Akademik

Armut
Not; Dürftigkeit; Geldnot

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Ar|mut ['armu:t], die; -:
a) das Armsein, materielle Not:
in dieser Familie herrschte bitterste Armut; in Armut leben, geraten.
Syn.: Elend, Mangel.
b) Dürftigkeit, Kümmerlichkeit, Kargheit:
innere Armut; diese Schrift verrät Armut des Ausdrucks; die Armut (der Mangel) eines Landes an Bodenschätzen.
Syn.: Leere, Mangel.

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Ạr|mut 〈f.; -; unz.〉 das Armsein, Mangel am Notwendigsten, Not, Elend, Bedürftigkeit, Entbehrung ● \Armut ist keine Schande; \Armut schändet nicht; bittere \Armut; geistige \Armut geistige Anspruchslosigkeit; in \Armut geraten arm werden; in \Armut leben [<ahd. ar(a)muoti <arm + -oti „versehen mit“; Subst. durch Anlehnung an Mut]

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Ạr|mut , die; - [mhd. armuot(e), ahd. armuoti, aus arm u. dem Suffix -ōti; schon ahd. fälschlich an Mut angelehnt]:
a) das Armsein; Bedürftigkeit:
es herrscht drückende A.;
ein Leben in A. führen müssen;
in A. leben, geraten, sterben;
R A. ist keine Schande;
b) Dürftigkeit, Kümmerlichkeit, Kargheit:
innere A.;
A. des Ausdrucks, des Geistes;
die A. (der Mangel) eines Landes an Bodenschätzen.

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Armut,
 
eine Lebenslage von Individuen und deren Haushalten, bei der die Ausstattung mit Waren und Dienstleistungen in einem oder mehreren Bereichen der Haushalts- und Lebensführung den menschlichen Minimalstandards nicht genügt. Neben dieser Definition von Armut mithilfe des Lebenslagen-Ansatzes wird oft auch der Ressourcen-Ansatz zur Armutsdefinition herangezogen: Aus der Perspektive der lebensnotwendigen Ressourcen wird festgestellt, dass Armut vorliegt, wenn das Haushaltseinkommen nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu decken. Dabei wird zwischen absoluter Armut (die physische Existenz von Menschen ist aufgrund einer Mangelsituation gefährdet) und relativer Armut (unter gegebenen Lebensverhältnissen werden die soziokulturellen Minimalstandards nicht erreicht) unterschieden. Absolute Armut stellt insbesondere in Entwicklungsländern ein dauerhaftes Problem dar, von relativer Armut sind vorwiegend die industrialisierten Länder betroffen. Von objektiv gemessener Armut wird gesprochen, wenn Armut durch wissenschaftliche Experten aufgrund von begründeten Standards unabhängig von den Urteilen der Betroffenen festgestellt wird. Eine subjektive Armutssituation liegt vor, wenn sich die Betroffenen selbst als arm definieren. Objektive und subjektive Armutssituationen stimmen nicht immer überein: Arme betrachten sich teilweise nicht als arm, obwohl sie von Experten als arm definiert werden, und umgekehrt. In Bezug auf die gesellschaftliche Bedeutung von Armut ist es wichtig zu fragen, ob es sich um strukturelle (dauerhafte) Armut oder um eine vorübergehende (zeitlich begrenzte) Armutssituation handelt. Insbesondere in neueren Untersuchungen ist auf die Dynamisierung bzw. Verzeitlichung von Armut hingewiesen worden. Wichtig für die Sozialpolitik ist die Unterscheidung von bekämpfter Armut, bei der die Armen öffentliche Unterstützung - zum Beispiel Sozialhilfe - erhalten, und latenter Armut, bei der die Betroffenen trotz eines Anspruchs auf Unterstützung diese nicht in Anspruch nehmen.
 
 Definition und Messung von Armut
 
Eine bestimmte Grenze festzulegen, an der Armut beginnt, ist ohne Wertmaßstäbe nicht möglich und erfordert eine Berücksichtigung der sozioökonomischen und sozialkulturellen Verfassung der Gesellschaft. Als arm gelten nach einer Definition des Rates der Europäischen Gemeinschaften (seit 1993 Rat der Europäischen Union) von 1984 Personen, Familien oder Gruppen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist. Weil die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen in einem Haushalt in erster Linie vom Haushaltsnettoeinkommen abhängt, wird je nach Haushaltsgröße und -zusammensetzung ein bestimmtes Haushaltseinkommen als Armutsgrenze festgelegt, das Netto-Äquivalenzeinkommen genannt wird. Einem der Verfahren zufolge wird das notwendige Haushaltseinkommen über den Preis eines Warenkorbes ermittelt, der von einem Haushalt im Monat für einen menschenwürdigen Lebensunterhalt benötigt wird. Einkommensarmut ist in der Regel mit Ausstattungsdefiziten in verschiedenen Lebensbereichen verbunden: Ernährung, Kleidung, Wohnung, Bildung, Arbeit, Gesundheit, Freizeit/Erholung usw. In allen Bereichen gibt es mehr und weniger anerkannte gesellschaftliche Minimalstandards, die nicht unterschritten werden sollen (zum Beispiel ein Wohnraum pro Person oder Lese- und Schreibfähigkeit). Vermieden werden sollen soziale Deprivationen (Mangelzustände) wie Mangelernährung, unzureichende Bekleidung, Obdachlosigkeit, Analphabetismus, Arbeitslosigkeit usw. Mithilfe eines Deprivationsprofils kann angezeigt werden, in wie vielen und in welchen Bereichen ein Haushalt die jeweiligen Minimalstandards nicht erreicht.
 
Die Fixierung der monetären Armutsgrenze ist in Deutschland eine gesellschaftspolitisch heftig umstrittene Frage. Die Teilhabe an den soziokulturellen Angeboten der Gesellschaft (ein Fernsehgerät gehört dazu) auf der einen Seite und ein Abstandsgebot zu den unteren Löhnen (Arbeit soll sich lohnen) auf der anderen Seite stellen vor diesem Hintergrund gegensätzliche Bezugspunkte für die Höhe der Sozialhilfe dar. Ihr Leistungsniveau wird durch den Eckregelsatz - monatlich (x) für einen Haushaltsvorstand oder Alleinstehenden - abgebildet. Die offizielle Sozialberichterstattung in Deutschland analysiert vorzugsweise die Sozialhilfeempfänger, also die institutionell bekämpfte Armut. Ihnen gegenüber stehen die latent bzw. verdeckt Armen (in den 1980er-Jahren auf etwa 50 % der Anspruchsberechtigten geschätzt), also Personen, die aus Unkenntnis oder Scham keine Sozialhilfe beantragen, obwohl sie ihnen zustehen würde.
 
Bei Armut handelt es sich nicht um ein feststehendes, sondern um ein variables Merkmal, das sich je nach Vergleichskontext für das gleiche Individuum unterschiedlich darstellt. So ist, wer im Vergleich mit seinen Nachbarn in modernen Industriegesellschaften als arm gilt, verglichen mit der Mehrzahl der Armen in Armutsregionen der Entwicklungsländer in der Regel nicht als arm zu bezeichnen. Die relative Armutsposition stellt sich unterschiedlich dar, je nach dem, wo jemand seine Lebenssituation definiert: in der Wohnumgebung, im Stadtviertel, in der Region, in Deutschland, in Europa oder im globalen Rahmen. Zudem ist möglich, dass jemand, der objektiv als wohlhabend gilt, sich subjektiv als arm ansieht, wenn er sich mit den »Superreichen« vergleicht.
 
Armutsdefinitionen, seien sie objektiv oder subjektiv, sind kontextabhängig. Für Deutschland hat die Bundesregierung erstmals 2001 einen Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt, in dem sozialwissenschaftliche Experten eine Diagnose der sozioökonomischen Ungleichheit vornehmen. Auf internationaler Ebene wurden im selben Zeitraum (2000/2001) Berichte der Weltbank und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) in die Armutsdebatte eingebracht. Je mehr sich internationale Kommunikation und Globalisierung durchsetzen, desto bedeutsamer wird der internationale Armutskontext als Bezugsrahmen für die Armutsdiagnose.
 
 Armut und Reichtum in Deutschland
 
Lebenslagen und Einkommen stehen im Mittelpunkt des ersten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Einen Schwerpunkt bildet die Analyse der Einkommensentwicklung in Deutschland 1973-1998. In diesem Zeitraum gab es in allen Einkommensschichten signifikante reale Einkommenszuwächse; zugleich stieg die Einkommensungleichheit langsam an, sowohl bei den Markteinkommen wie bei den Netto-Haushaltseinkommen. Die Einkommensungleichheit ist zunächst ein Ergebnis der Marktprozesse, in denen höchst unterschiedliche Einkommen (Löhne, Gehälter, Gewinne, Zinsen) zur Verteilung gelangen. Durch den Abzug von (teilweise progressiv) gestaffelten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen einerseits und die Überweisung von Transfereinkommen (Renten, Pensionen, Arbeitslosengeld, Wohngeld, Sozialhilfe usw.) an die privaten Haushalte andererseits wird die Einkommensverteilung gleichmäßiger gestaltet.
 
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| Verteilung des Gesamtnettoäquivalenzeinkommens in Deutschland 1973-1998 nach Einkommensanteilen der Haushalte (eingeteilt    |
| in zehn Einkommenniveaus) und die daraus abgeleitete relative Armutsquote (nach der neuen OECD-Skala)1)                    |
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|                                                                               | früheres Bundesgebiet            | neue Bundesländer                 | Deutschland        |
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|                                                                               | 1973            | 1998                | 1993             | 1998                | 1998                   |
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| Einkommensanteil des 1.Dezils 2)           | 4,6               | 3,9                  | 5,2               | 4,9                  | 4,0                     |
| (unterstes Dezil)                                                      |                    |                        |                     |                        |                           |
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| Einkommensanteil des 2.9.Dezils                       | 74,3             | 74,4                | 76,1              | 75,6                | 74,2                   |
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| Einkommensanteil des 10.Dezils                           | 21,1             | 21,7                | 18,7              | 19,5                | 21,8                   |
| (oberstes Dezil)                                                       |                    |                        |                     |                        |                           |
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| Relative Armutsquote3)                              | 6,3               | 10,6                | 17,9              | 14,7                | 10,2                   |
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| 1)Angaben in Prozent.                                                                                                                                                     |
| 2)Zehnprozentgruppe.                                                                                                                                                      |
| 3)Prozent der Haushalte, die in relativer Armut leben.                                                                                                         |
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Nach dem Konzept der relativen Einkommensarmut, dem wissenschaftlichen Bezugsrahmen des Armuts- und Reichtumsberichts, hat die Einkommensungleichheit von 1973 bis 1998 im früheren Bundesgebiet leicht, aber kontinuierlich zugenommen. Zugleich sind die Einkommen der untersten Einkommensschicht (unterste 10 %) preisbereinigt um rund 20 % gestiegen. In den neuen Bundesländern steigt die Einkommensungleichheit ebenfalls deutlich an, ist aber auf die Nettohaushaltseinkommen bezogen nach wie vor weniger stark ausgeprägt als im früheren Bundesgebiet. Internationale Vergleiche weisen aus, dass Deutschland unter den größeren Staaten (mehr als 20 Millionen Einwohner) eine relativ gleichmäßige Einkommensverteilung besitzt.
 
Die Ungleichverteilung der Vermögen in Deutschland steht in engem Zusammenhang mit der Ungleichheit der Einkommensverteilung. Geringes Vermögen bedeutet oft geringes Einkommen und umgekehrt. Armut ist in vielen Fällen mit Überschuldung verbunden, das heißt, die betroffenen Schuldner können aufgrund ihres geringen Einkommens ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. In privilegierten Lebenslagen befindet sich der wohlhabende Bevölkerungsteil - insbesondere die Reichen (darunter geschätzte 13 000 Einkommensmillionäre) -, dessen Angehörige über überdurchschnittliche, vielfach auch hohe Vermögen verfügen.
 
Zwischen den Einkommensschichten gibt es keine klaren Trennungslinien; soziale Aufstiegs- wie Abstiegsprozesse tragen dazu bei, dass im Lebenslauf eines Menschen und über die Generationenfolge einer Familie Wohlstandspositionen wechseln. Vor diesem Hintergrund weist die sozialwissenschaftliche Aussage vom prekären Wohlstand darauf hin, dass besonders Wohlstandspositionen nur wenig über der Armutsgrenze nicht sicher und ihre »Inhaber« permant - in Zeiten konjunkturellen Abschwungs verstärkt - dem Armutsrisiko ausgesetzt sind. Die mit der Armut und dem Reichtum gegebenen Unterschiede in der Gesellschaft werden von der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland als nicht gerecht angesehen, wobei jedoch gesellschaftlich relevante Neid- und Konfliktreaktionen eher selten sind.
 
Das letzte »Auffangnetz« des Sozialstaats in Deutschland ist die Sozialhilfe; sie soll ein menschenwürdiges Leben sichern, wenn andere Einkommensansprüche dafür nicht ausreichend sind. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfe ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen (2001: rund 2,26 Millionen Sozialhilfeempfänger). Dabei hat sich die zahlenmäßige Dominanz älterer Menschen in den 1960er-Jahren (Altersarmut) in eine Dominanz von Kindern und Jugendlichen in den 1990er-Jahren (Kinderarmut) gewandelt. Vor allem in der Haushaltsform der Alleinerziehenden wird besonders häufig Sozialhilfe in Anspruch genommen. Gesellschaftlich wird im Zusammenhang mit der Sozialhilfe zum einen vielfach deren Missbrauch diskutiert, zum anderen weisen Untersuchungen jedoch zunehmend auf den erheblichen Umfang hin, den die versteckte Armut, das heißt die Nicht-Inanspruchnahme von Sozialhilfe, mittlerweile angenommen hat.
 
 Armut im globalen Maßstab
 
Die heutigen globalen Ungleichheiten sind das Ergebnis langer historischer Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse, in deren Verlauf sich arme und reiche Nationen und Regionen herausgebildet haben. Ausgehend von geringen sozioökonomischen Unterschieden, wie sie in archaischen Jäger- und Sammlerkulturen gegeben waren, bildeten sich signifikante Wohlstandsunterschiede zunächst mit der Etablierung sesshafter landwirtschaftlicher Kulturen heraus und verstärkten sich im Laufe der weiteren Entwicklung, insbesondere mit dem Einsetzen der Industrialisierung und der Einführung kapitalistischer Produktionsweisen, immer mehr. Heute bildet die Weltbevölkerung in sozialwissenschaftlicher Sicht ein internationales Schichtungssystem von ärmeren und reicheren Regionen, dessen Spannungen sich im Prozess der Globalisierung zu verschärfen drohen.
 
Permanent beobachtet und wissenschaftlich analysiert werden die sozioökonomischen Unterschiede im Rahmem der globalen Sozialberichterstattung auf der Grundlage komplexer Messgrößen (Indizes). Im Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) werden mehrere Indizes in die Betrachtung einbezogen: Das Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner (GDP) beruht auf der langfristig etablierten volkswirtschaftlichen Gesamtrechung und ist ein Indikator für das Leistungsniveau einer Volkswirtschaft im Hinblick auf die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen. Der Human Development Index (HDI) misst das Leistungsniveau einer Gesellschaft bezogen auf drei bestimmende Faktoren menschlicher Existenz: ein langes und gesundes Leben, einen guten Bildungsstand und einen angemessenen Lebensstandard.
 
Im Rahmen des Human Development Index (HDI) bildet der Human Poverty Index für Entwicklungsländer (HPI-1) einen Index für Entwicklungsländer; der Human Poverty Index für OECD-Länder (HPI-2) ist auf die insgesamt wohlhabenderen Mitgliedsländer der OECD ausgerichtet. Der geschlechtsbezogene Gender-related Development Index (GDI) misst die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Faktoren Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard.
 
Per Definition der Weltbank besteht Armut im monetären Sinn, wenn einem Menschen pro Tag nur 1-2 US-$ für die Lebensführung zur Verfügung stehen, wobei unterhalb der unteren Armutsgrenze von 1 US-$ seine physische Existenz unmittelbar und im höchsten Grade gefährdet ist. Die Darstellung der Armutsproblematik in den Weltentwicklungsberichten der Weltbank geht allerdings weit über die Konstatierung monetär bedingten materiellen Mangels hinaus und bezieht weltweit auch Defizite in der Bildung und Gesundheit, das Lebenmüssen in Schutzlosigkeit und Risikoanfälligkeit, fehlende Möglichkeiten gesellschaftlicher Mitsprache und Verhältnisse politischer Machtlosigkeit breiter Bevölkerungsschichten in die Armutsberichterstattung ein.
 
Die Wohlstandsschichtung im Sinne der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zeigt die Spannbreite zwischen ärmeren und reicheren Ländern auf. Grobflächig verallgemeinernd kann gesagt werden, dass die Armutszonen heute in Afrika südlich der Sahara, Südasien und Lateinamerika konzentriert sind und die Wohlstandsregionen im Wesentlichen durch die west-, mittel- und nordeuropäischen Länder, Nordamerika und Australien gebildet werden. Hinsichtlich markanter Verschiebungen in den Armuts- und Wohlstandspositionen hin zu mehr Wohlstand in den letzten Jahrzehnten ragen besonders die asiatischen»Tigerländer« (Schwellenländer) und die ölexportierenden Länder im Nahen Osten hervor.
 
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| Relative Einkommensarmut nach Weltregionen 1987 und 1998                                                                                                           |
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| Region                                    | Durchschnittliche                  | Anteil der Bevölkerung2),      | Anteil der Bevölkerung2),       |
|                                               | regionale                              | die von weniger als einem                   | die von weniger als einem                    |
|                                               | Armutsgrenze 1)     | Drittel des durchschnittlichen              | US-Dollar3) pro Tag lebt        |
|                                               |                                            | Verbrauchs lebt                                  |                                                          |
|                                               |                                            |---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|
|                                               |                                            | 1987                    | 1998                    | 1987                    | 1998                     |
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| Ostasien und Pazifik                | 1,3                                      | 33,0                     | 19,6                     | 26,6                     | 15,3                     |
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| Europa und Zentralasien           | 2,7                                      | 7,5                       | 25,6                     | 0,2                       | 5,1                       |
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| Lateinamerika und Karibik        | 3,3                                      | 50,2                     | 51,4                     | 15,3                     | 15,6                     |
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| Naher Osten und Nordafrika      | 1,8                                      | 18,9                     | 10,8                     | 4,3                       | 1,9                       |
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| Südasien                                | 1,1                                      | 45,2                     | 40,2                     | 44,9                     | 40,0                     |
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| Afrika südlich der Sahara         | 1,3                                      | 51,1                     | 50,5                     | 46,6                     | 46,3                     |
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| Welt (insgesamt)                     | 1,6                                      | 36,3                     | 32,1                     | 28,3                     | 24,0                     |
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| 1) in US-Dollar pro Tag bei Kaufkraftparität von 1993. -                                                                                                                    |
| 2) in Prozent. -                                                                                                                                                                             |
| 3) Kaufkraftparität von 1993.                                                                                                                                                         |
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 Zur Geschichte der Armut
 
Absolute Armut ist eine ständige Bedrohung in frühen Gesellschaften, zumal in Zusammenhang mit Naturkatastrophen (Überschwemmungen, Missernten, Schädlingsfraß u. a.) und Naturprozessen wie Klimaveränderungen. Sieht man wegen der für sie geltenden Besonderheiten von den sklavenhaltenden Gesellschaften der Antike ab, so kann bereits im kaiserlichen Rom relative und subjektive Armut im heutigen Sinn konstatiert werden. Mit dem Übergang zu Vorformen der Fernhandels- und Manufakturgesellschaft trat als chancenbestimmender Faktor das Geld an die Seite des gegenständlichen Besitzes. Geld- und Vermögenslosigkeit begründeten, trotz renditefähigen Eigentums (Boden, Werkstatt), relative Armut und bezog so bislang nicht als arm angesehene Stände (Bauern, Handwerker) ein. Beim Übergang zur Neuzeit wurden Kapital-, Grund- und Produktionsvermögen in einer relativ kleinen Bevölkerungsschicht konzentriert; damit wurde die große Mehrheit der Bevölkerung durch Armut gefährdet, da Einkommenslosigkeit bei fehlenden Ressourcen (Renditevermögen, zureichende Unterhaltsansprüche) zu relativer, oft auch absoluter Armut führte.
 
Armut ist im Laufe der Geschichte immer eine Bedrohung eines großen Teils der Menschheit gewesen. Dennoch hat es daneben lange Zeit eine religiös motivierte freiwillige Armut gegeben, die zum Teil als der Versuch angesehen werden kann, asketisch die von den eigentlichen Heilszielen ablenkenden Formen des Lebens- und Daseinsgenusses zu überwinden (so im frühen Buddhismus) oder die zum Teil, wie im frühen Christentum und in den Armutsbewegungen des Mittelalters, von der Intention bestimmt war, dem weltüberwindenden Vorbild des sich freiwillig erniedrigenden Christus nachzueifern, dessen Wirken in der Welt als Solidarität mit den Armen und Erniedrigten aufgefasst wurde (z. B. Waldenser, Franziskaner). Diese freiwillige Armut wurde als Möglichkeit, das Heil über den Weg der Bedürfnislosigkeit und der Solidarität mit den unfreiwillig Armen zu erlangen, gesehen. Im Mittelalter trafen diese Bestrebungen auf den Widerstand der Kirche und führten zum Armutsstreit.
 
Die mit den Anfängen städtischer Selbstverwaltung nachweisbare Armenpflege (manchmal beschränkt auf die Vertreibung ortsfremder Bettler und Vaganten) gewann in der Folge der Reformation Bedeutung und Struktur. Im Geist der Aufklärung wurden Verbindungen zwischen vermeintlichen Armutsursachen und Hilfszielen hergestellt. Unter günstigen ökonomischen Bedingungen gelang es, absolute Armut einzudämmen. Im 19. Jahrhundert entstanden im Zusammenhang mit den Verelendungserscheinungen, die die industrielle Revolution auslöste, ökonomisch-biologische Armutsdeutungen, die im Vulgärliberalismus allen Hilfsstrategien den Boden entzogen. Dem trat der moderne Wohlfahrtsstaat entgegen. Resistente absolute Armut (z. B. das Weberelend) begründete die kirchliche Sozialarbeit (J. H. Wichern mit der »Inneren Mission«, 1848) und löste eine Welle bürgerlichen Engagements aus. Mit der Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung (1883-89 in Deutschland) wurde schließlich die absolute Armut zurückgedrängt, während die relative Armut als gesellschaftliches Problem erhalten blieb.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Entwicklungspolitik · Nord-Süd-Gefälle · Reichtum · Sozialpolitik · Sozialstaat · Wohlstand
 
Literatur:
 
B. Geremek: Gesch. der A. Elend u. Barmherzigkeit in Europa (1988);
 
A. im modernen Wohlfahrtsstaat, hg. v. S. Leibried u. a. (1992);
 A. Sen: Inequality Reexamined (New York 1992);
 W. Hübinger: Prekärer Wohlstand: neue Befunde zu A. und sozialer Ungleichheit (1996);
 A. B. Atkinson: Poverty in Europe (Oxford 1998);
 D. S. Landes: The Wealth and Poverty of Nations (New York 1998);
 W. Glatzer: Neuere Entwicklungen in der Armuts- u. Sozialberichterstattung, in: A. verstehen - A. bekämpfen. Armutsberichterstattung aus der Sicht der Statistik, hg. v. R. Fluder u. a. (Neuchâtel 1999);
 U. Neumann: Struktur u. Dynamik von A. Eine empir. Unters. für die Bundesrep. Dtl. (1999);
 R. Hauser u. Irene Becker: Einkommensverteilung im Querschnitt u. im Zeitverlauf 1973 bis 1998 (2001);
 
Bericht über die menschl. Entwicklung 2001, hg. v. Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (2001);
 
Weltentwicklungsbericht 2000/2001, hg. v. der Weltbank (2001).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Armutsstreit: Arme oder reiche Kirche?
 
soziale Frage: Ein Problem des 19. Jahrhunderts
 

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Ạr|mut, die; - [mhd. armuot(e), ahd. armuoti, aus ↑arm u. dem Suffix -ōti; schon ahd. fälschlich an Mut angelehnt]: 1. a) das Armsein, Mittellosigkeit, Bedürftigkeit: es herrscht drückende A.; „Armut“, heißt es wohl, „ist keine Schande“ (Th. Mann, Krull 148); dass sie ein Leben in A. führen müssen (Gruhl, Planet 178); in A. leben, geraten, sterben; b) Dürftigkeit, Kümmerlichkeit, Kargheit: innere A.; diese Schrift verrät A. des Ausdrucks; die A. des Geistes (das Freisein, Leersein von Äußerlichkeiten) und ... die tätige Erfahrung in der Einfalt des Herzens (Nigg, Wiederkehr 172); die A. (der Mangel) eines Landes an Bodenschätzen. 2. (veraltet) Gesamtheit der Armen: die Wohnungen der städtischen A.; ∙ <auch: das; -s:> Das A. ist mehrenteils ein freches Gesindel (Iffland, Die Hagestolzen II, 1); mag das A. sehn, wie's fertig wird (Lessing, Nathan IV, 3).

Universal-Lexikon. 2012.