Grịmm 〈m. 1; unz.; veraltet〉 tiefer, unterdrückter Zorn, verhaltene Wut [Substantivierung des Adj. grimm]
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grimmig.
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Grịmm,
1) Friedrich Melchior Freiherr von, Schriftsteller und Diplomat, * Regensburg 26. 12. 1723, ✝ Gotha 19. 12. 1807; lebte 1748-90 in Paris und gab dort handschriftlich 1753-73 alle zwei Wochen seine »Correspondance littéraire, philosophique et critique« heraus (zum Teil unter Mitarbeit von D. Diderot, Madame d'Épinay u. a.), die er an europäische Höfe sandte und in der ohne Rücksicht auf die französische Zensur über das geistige Leben Frankreichs berichtet wurde.
2) Georg, Jurist, * Rollhofen (heute zu Neunkirchen am Sand, Landkreis Nürnberger Land) 25. 2. 1868, ✝ Utting am Ammersee (Landkreis Landsberg am Lech) 26. 8. 1945. In Zusammenarbeit mit dem Indologen Karl Seidenstücker (* 1876, ✝ 1936) gründete er 1921 die »Buddhistische Gemeinde für Deutschland«, seit 1935 »Altbuddhistische Gemeinde«, deren Zentrum das »Buddhistische Haus G. Grimm« in Utting ist.
3) Gisela, Schriftstellerin, * Berlin 30. 8. 1827, ✝ Florenz 4. 4. 1889, Ȋ mit 5); Tochter von A. von Arnim; schrieb Märchen, an denen ihre Mutter Bettina von Arnim zum Teil mitarbeitete: »Aus den Papieren eines Spatzen« (1848), »Das Leben der Hochgräfin Gritta von Rattenzuhausbeiuns« (herausgegeben von O. Mallon, 1926); auch Dramen.
4) Hans, Schriftsteller, * Wiesbaden 22. 3. 1875, ✝ Lippoldsberg (heute zu Wahlsburg, Landkreis Kassel) 27. 9. 1959; lebte 13 Jahre als Kaufmann in der Kapprovinz; ab 1918 in Lippoldsberg; begründete mit den »Südafrikanischen Novellen« (1913) die deutsche Kolonialdichtung. Sein tendenziöser Kolonialroman »Volk ohne Raum« (1926, 2 Bände), dessen Titel zum nationalsozialistischen Schlagwort wurde, schildert das Schicksal eines deutschen Kolonisten. In einigen seiner Werke aus der Zeit nach 1945 bestritt Grimm die alleinige deutsche Kriegsschuld.
Weitere Werke: Der Ölsucher von Duala. Ein Tagebuch (1918); Die Olewagen-Saga (1918, Erzählungen); Das deutsche Südwester-Buch (1929); Der Richter in der Karu u. a. Geschichten (1930); Englische Rede (1938); Rückblicke (1950, Autobiographie); Die Erzbischofschrift (1950); Suchen und Hoffen (herausgegeben 1960, Autobiographie).
5) Herman, Kunst- und Literarhistoriker, * Kassel 6. 1. 1828, ✝ Berlin 16. 6. 1901, Sohn von 9), Ȋ mit 3); seit 1873 Professor für Neuere Kunstgeschichte in Berlin, schrieb Essays zur Literatur- und Kunstgeschichte und Biographien. Durch Berliner Vorlesungen Grimms 1874-75 wurde eine Goethe-Renaissance eingeleitet.
Werke: Essays über Kunst und Literatur, 4 Bände (1859-60); Das Leben Michelangelos, 2 Bände (1860-63); Das Leben Raphaels von Urbino (1872); Goethe, 2 Bände (1877); Homer. Ilias, 2 Bände (1890-95).
Ausgabe: Essays, herausgegeben von R. Welz (1964).
W. Moritz: H. G. (1986).
6) Jacob, Germanist, * Hanau 4. 1. 1785, ✝ Berlin 20. 9. 1863, Bruder von 7) und 9); gilt als der eigentliche Begründer der germanischen Altertumswissenschaft, der germanischen Sprachwissenschaft und der deutschen Philologie. Sein Leben und Werk war aufs Engste mit dem seines Bruders Wilhelm verbunden (Haus- und Arbeitsgemeinschaft).
Grimm studierte seit 1802 bei F. K. von Savigny in Marburg Jura; im Herbst 1805 wurde er in Kassel Kriegssekretariatsakzessist, 1808 Privatbibliothekar des Königs Jérôme, 1809 zugleich Staatsratsauditeur. 1814/15 nahm er als Legationsrat am Wiener Kongress teil. Um mehr Zeit für eigene Arbeiten zu haben, zog er 1816 einer Professur in Bonn die Stelle des zweiten kurfürstlichen Bibliothekars in Kassel vor. 1830 folgte er mit seinem Bruder Wilhelm einem Ruf nach Göttingen, wo er als Bibliothekar und Professor tätig war. Ihre Teilnahme am Protest der Göttinger Sieben hatte Amtsenthebung und Ausweisung zur Folge; sie kehrten 1837 nach Kassel zurück. In dieser Zeit wurde von dem Leipziger Germanisten M. Haupt und dem Verleger G. A. Reimer der Plan zum »Deutschen Wörterbuch« an die Brüder herangetragen. 1840 berief Friedrich Wilhelm IV. die Brüder als Mitglieder der Akademie der Wissenschaften nach Berlin, wo sie von 1841 an wirkten. 1846 wurde Grimm zum Präsidenten der ersten Germanistenversammlung in Frankfurt am Main gewählt; 1848 zog er als Abgeordneter in die Frankfurter Nationalversammlung ein.
Von entscheidendem Einfluss auf Grimm war die Begegnung mit F. K. von Savigny, durch dessen rechtshistorische Forschungen er einerseits auf die historische Methode mit exakter Quellen- und Detailforschung verwiesen, zum anderen auf die altdeutsche Literatur aufmerksam wurde. Auf dieser Basis und angeregt durch die Freundschaft mit den zu dem Kreis der »Heidelberger Romantik« gehörenden Herausgebern der Liedsammlung »Des Knaben Wunderhorn«, C. Brentano und A. von Arnim, begann, unter Mithilfe auch anderer Personen, wie A. von Haxthausen und Anette von Droste-Hülshoff, die Sammeltätigkeit der Brüder. Sie fand ihren Niederschlag besonders in den großen von den Brüdern gemeinsam herausgegebenen Sammlungen, von denen die der »Kinder- und Hausmärchen« (1812-15, die Anmerkungen als Band 3, 1822; neu bearbeitet von J. Bolte und G. Polívka, 5 Bände, 1913-32; zuletzt herausgegeben von H. Rölleke, 3 Bände, 1980) die größte Popularität erlangte. Der Sammeleifer war getragen von der Vorstellung eines mythologischen nichtindividuellen Ursprungs der Märchen. Grimms »Circularbrief« von 1815, in dem er zum Sammeln von »Volkspoesie« aufrief und mit dem er grundlegende Wege der methodischen Materialaufnahme beschritt, ist zuweilen als »Geburtsurkunde der Volkskunde« bezeichnet worden. Dagegen ist die Bearbeitung der Märchen v. a. das Verdienst Wilhelms.
Nach der Herausgabe der »Deutschen Sagen« (1816-18, 2 Bände, Vorreden von Grimm; neu herausgegeben von L. Röhrich, 1965), des letzten großen gemeinsamen Sammelwerks der Brüder, wandte Grimm sein Interesse verstärkt der Philologie zu. Die Frucht der ersten Begegnung mit altdeutscher Literatur war die Veröffentlichung »Über den altdeutschen Meistergesang« (1811). Grimms Ruf als bedeutendster Sprachforscher seiner Zeit begründete die 1819 erstmals erschienene »Deutsche Grammatik«, die er in der Folgezeit erweiterte und zum Teil völlig umarbeitete (bis 1837 4 Teile; neu herausgegeben von W. Scherer, G. Roethe und E. Schröder 1870-98). Das Werk ist in vergleichender Betrachtung eine historische Grammatik der germanischen Sprachen. Bei der Arbeit an diesem »Grundbuch der germanischen Philologie«, das erstmals die Sprache in ihrem organischen Wachstum zu registrieren suchte, entdeckte Grimm die Gesetzmäßigkeit des Lautwandels, des Ablautes und des Umlautes, systematisierte die schon durch R. Rask vorbereiteten Erkenntnisse bezüglich der Lautverschiebungen und erweiterte entscheidend das Wissen um die Verwandtschaft der germanischen und indogermanischen Sprachen. Mit diesem Werk erarbeitete sich Grimm auch das methodische Rüstzeug für weitere Publikationen. 1828 erschienen seine »Deutschen Rechts-Alterthümer« (41899, herausgegeben von A. Heusler und Rudolf Hübner, * 1864, ✝ 1945, mit Register; Neudruck 1985), eine germanische Rechtsgeschichte unter Einbeziehung sowohl der Rechtssymbolforschung als auch der Rechtsarchäologie. Das zusammengetragene Material reichte von Tacitus' »Germania« bis in die Gegenwart, unter ausdrücklicher Einbeziehung nordischer und angelsächsischer Quellen. Auch für die »Deutsche Mythologie« (1835, Nachdruck 1985) zog Grimm die »Germania« heran, die er im gleichen Jahr im lateinischen Text herausgab. Angeregt durch die Arbeit an den Rechtsaltertümern war diejenige an den »Weistümern« (1840-78, 7 Bände), einer Sammlung altdeutscher Bauernrechte, von denen zu seinen Lebzeiten die ersten drei Teile erschienen. Seine »Geschichte der deutschen Sprache« (1848, 2 Bände), die besonders jene germanischen Sprachen behandelt, die ohne schriftliche Überlieferung geblieben sind, wurde von der Kritik nicht mehr durchweg positiv aufgenommen. - In der Fülle seiner Publikationen (Aufsätze, Akademieabhandlungen, Rezensionen usw.) zu allen Gebieten der germanischen Philologie nehmen seine Editionen altdeutscher, altnordischer, angelsächsischer, mittellateinischer und lateinischer Werke (zum Teil gemeinsam mit Wilhelm) einen wichtigen Platz ein (»Das Lied von Hildebrand und Hadubrand«, 1812; »Edda«, 1815; »Der arme Heinrich« des Hartmann von Aue, 1815; »Reinhart Fuchs«, 1834; »Germania« des Tacitus, 1835; »Lateinische Gedichte des X. und XI. Jahrhunderts«, herausgegeben mit A. Schmeller, 1838). Die umfassendste gemeinsame Arbeit, das Deutsche Wörterbuch, musste unvollendet bleiben. - Von großer Bedeutung ist der ausgedehnte Briefwechsel von Grimm mit Dichtern, deutschen und ausländischen Gelehrten und Freunden. Eine Selbstbiographie erschien in Band 1 und Band 8 der »Kleineren Schriften«.
Ausgaben: Kleinere Schriften, hg von K. Müllenhoff und E. Ippel, 8 Bände (1864-90, Nachdruck 1963-66); Briefe an Georg Friedrich Benecke aus den Jahren 1808-1829, herausgegeben von W. Müller (1889); Briefwechsel der Brüder Grimm, herausgegeben von A. Leitzmann (1923); Briefwechsel der Brüder J. und W. Grimm mit K. Lachmann, herausgegeben von demselben, 2 Bände (1927); Briefwechsel der Brüder Grimm mit F. Zarncke, herausgegeben von demselben (1934); Briefwechsel zwischen J. Grimm u. K. Goedeke, herausgegeben von J. Bolte (1927); Briefe der Brüder Grimm an Savigny, herausgegeben von W. Schoof u. a. (1953); Unbekannte Briefe, herausgegeben von demselben (1960); Briefwechsel zwischen J. und W. Grimm aus der Jugendzeit, herausgegeben von H. Grimm u. a. (21963); Die Grimms und die Simrocks in Briefen. 1830-1864, herausgegeben von W. Ottendorff-Simrock (1966); Briefwechsel zwischen J. und W. Grimm, Dahlmann und Gervinus, herausgegeben von E. Ippel, 2 Bände (Neuausgabe 1973); Briefwechsel der Brüder Grimm mit nordischen Gelehrten, herausgegeben von Ernst Schmidt (Neuausgabe 1974); Selbstbiographie. Ausgewählte Schriften, Reden und Abhandlungen, herausgegeben von U. Wyss (1984); Brüder Grimm, Volkslieder, Textband herausgegeben von C. Oberfeld u. a. (1985); J. und W. Grimm. Sämtliche Werke, herausgegeben von Ludwig E. Schmitt und anderen, auf 45 Bände berechnet (1985 folgende, zum Teil Nachdruck älterer Einzelausgaben).
W. Scherer: J. G. (21885, Nachdr. 1985);
Achim von Arnim u. die ihm nahestanden, hg. v. R. Steig u. a., Bd. 3 (1904, Nachdr. 1970);
R. Steig: Clemens Brentano u. die Brüder G. (1914, Nachdr. 1969);
R. Steig: Goethe u. die Brüder G. (Neuausg. 1972);
W. Schoof: J. G. (1961);
Brüder-G.-Gedenken, hg. v. L. Denecke u. a., bisher 7 Bde. (1963 ff.);
L. Denecke: J. G. u. sein Bruder Wilhelm (1971);
R. Michaelis-Jena: Die Brüder G. (a. d. Engl., 1980);
Die Brüder G., Dokumente. .., hg. v. D. Hennig u. a. (1985);
H. Scurla: Die Brüder G. (1985);
G. Seitz: Die Brüder G. (21985);
H. Gerstner: Brüder G. in Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten (30.-32. Tsd. 1987);
H. Gerstner: Brüder G. (36.-38. Tsd. 1994).
7) Ludwig Emil, Radierer und Maler, * Hanau 14. 3. 1790, ✝ Kassel 4. 4. 1863, Bruder von 6) und 9); war ab 1832 Professor an der Akademie in Kassel. Er schuf v. a. Radierungen (besonders Porträts), ferner zahlreiche Bleistiftzeichnungen und Aquarelle, die auch Einblick in Leben und Arbeit seiner Brüder geben.
Graphik v. L. E. G. Louis, der jüngste der Brüder, bearb. v. C. Graepler (1985).
8) Robert, schweizerischer Politiker, * Hinwil 16. 4. 1881, ✝ Bern 8. 3. 1958; Buchdrucker, 1908-18 Chefredakteur der »Berner Tagwacht«, führendes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS), 1911-55 Nationalrat; suchte mit der Zimmerwalder Konferenz (5.-8. 9. 1915) die Friedensvorstellungen vieler Sozialisten zu artikulieren und international zu organisieren.
Schrift: Das sozialdemokratische Arbeitsprogramm (1925).
A. McCarthy: R. G. Der schweizer. Revolutionär (Bern 1989).
9) Wilhelm, Germanist, * Hanau 24. 2. 1786, ✝ Berlin 16. 12. 1859, Vater von 5), Bruder von 6) und 7). Sein Lebensgang war eng mit dem seines Bruders Jacob verknüpft. Mit diesem ging er 1830 nach Göttingen, gehörte gleichfalls den Göttinger Sieben an, ging 1837 nach Kassel und 1841 nach Berlin. Dem Bruder geistesverwandt, mit ihm durch gemeinsame Arbeiten (»Kinder- und Hausmärchen«, »Deutsches Wörterbuch«) verbunden, beschränkte er sich in seinen Themen stärker als dieser. Dass die »Kinder- und Hausmärchen« zum Volksbuch geworden sind, ist besonders seinem Erzähltalent zu danken, das den naiven Märchenton besser traf, als es vordem einem Dichter gelungen war; direkte Rede, Einbau von Versen gaben den Märchen größere Lebendigkeit. Seine Arbeiten zur Sagenforschung wie auch seine zahlreichen Ausgaben altdeutscher Dichtungen und Sprachdenkmäler mit den ihnen beigegebenen literarhistorischen und sprachlichen Untersuchungen sind von bleibendem Wert.
Werke: Über deutsche Runen (1821, Nachdruck 1988); Die deutsche Heldensage (1829); Konrad von Würzburgs Silvester (1841); Über Freidank, 2 Bände (1850-55).
Herausgeber: Altdänische Heldenlieder, Balladen und Mährchen (1811); Grave Rudolf (1828); Vridankes Bescheidenheit (1834); Conrad von Würzburg, die goldene Schmiede (1836).
Ausgaben: Kleine Schriften, herausgegeben von G. Hinrichs, 4 Bände (1881-87); Briefwechsel zwischen Jenny von Droste-Hülshoff und W. Grimm, herausgegeben von K. Schulte (1929, Nachdruck 1978); Nibelungenkolleg, bearbeitet von E. Ebel (1985).
E. Neumann: W. G. (1959);
W. Schoof: W. G. (1960).
Weitere Literatur: Grimm, Jacob.
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Grịmm, der; -[e]s [subst. Adj. aus der mhd. Fügung grimmer muot = zorniger Sinn] (geh. veraltend): heftiger Zorn; verbissene Wut: dumpfer, wilder G.; nach der Nachricht, dass er im Saal nicht auftreten konnte, war sein G. noch heftiger (Konsalik, Promenadendeck 105); seinen G. verbergen, unterdrücken; voller G. sein.
Universal-Lexikon. 2012.