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I Deutscher Orden
1199 beauftragte Papst Innozenz III. die »Brüder des der heiligen Maria geweihten Hospitals der Deutschen zu Jerusalem«, die bislang im Heiligen Land kranke Pilger gepflegt hatten, zusätzlich mit dem Heidenkampf. Damit war der Deutsche Orden als Ritterorden entstanden, der wie Templer und Johanniter die traditionellen Mönchsgelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam mit der Pflicht zu Heidenkampf und militärischem Pilgerschutz verband. Die Deutschordensritter trugen als Zeichen ihrer Ordenszugehörigkeit einen weißen Mantel mit schwarzem Kreuz. Ihr Aktionsfeld war zunächst das Heilige Land. Die Ritter kamen vor allem aus dem Deutschen Reich, wo dem Orden bald fromme Schenkungen zuflossen; die einzelnen Niederlassungen (Kommenden, denen ein Komtur vorstand) wurden gebietsweise zu Balleien zusammengefasst, die ihrerseits dem »Deutschmeister« unterstanden. Dem Gesamtorden stand der »Hochmeister« vor. Prägenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Ordens hatte der Hochmeister Hermann von Salza (1210-39): Durch die Goldbulle von Rimini (1226) ließ er sich von Kaiser Friedrich II. das Gebiet der heidnischen Prussen an der unteren Weichsel zu Heidenkampf und Mission übertragen und gleichzeitig die politischen Herrschaftsrechte in dem zu erobernden Land. Der Heidenkrieg, zu dem die Ordensritter verpflichtet waren, verlagerte sich bald danach vom Heiligen Land nach Osteuropa. Als Stützpunkte im Heidenland baute der Orden Burgen; die bekannteste Ordensburg wurde die Marienburg, die 1308-1456 Sitz des Hochmeisters war. Die »Goldbulle von Rimini« diente dem Orden als rechtliche Grundlage zur Errichtung des Ordensstaates; zur Erschließung des Landes warb der Orden deutsche Bauern als Siedler an und gründete Städte. Eine der frühesten Gründungen in Preußen war die Stadt Culm. Das ihr verliehene Stadtrecht, die »Culmer Handfeste«, geht auf eine Urkunde des Jahres 1233 zurück und ist zum Vorbild für die meisten preußischen Städte geworden.
Vom östlich der Weichsel gelegenen Prussenland, das ihm ursprünglich übertragen worden war, griff der Orden später nach Westen (Pommerellen mit Danzig, 1308) und Nordosten aus. Durch die Expansion entstanden Konflikte mit Polen, die allerdings keine nationalen und schon gar keine rassischen Gegensätze zwischen »Deutschtum und Slawen« waren. Der Ordenstaat gehörte zu einem System territorialer Machtstaaten, die durch konkurrierende Expansionsbestrebungen aneinander gerieten. In diesem Sinne wurde auch der 2. Thorner Friede von 1466, in dem der Orden Westpreußen und das Ermland an Polen abtreten musste, als Erfolg der militärisch überlegenen Gegner gewertet, die in diesem Fall die mit dem polnischen König verbündeten preußischen Stände waren. Erst die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hat diese Abtretung unter nationalem Vorzeichen als Auslieferung von Deutschen unter polnische Fremdherrschaft gewertet, so wie umgekehrt für die nationale polnische Geschichtsschreibung die Ordensritter nichts anderes als grausame Bösewichter waren, die unschuldige Völker unter ihr Joch gezwungen haben. Im Jahre 1525 wurde der größte Teil des säkularisierten Ordensstaates zum Herzogtum Preußen unter polnischer Lehnshoheit.
II
Deutscher Orden,
lateinisch Ọrdo Fratrum Dọmus Hospitalis Sạnctae Mariae Teutonicorum in Jerusalem, auch Deutscher Ritterorden, Deutschorden, lateinisch Ọrdo Teutonicus, Abkürzung OT, geistlicher Ritterorden (Orden); während des 3. Kreuzzuges bei der Belagerung Akkos 1190 von Lübecker und Bremer Kaufleuten als Krankenpflegeorden gegründet und 1198 in einen geistlichen Ritterorden umgewandelt. Hochmeistersitz war zunächst Akko (mit Unterbrechung 1230-71, wo er sich auf der Burg Montfort befand). Unter dem Hochmeister Hermann von Salza (1210-39) unterstützte der Deutsche Orden den ungarischen König Andreas II. gegen die heidnischen Kumanen im siebenbürgischen Burzenland, das der Orden 1211-25 als ungarisches Lehen besaß. 1226 ersuchte ihn Herzog Konrad von Masowien um Hilfe gegen die heidnischen Prußen. Kaiser Friedrich II. ermächtigte den Deutschen Orden durch die Goldene Bulle von Rimini (März 1226) zu eigener Herrschaft in Preußen, dessen Eroberung (ab 1230) nach 1280 vollendet war. Durch die Vereinigung mit dem Schwertbrüderorden 1237 fasste der Deutsche Orden in Livland und Kurland Fuß. Litauen konnte nicht bezwungen werden. In den Auseinandersetzungen mit dem Fürstentum Nowgorod erlitt der Orden 1242 in der Schlacht auf dem Eis des Peipussees gegen das Heer Alexander Newskis eine schwere Niederlage. 1308 gewann der Deutsche Orden Pommerellen mit Danzig, 1346 das bisher dänische Estland, 1398 Gotland und 1402 die Neumark; damit erreichte er seine größte Ausdehnung.
Oberhaupt des Deutschen Ordens (zugleich Landkomtur von Preußen) war der auf Lebenszeit vom Kapitel (großer Konvent) gewählte Hochmeister, der seinen Sitz 1291 von Akko nach Venedig, 1309 auf die Marienburg und 1457 nach Königsberg verlegte. Ihm zur Seite standen die fünf Großgebietiger: Großkomtur (Stellvertreter des Hochmeisters, zuständig für innere Verwaltung), Marschall (Kriegswesen), Spittler (Sanitätswesen), Trapier (Ausrüstung), Tressler (Finanzen). Darunter standen die Landkomture. Die Leitung des Ordens im Heiligen Römischen Reich oblag dem Deutschmeister, dem auch die Balleien Utrecht, Altenbiesen (im heutigen Belgien), Elsass-Burgund und Lombardei unterstellt waren. Die Mitglieder des Ordens (u. a. Ritter, Priester, Schwestern und Halbbrüder) waren auf die mönchischen Gelübde verpflichtet; umfassende Rechte kamen aber nur den Rittern zu. Der Hochmeister als Ordensoberer wurde durch die Goldene Bulle von Rimini (1226) den Reichsfürsten rechtlich gleichgestellt und konnte reichslehnbare Güter erwerben, besaß aber keine Lehnsfähigkeit. Der Ordensstaat war nicht reichszugehörig. Zur Ordenstracht wurde der weiße Mantel mit schwarzem Kreuz (daher auch der Name Kreuzritter).
Die nachhaltigste Leistung war die planmäßige Kultivierung und Besiedlung des Ordenslandes mit Deutschen, mit denen die prußische Bevölkerung verschmolz. Unter dem Hochmeister Winrich von Kniprode (1351-82) stand Preußen in hoher Wirtschafts- und Kulturblüte. Seine Städte (Danzig, Thorn, Elbing, Königsberg u. a.) gehörten der Hanse an.
Nach der Vereinigung Litauens mit Polen (1385) geriet der Deutsche Orden durch Gebietsstreitigkeiten in einen wachsenden Gegensatz zu Polen. Nach der Niederlage von Tannenberg gegen ein polnisch-litauisches Heer 1410 versuchte Hochmeister Heinrich von Plauen, den Orden zu reformieren und der sich gegen die Ordensherrschaft auflehnenden Stände und Städte Herr zu werden; er wurde 1413 gestürzt. Die Stände schlossen sich 1440 zum Preußischen Bund zusammen, in den auch der Eidechsenbund einging. Mit dem Rückhalt bei Polen bekämpfte der Preußische Bund den Deutschen Orden 13 Jahre lang. Im 2. Thorner Frieden (1466) musste dieser Pommerellen, das Culmer Land und das Ermland sowie die Städte Danzig, Elbing und Marienburg dem polnischen König überlassen und dessen Oberhoheit über das übrige preußische Ordensland anerkennen. Vergebens bemühten sich die Hochmeister Herzog Friedrich von Sachsen-Meißen (seit 1498) und Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach (Albrecht der Ältere, seit 1510/11) um Reichshilfe gegen Polen. 1525 schloss sich Albrecht der Ältere der Reformation an und trat Preußen an den polnischen König ab, der ihm das Land als Herzogtum unter polnischer Lehnshoheit zurückgab (Vertrag von Krakau). Schließlich stellte sich auch der letzte Landmeister von Livland Gotthard Kettler 1561 unter den Schutz Polens, da er sein Land gegen die Angriffe Iwans des Schrecklichen (Livländischen Krieg ab 1558) nicht mehr halten konnte. Die Säkularisation des Ordensstaates wurde von Kaiser, Papst und Deutschmeister nicht anerkannt. Der Deutschmeister Walter von Cronberg übernahm 1525/30 die Funktionen und Rechtsansprüche des Hochmeisters, nannte sich Hoch- und Deutschmeister und verlegte 1527 seinen Sitz nach Mergentheim.
Nach der Unterdrückung und faktische Auflösung in den Rheinbundstaaten durch Napoleon I. (1809) bestand der Deutsche Orden nur noch im Kaiserreich Österreich weiter. Im 19. Jahrhundert durch eine umfassende innere Reform geprägt, erfolgte 1839 auf der Grundlage neuer Statuten eine Erneuerung als Deutscher Ritterorden, wobei sich v. a. der Deutschordenspriester Peter Paul Rigler (* 1796, ✝ 1873) aus Südtirol um eine Verstärkung des priesterlichen Zweiges und eine Intensivierung des geistlichen Lebens (Exerzitien) verdient machte. Ab 1837 wurde auch der im Mittelalter erloschene weibliche Zweig neu begründet (Deutschordensschwestern), dessen Regel 1854 bestätigt wurde. V. a. sozial-karitativ (im Ersten Weltkrieg besonders im Feldsanitätswesen) tätig, wurde der Deutsche Orden bis 1923 von österreichischen Erzherzögen als »Hoch- und Deutschmeister« geleitet (1923 Amtsniederlegung Erzherzog Eugens, * 1863, ✝ 1954, seit 1894 Hochmeister). 1929 durch Papst Pius XI. in ein klerikales Institut päpstlichen Rechts (Regularkanoniker) umgewandelt, bestanden bis 1938/39 vier Balleien (Österreich, Schlesien, Tirol und Krain). Der Sitz des auf sechs Jahre gewählten Hochmeisters ist Wien (seit 1809). 1938 unterdrückte Hitler den Orden in Österreich, 1939 in der ČSR und während des Zweiten Weltkrieges in den anderen Provinzen. 1947 wurde der Orden in Österreich wiederhergestellt. In Deutschland gründeten v. a. aus der ČSR ausgewiesene Mitglied ab 1945 eine neue Ordensprovinz. In Jugoslawien (Slowenien) und der ČSR (der späteren ČSozialistischen Sowjetrepublik) war infolge staatlicher Repressionen die Ordenstätigkeit bis zum Zusammenbruch der kommunistischen Staatsordnungen nur in eingeschränktem Maße möglich. Heute besteht der Orden aus drei zusammengehörenden Instituten (Brüder, Schwestern, Familiaren) und ist für jedes Institut in sechs Provinzen gegliedert: Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien, Tschechien, Slowakei. Insgesamt gehören ihm (2000) rd. 80 Brüder in 40 Niederlassungen, rd. 240 Schwestern in über 30 Niederlassungen und rd. 700 Familiaren (Laien und Weltpriester) an. Sitz des Priors der Brüderprovinz Deutschland ist das Kloster Weyarn, Sitz der Provinzoberin der Schwesternprovinz Deutschland das Nikolaikloster in Passau. Hauptarbeitsfelder sind die Seelsorge in den Pfarreien und die Unterhaltung sozial-karitativer Einrichtungen, z. B. in Deutschland das 1990 gegründete und über 120 soziale Einrichtungen umfassende »Deutsch-Ordens-Hospitalwerk«. (Deutschordensburgen, Deutschordensdichtung)
Regesta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum 1198-1525, hg. v. E. Joachim u. W. Hubatsch, 2 Bde. (1949-50);
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N. von Holst: Der Dt. Ritterorden u. seine Burgen (1981);
Beitrr. zur Gesch. des D. O., hg. v. U. Arnold, Bd. 1 (1986);
H. Kluger: Hochmeister Hermann von Salza u. Kaiser Friedrich II. Ein Beitr. zur Frühgesch. des D. O.s (1987);
Unter Kreuz u. Adler. Der D. O. im MA., bearb. v. F. Bennighoven, Ausst.-Kat. (1990);
Stadt u. Orden. Das Verhältnis des D. O.s zu den Städten in Livland, Preußen u. im Dt. Reich, hg. v. U. Arnold (1993);
H. Boockmann: Der D. O. (41994);
W. Sonthofen: Der D. O. (Neuausg. 1995);
Universal-Lexikon. 2012.