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Gartenkunst
Gạr|ten|kunst 〈f. 7u; unz.〉 Anlage u. Pflege eines Gartens nach künstlerischen, gartenarchitektonischen Gesichtspunkten ● die Briten sind für ihre \Gartenkunst weltbekannt

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Gạr|ten|kunst, die:
Kunst der ästhetischen Gestaltung von Ziergärten u. Parks.

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Gartenkunst,
 
Gartengestaltung, die künstlerische Gestaltung begrenzter Freiräume durch Pflanzen, Wege, Anschüttungen, Planierungen, Architekturelemente, Wasserspiele und Bildwerke. In der Gartenkunst wurden zum Teil Vorstellungen vom Paradiesgarten, von Arkadien und vom Götterhain verwirklicht.
 
Im Altertum war der Garten der Ägypter streng symmetrisch. Große Gärten besaßen die Tempel; ihre Gestaltungsmittel waren Bäume und Sträucher in Reihen, Blumenbeete, Weinlauben u. a. Den Mittelpunkt der rechteckigen Anlage bildete ein Teich oder ein Wasserbassin mit Kanälen. Gärten wurden als Abbild der mythologisch verstandenen Welt gestaltet und dienten auch der Versorgung der Götter mit Früchten und Blumen. In den Palastgärten führten Treppen zum Nil hinab. Die Babylonier legten ausgedehnte Terrassengärten mit unterirdischen Bewässerungsanlagen an (z. B. die »Hängenden Gärten der Semiramis«). Bei den Assyrern gab es königliche Jagd- und Tierparks mit landschaftlichem Charakter, mit künstlichen Hügeln, auf denen Pavillons standen, durchzogen von Kanälen und Schilfteichen. Die Perser verbanden ausgedehnte, in Wäldern angelegte Tierparks und mit Baumreihen regelmäßig bepflanzte Gartenterrassen. Die Griechen hatten als öffentliche Anlagen Baumhaine an Tempeln und Gymnasien. In hellenistischer Zeit entwickelte sich in Alexandria, Antiochia am Orontes u. a. Städten unter orientalischem Einfluss eine neue Gartenkultur mit Brunnen, Baumalleen, Blumenbeeten, Pavillons, künstlich aufgetürmten Felsen und Grotten und mechanischen Wasserkünsten (mit Requisiten). Bei den Römern gab es private Gartenhöfe (u. a. Pompeji, Haus der Vettier) und städtische Säulenhöfe (Portikus) bei Plätzen, Thermen, Theatern usw. mit gärtnerischen Anlagen. Große Villengärten außerhalb der Städte wurden mit Bezug auf landschaftliche Gegebenheiten (Quellen, Ausblicke, Hanglagen) nicht unbedingt symmetrisch, aber in strenger architektonischer Form angelegt mit Stützmauern, Terrassen, Wandelgängen, Treppen, Statuen, Vasen, Grotten, Wasserfällen, Springbrunnen, Bädern, Nymphäen, Kanälen, Inseln, Pavillons und geometrisch beschnittenen Bäumen und Sträuchern (Hadriansvilla).
 
Die Gartenkunst der islamischen Welt entstand nach persischen Vorbildern, übernahm aber auch manche Züge der Spätantike. Die persischen Gartenteppiche (frühestes erhaltenes Beispiel aus dem 17. Jahrhundert) zeigen ein durch zwei Achsen (überhöht angelegte Wege und/oder Kanäle) in vier Teile gegliedertes Rechteck, im Schnittpunkt liegt ein Becken, an den Schmalseiten Pavillons, andere haben auch nur einen Kiosk. Die Mogulkaiser übertrugen diesen Gartentyp nach Indien (Srinagar), jetzt auch als Teil einer Grabanlage; das Grabmal erhebt sich im Schnittpunkt der Kanäle (Agra, Grabmal des Itimad ud-Daula) oder an einer Schmalseite (Taj Mahal). Auch die maurische Gartenkunst übernahm die Vierteilung, charakteristisch für den in die Palastarchitektur integrierten Garten sind hier auch symmetrische Pavillons an den Schmalseiten, Kanäle oder erhöhte, oft gekachelte Wege, offene Empfangssäle und plätschernde Brunnen (z. B. Alhambra).
 
Die im Mittelalter beginnende Gartenkunst des Abendlandes arbeitete und plante geometrisch. Die Gärten (Burggarten, Klostergarten) waren meist von Mauern oder Gebäuden umgeben (lateinisch hortus conclusus). Angepflanzt wurden v. a. Nutz- und Heilpflanzen.
 
In der italienischen Renaissance, deren Gartenkunst an den römischen Villengarten anknüpfte, entstand der regelmäßig angelegte Ziergarten mit Bassins, Hecken und Beeten, mit Laubengängen, immergrünen Gehölzen, einzeln stehenden Zypressen und Pinien (Villa d'Este in Tivoli, Boboli-Garten in Florenz, Villa Medici und Villa Borghese in Rom). In Deutschland entstanden im 16. Jahrhundert bedeutende Gartenanlagen bei Bürgerhäusern (Augsburg, Nürnberg), in Frankreich bei Landschlössern (Villandry). Ab etwa 1600 entwickelte Holland einen eigenen, auf Blumenzucht (Tulpen, Narzissen) gerichteten Gartenstil mit kleinen Beeten, Hecken, Alleen und Wasserläufen in strenger Regelmäßigkeit (u. a. Het Oude Loo bei Apeldoorn).
 
Im Barock übernahm Frankreich auf dem Gebiet der Gartenkunst die führende Rolle. Die französischen Gärten waren als Repräsentationsgärten auf die Schlossarchitektur bezogen und streng getrennt von der natürlichen Umgebung, dafür durch Fernsichten, die von Alleen und Wassergräben betont wurden, perspektivisch erweitert. A. Le Nôtre entwarf im 17. Jahrhundert den symmetrisch um eine Mittelachse angeordneten und mit Bosketten und Blumenrabatten, einem reichen Programm von Bildwerken und Steinvasen, Bassins und Kanälen, Irrgarten, Naturtheater, Orangerie und Freitreppen ausgestatteten Typus des französischen Barockgartens (z. B. Vaux-le-Vicomte, Versailles). Er war bald Vorbild für Schlossparkanlagen in ganz Europa (u. a. in England Hampton Court; in Spanien Aranjuez; in Schweden Drottningholm; in Russland Peterhof; in Deutschland Hannover-Herrenhausen, Ludwigsburg, Würzburg, Schleißheim, Nymphenburg, Brühl; in Österreich Belvedere und Schönbrunn, Wien). In England erfolgte bereits um 1730 ein Stil- und Geschmackswandel zum malerisch geprägten Landschaftsgarten mit geschwungenen Wegen, weiten Rasenflächen und natürlichen Baumgruppen. Der englische Garten war mit künstlichen Ruinen, Einsiedeleien, Tempeln, exotische Bauten und Denkmälern ausgestattet. Durch gestaltende Eingriffe in die Landschaft über den Garten hinaus und durch Alleen, Blickpunkte und Ausholzungen wurde ein Übergang zwischen Garten und freier Landschaft geschaffen (Chiswick House, heute zu London, von W. Kent und Richard Boyle 3. Earl of Burlington; Rousham Hall, Oxfordshire, Claremont Park bei London und Stowe House, Buckinghamshire, von W. Kent; Stourhead; Blenheim Palace von L. Brown; Kew Gardens, heute zu London, von W. Chambers). In Deutschland entstanden im 18. Jahrhundert, zum Teil unter Vermischung englischer und französischer Vorbilder, die Parkanlagen von Wörlitz, Schwetzingen, Kassel-Wilhelmshöhe und die Parks des Fürsten Pückler in Muskau (heute Bad Muskau). Der Typus des englischen Gartens wurde auch für öffentliche Parks maßgebend (Englischer Garten in München, ab 1789; Bois de Boulogne in Paris, 1853; Central Park in New York von F. L. Olmsted, ab 1858). Um 1864 entstanden mit den Schrebergärten neue Gartenanlagen am Rande der Städte, die jedoch v. a. als Nutzgarten angelegt wurden. Hauptaufgaben der Gartenkunst im 20. Jahrhundert sind Stadtdurchgrünung und die Anlegung von Erholungszonen mit dem Ziel, überall dort planend und aufbauend einzugreifen, wo infolge geballter Ansiedlung, Verdichtung des Verkehrs, industrieller Eingriffe und einseitiger Nutzung der Forst- und Landwirtschaft Schäden entstanden sind oder zu entstehen drohen, die die Gesundheit des Menschen gefährden. Neben die künstlerischen Gesichtspunkte traten damit wirtschaftliche, hygienische und soziale Kriterien, die auch der formalen Gestaltung neue Wege weisen. Die Erhaltung und Wiederherstellung bedeutender historischer Gärten obliegt der Gartendenkmalpflege.
 
In China gab es bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. kaiserliche Gärten, u. a. der Yihe yuan (»Sommerpalast«; 1860 durch englische Truppen zerstört, Ende des 19. Jahrhunderts wieder aufgebaut) und der Beihaipark in Peking. Beispielhaft für den intimeren Literatengarten, der als Refugium und Ort des sozialen Kontaktes zwischen Angehörigen der gebildeten Elite diente, sind die v. a. in Suzhou und Hangzhou erhaltenen Anlagen des 16. Jahrhunderts. Der chinesische Garten ist als Miniaturlandschaft und Abbild eines idealen Universums konzipiert. Wesentliche Bestandteile sind künstlich angelegte Seen, Berge und Hügel, ungewöhnlich geformte Steine und Vegetation, die jeweils ein Höchstmaß an Natürlichkeit aufweisen und die ordnende Hand des Menschen nicht unmittelbar erkennen lassen sollen. Durch die Einbeziehung von Architekturelementen wie Pavillons, Hallen, Brücken und Wandelgänge wird der Garten begehbar. Er bietet dem Betrachter Blickpunkte, die die weitere Umgebung mit einbeziehen (jiejing = »geborgte Landschaft«). Durchgänge und Eingänge sind mit in Holz geschnittenen Werken der Schriftkunst (Kalligraphie) geschmückt. Durch literarische Anspielungen stellen sie das Gebäude oder den Blickpunkt unter ein poetisches Motto.
 
Der japanische Garten entwickelte sich wie der chinesische vor einem religiös-zeremoniellen Hintergrund. Er ist nicht Lebens-, sondern Blickraum: Er gleicht einem Gemälde mit vorgetäuschter Tiefe, kann aber auch echte Tiefe aufweisen, wenn es sich um einen Park mit wechselnden, im Gehen erfassbaren Bildeinheiten handelt (Wandelgarten). Besteht der Garten nur aus einem schmalen Streifen parallel zum Haus, dessen Komposition in allgemein verkleinernden Proportionen nur vom Zimmer oder der Veranda aus betrachtet wird, so schafft man die Illusion der Tiefe durch eine Wasserfläche im Vordergrund, Dreiecksgruppen von Steinen oder kleine Steine von bizarrer Form, die kleine Bäume groß und kugelig geschnittene Sträucher wie Hügel wirken lassen. Stets soll der Garten ein Bild der Landschaft in ihrer Ganzheit sein.
 
Man unterscheidet Hügelgärten, in denen Steine, Erdaufschüttungen oder gerundet geschnittene Sträucher die Berge darstellen, flache Gärten, oft nur mit einem Rinnsal und Steinen, sowie Wald-Wasser-Gärten, manchmal mit Inseln, auch »Landschaftsgärten zum Spazierengehen« genannt. - Meist stellte man reale Landschaften dar, ursprünglich chinesische Motive nach literarischen Vorbildern, später auch japanische Motive, z. B. die Tōkaidō-Stationen oder den Berg Fuji (z. B. im Suizen-ji in Kumamoto). Entwicklungsgeschichtlich unterteilt man in drei Perioden: 1) Die nur aus der Überlieferung bekannten, chinesisch beeinflussten Palastgärten der Heianzeit (794-1185) mit See und Insel. Variationen hiervon sind der Paradiesstil-Garten mit einem Lotosteich vor der Amidahalle (z. B. im Byōdō-in bei Uji) und der fürstliche Wandel- oder Lustgarten, ausgestattet mit wohlplatzierten Pavillons und Sommerhäusern, deren schöne Ausblicke zum Teil in Rundfenstern »gerahmt« sind. 2) Die Zen- oder Abtshausgärten, die nicht betreten, sondern vom Haus aus betrachtet werden (u. a. Ginkaka-ji und Ryōan-ji in Kyōto). Der Moosgarten des Saihō-ji in Kyōto ist jedoch ein zum Spazierengehen ausgebauter Zengarten. 3) Teehausgärten (seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts) sind schmale Streifen als Zugang zum Teehaus, sie sollen dem, der sie durchschreitet, das Gefühl von Einsamkeit geben und seine innere Sammlung fördern: ohne blühende Pflanzen, mit »weggeworfenen Steinen« am Wegesrand, Steinlaterne und niedrigem Wasserbecken.
 
Wasser gehört in jede Gartenlandschaft und wird selbst in dem zur Kontemplation bestimmten »trockenen Garten« durch wellenlinig geharkten Sand, Moosflächen, Kiesel oder felsige Ufer dargestellt. Zur Bepflanzung dienen immergrüne Pflanzen. Steine und Bäume sind nach bestimmten Regeln gesetzt und tragen ihrem Platz und ihrer kosmischen Symbolik entsprechende Namen.
 
Der Kenroku-in in Kanazawa, der Ritsurin-kōen in Takamatsu und der Kōraku-en in Okayama gelten in Japan als die drei schönsten Gartenanlagen.
 
Literatur:
 
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Park u. Garten im 18. Jh. Colloquium der Arbeitsstelle 18. Jh. der Gesamthochschule Wuppertal (1978);
 W. H. Adams: The French garden, 1500-1800 (New York 1979);
 F. R. Cowell: G. (a. d. Engl., 1979);
 C. Thacker: Die Gesch. der Gärten (a. d. Engl., Zürich 1979);
 A. von Buttlar: Der Landschaftsgarten (1980);
 K. Henning: Jap. G. Form, Gesch., Geisteswelt (1980);
 I. Schaarschmidt-Richter: Der jap. Garten (21980);
 I. Dennerlein: Die G. der Régence u. des Rokoko in Frankreich (1981);
 K. Wiese: G. u. Landschaftsgestaltung in Japan (1982);
 W. Hansmann: G. der Renaissance u. des Barock (1983);
 E. T. Morris: The gardens of China (New York 1983);
 
Gartendenkmalpflege, hg. v. D. Hennebo (1985);
 
Die Gärten Japans, bearb. v. T. Itō (a. d. Amerikan., 1985);
 
G. im Spiegel der Zeit, bearb. v. T. Wengel (Leipzig 1985);
 D. Hennebo: Gärten des MA. (Neuausg. 1987);
 G. Mader u. L. Neubert-Mader: Ital. Gärten (1987);
 M. Keswick: Chin. Gärten (a. d. Engl., 1989);
 
Kunst u. Architektur engl. Gärten, bearb. v. J. Brown (a. d. Engl., 1991);
 
Gärten der Goethe-Zeit, hg. v. H. Günther (1993);
 
Die G. des Abendlandes, bearb. v. M. Mosser u. a. (a. d. Ital., 1993);
 
Histor. Gartenatlas, bearb. v. V. Vercelloni (a. d. Ital., 1994);
 
Fürst Pückler u. die G., bearb. v. R. B. Emde u. W. Herrmann (Neuausg. 1995).
 

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Gạr|ten|kunst, die: Kunst der ästhetischen Gestaltung von Ziergärten u. Parks: Im Städtebau und in der G. verbindet sich die Architektur der Plastik in dem Streben nach künstlerischer Ordnung der öffentlichen Lebensräume des Menschen (Bild. Kunst III, 7).

Universal-Lexikon. 2012.