe Mexikos. Der Anteil dieser führenden Verdichtungsräume an der gesamten Stadtbevölkerung betrug (2000) 35 %; demgegenüber lebten nur 26 % der damaligen Einwohner Mexikos in ländlichen Ortschaften. Die Maßnahmen einer zentralstaatlichen Dezentralisierungspolitik (ab 1970) umfassen v. a. verschiedene Pläne zur Stadt- und Industrieentwicklung (z. B. nationale Stadtentwicklungsprogramme, Entwicklungsprogramm für die Stadt Mexiko, Raumordnungsplan für das Metropolitangebiet von Guadalajara). Das vom zuständigen Ministerium erarbeitete nationale Stadtentwicklungsprogramm 1990-94 strebte u. a. die weitere Regulierung (v. a. bezogen auf die drei größten Städteagglomerationen) und Konsolidierung (v. a. zahlreicher Städte zwischen 100 000 und 1 Mio. Einwohnern) des mexikanischen Städtesystems sowie die Entwicklung von »Kleinstädten« (zwischen etwa 15 000 und 100 000 Einwohner) an. Die Ziele dieses wie auch vorangegangener Programme konnten allerdings nur in recht begrenztem Umfang erreicht werden.
 
Insgesamt erfordert die anhaltende Verstädterungsdynamik v. a. in den Ländern der Dritten Welt, aber auch in hoch industrialisierten Staaten (z. B. Japan) besondere Maßnahmen der Raumordnung (v. a. Verkehrserschließung, Industrieansiedlung) und Regionalpolitik (v. a. Bekämpfung der Landflucht, z. B. durch Investitionen in die Landwirtschaft). Wird die Anziehungskraft der großen Agglomerationen jedoch als staatliches Entwicklungsziel betrachtet und als Mittel zur wirtschaftlichen Entwicklung benutzt (d. h. die Stadt durch innenpolitische Maßnahmen gezielt bevorzugt), werden die Landbewohner weiterhin in Massen in die Städte abwandern.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Armut · Bevölkerungsentwicklung · Entwicklungspolitik · Migration · Stadt
 
Literatur:
 
R. Stewig: Die Stadt in Industrie- u. Entwicklungsländern (1983);
 D. Bronger: Metropolisierung als Entwicklungsproblem in den Ländern der Dritten Welt, in: Geograph. Ztschr., Jg. 72, H. 3 (1984); Städtewachstum u. innerstädt. Strukturveränderungen. Probleme des Urbanisierungsprozesses im 19. u. 20. Jh., hg. v. H. Matzerath (1984);
 W. Gaebe: Verdichtungsräume. Strukturen u. Prozesse in weltweiten Vergleichen (1987);
 H. Häussermann u. W. Siebel: Neue Urbanität (1987);
 
Grundr. allg. Geographie, Bd. 10: Stadtgeographie, bearb. v. H. Heineberg (21989);
 J. Bähr u. G. Mertins: Die lateinamerikan. Groß-Stadt. Verstädterungsprozesse u. Stadtstrukturen (1995);
 
Gentrification. Theorie u. Forschungsergebnisse, hg. v. J. Friedrichs u. R. Kecskes (1996);
 L. Holzner: Stadtland USA (1996);
 
Die Stadt in Dtl. Aktuelle Entwicklung u. Probleme hg. v. B. Schäfers u. G. Wewer (1996);
 J. Bähr: Bev.-Geographie. Verteilung u. Dynamik der Bev. in globaler, nat. u. regionaler Sicht (31997);
 
Mega-Cities. Die Metropolen des Südens zw. Globalisierung u. Fragmentierung, hg. v. P. Feldbauer u. a. (Wien 1997);
 
Die Städte in den 90er Jahren, hg. v. J. Friedrichs (1997).
 
Weitere Literatur: Stadt.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Bevölkerungsexplosion: Ursachen und Folgen
 
Megastädte: Ausufernde Ballungsgebiete auf dem Vormarsch
 
Stadtentwicklung: Das neue Bild der Stadt als Superorganismus
 

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Ver|städ|te|rung [auch: ...'ʃtɛt...], die; -, -en: das Verstädtern, Verstädtertsein.

Universal-Lexikon. 2012.