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Gesetz
Verfügung; Verordnung; Dienstvorschrift; Reglement; Vorschrift; Order (Militär); Regel; Richtlinie; Recht; Dekret; Kodex; Gebot; Edikt; Codex; Erlass

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Ge|setz [gə'zɛts̮], das; -es, -e:
1. [vom Staat erlassene] rechtlich bindende Vorschrift:
ein Gesetz beschließen, ratifizieren, verabschieden; gegen ein Gesetz verstoßen.
Syn.: Erlass, Gebot, Richtlinie.
Zus.: Arbeitsschutzgesetz, Arzneimittelgesetz, Beamtengesetz, Betäubungsmittelgesetz, Bundesgesetz, Devisengesetz, Ehegesetz, Einwanderungsgesetz, Grundgesetz, Handelsgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Jugendschutzgesetz, Landesgesetz, Naturschutzgesetz, Notstandsgesetz, Schulgesetz, Strafgesetz, Tierschutzgesetz.
2. festes Prinzip, das das Verhalten oder den Ablauf von etwas bestimmt:
die Gesetze der Natur; das Gesetz der Serie; nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Syn.: Grundsatz, Regel.
Zus.: Fallgesetz, Gravitationsgesetz, Hebelgesetz, Lautgesetz, Moralgesetz, Naturgesetz.

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Ge|sẹtz 〈n. 11
1. Ordnungsregel, aufgrund deren etwas ist od. geschieht (Natur\Gesetz) od. die vorschreibt, dass od. wie etwas sein od. geschehen soll (Staats\Gesetz), Verordnung
2. Rechtsvorschrift (Straf\Gesetz)
3. Verfassung, Satzung (Grund\Gesetz)
4. Regel, Richtschnur, Grundsatz
● die \Gesetze der Dichtkunst; das \Gesetz des freien Falles ● ein \Gesetz abschaffen, aufheben, befolgen, brechen, verletzen; ein \Gesetz auslegen; ein \Gesetz erlassen; das \Gesetz tritt am 1.4.2007 in Kraft; das \Gesetz übertreten ● ein ästhetisches, ethisches, moralisches \Gesetz; harte, strenge \Gesetze; die mendelschen \Gesetze; ein ungeschriebenes \Gesetz ● auf dem Boden des \Gesetzes stehen; durch die Maschen des \Gesetzes schlüpfen 〈fig.〉; das ist gegen alles Recht und \Gesetz; sich gegen das \Gesetz vergehen; gegen ein \Gesetz verstoßen; eine Lücke im \Gesetz finden, durch die man schlüpfen kann; im Namen des \Gesetzes erkläre ich Sie für verhaftet; mit dem \Gesetz in Konflikt geraten; ... nach dem \Gesetz, wonach du angetreten (Goethe, Urworte); sich selbst etwas zum \Gesetz machen [<mhd. gesetze;setzen]

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Ge|sẹtz , das; -es, -e [mhd. gesetze, gesetzede, ahd. gisezzida, eigtl. = Festsetzung, zu setzen]:
1. vom Staat festgesetzte, rechtlich bindende Vorschrift:
ein strenges G.;
das G. zum Schutz von Minderjährigen;
ein G. tritt in Kraft;
ein G. beschließen, erlassen, verabschieden;
die -e einhalten, brechen;
gegen die -e verstoßen;
eine Lücke im G. finden (einen im Gesetz nicht berücksichtigten Fall ausnutzen);
vor dem G. sind alle gleich (bei der Rechtsprechung sollen keine Unterschiede nach Klasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion o. Ä. gemacht werden);
mit dem G. in Konflikt geraten (straffällig werden);
im G. (Gesetzbuch) nachschlagen.
2. einer Sache innewohnendes Ordnungsprinzip; unveränderlicher Zusammenhang zwischen bestimmten Dingen u. Erscheinungen in der Natur:
das G. des Marktes, der Schwerkraft;
die -e der Logik;
das G. des Handelns (zwingende Notwendigkeit zu handeln);
das G. des Dschungels (Gesetz- u. Rechtlosigkeit; Verhaltensweise, bei der jedes Mittel erlaubt scheint).
3. feste Regel, Richtlinie, Richtschnur:
das ist ihm oberstes G.;
ein ungeschriebenes G. (etw., was sich eingebürgert hat u., ohne dass es schriftlich fixiert ist, als verbindlich, als Richtschnur gilt).

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Gesetz
 
[althochdeutsch gisezzida, eigentlich »Festsetzung«, zu setzen],
 
 1) allgemein: Terminus u. a. der Philosophie, der Mathematik und Logik, der Erfahrungswissenschaften. Gesetz sind, dem weiten Bedeutungsfeld des Begriffs entsprechend, einerseits Ausdruck regelhafter Zusammenhänge zwischen Phänomenen aller Art in Natur, Wissenschaft und Gesellschaft und werden als solche sprachlich und häufig auch - v. a. bezogen auf mathematische und physikalische Zusammenhänge - in Form von Gleichungen dargestellt. Andererseits werden sie, v. a. in der Ethik, im Recht und in der Theologie, im normativen Sinne als verbindliche Verhaltensvorschrift oder sittliche Ordnung (als Prinzip, Regel, Vorschrift u. a.) formuliert. Zu unterscheiden sind Denk- und Naturgesetze. Denkgesetze beschreiben (als psychologische Gesetze) die allgemeinsten Verfahrensweisen des Denkens bei der Bildung von Begriffen, Urteilen und Schlüssen, oder sie drücken Folgerungen aus, die sich durch Anwendungen der logischen Gesetze ergeben. Die sich auf die reale Welt beziehenden Naturgesetze erhält man durch generalisierende Induktion aus Einzelfällen. Von den Seinsgesetzen, den Regeln, wie etwas notwendig ist oder geschieht, werden die normativen Gesetze (Sollensgesetze) unterschieden. Zu diesen zählen die Rechtsgesetze und die moralischen Gesetze. In beiden wird eine Norm für menschliches Verhalten formuliert, zu deren Einhaltung die Menschen verpflichtet sind. Rechtsgesetze sind von der zuständigen Autorität mit Erzwingbarkeit ausgestattete Normen; ihr Gegenstand kann daher nur das äußere Verhalten sein, da nur dieses einem Zwang zugänglich ist. Moral. Gesetze dagegen sind durch Traditionen herausgebildete oder in der Ethik bestimmte Normen und beziehen sich auch auf die innere Einstellung des Handelnden.
 
 2) Philosophie und Wissenschaftstheorie: Die Wissenschaftstheorie nimmt eine Unterscheidung in empirische und theoretische Gesetze vor: Während sich Erstere auf einzelne beobachtbare Gegenstände beziehen (etwa die keplerschen Gesetze der Planetenbewegung), sind aus Letzteren mehrere empirische Gesetze ableitbar (so lassen sich aus Gravitationsgesetzen sowohl die Planetenbewegung als auch der freie Fall erklären). Weitgehend parallel hierzu verläuft die Trennung zwischen beschreibenden und begründenden Gesetz. R. Carnap und J. D. Sneed u. a. haben versucht, diesem Sachverhalt durch die Unterscheidung von Beobachtungssprache und Theoriesprache Rechnung zu tragen.
 
In der Geschichtsphilosophie gibt es seit G. B. Vico Versuche, die geschichtliche Entwicklung unter gewisse Entwicklungs- oder Bewegungsgesetze zu fassen. Gegen diese Versuche v. a. des historischen Materialismus und des dialektischen Materialismus ist eingewendet worden, dass sie keine überprüfbaren, auf bestimmte Randbedingungen relativierten Gesetze aufstellen, sondern absolute Trends behaupten, die zwar zu (unbegründbaren) Prophezeiungen, nicht aber zu wissenschaftlichen abgesicherten Prognosen benutzbar seien (K. Popper).
 
In der Mathematik werden als Gesetze strukturelle Eigenschaften bezeichnet, die innerhalb eines Gegenstandsbereiches (etwa dem der ganzen Zahlen) beweisbar sind (z. B. die Kommutativität der Addition) oder aber abstrakt als definierende Eigenschaften gefordert werden (z. B. bei der Definition des Begriffs »abelsche Gruppe«). In der Logik werden oft gebrauchte logisch wahre Aussageformen als Gesetze bezeichnet (z. B. Gesetz der Kontraposition, De-Morgan-Gesetz). Die Auffassung, dass es sich hierbei um allgemeine Denkgesetze handele (»Psychologismus«), gilt heute weitgehend als überholt.
 
In den Naturwissenschaften drücken Gesetze Regelmäßigkeiten im Naturgeschehen aus. Als Kennzeichen von Gesetzen gelten seit Beginn der Neuzeit (F. Bacon, G. Galilei, I. Newton) Allgemeinheit und Vorhersagewert. Beide zusammen garantieren die Überprüfbarkeit an der Erfahrung. So beschreibt die klassische Mechanik Bewegungen beliebiger Körper mithilfe differenzierbarer Funktionen des Ortes und der Zeit. Die empirischen Gesetze werden ihrer Natur nach auf (zu den theoretischen Gesetzen gehörende) Grundgesetze in Form von Differenzialgleichungen zurückgeführt, z. B. die Fallgesetze auf die newtonsche Bewegungsgleichung der klassischen Mechanik. Diese Grundgesetze lassen sich nur noch durch Invarianzeigenschaften und Kausalprinzipien weiter begründen. In den Theorien der modernen Physik lassen sich diese als die Bedingungen für die Möglichkeit von Messungen formulieren. Da die Messgeräte selbst zum Objektbereich der Physik gehören, sind sämtliche Gesetze, die physikalische Objekte betreffen, zugleich auch die Gesetze der Messgeräte (Selbstkonsistenz). Neben solchen deterministischen Gesetzen mit festgelegten Anfangsbedingungen spielen probabilistische Gesetze, Wahrscheinlichkeitsaussagen, eine wichtige Rolle. Während die klassische Physik diese als Ausdruck des menschlichen Unvermögens ansah, mit großen Datenmengen umzugehen (so wird in der Wärmelehre über Gesamtheiten von immens vielen Teilchen geredet), gelten sie seit der Quantenmechanik als genuines Kennzeichen der Welt. Im atomaren und subatomaren Bereich sind Teilchen durch quantenmechanische Wahrscheinlichkeitsamplituden (Wellenfunktionen) zu beschreiben; Determiniertheit im Großen kommt durch Überlagerungen zustande.
 
Gesetze in den Erfahrungswissenschaften werden durch unvollständige Induktion gewonnen. Sie beruhen auf wiederholter Beobachtung eines bestimmten Zusammenhangs. Aus der Tatsache, dass dieser häufig auftritt, schließt man, dass er unter eindeutigen und vollständig definierten Rahmenbedingungen immer auftritt. Dabei wird deutlich, dass Naturgesetze von bestimmten allgemeinen Annahmen abhängig sind. So wird etwa unterstellt, dass die Physik überall im Universum und zu allen Zeiten dieselbe sei (Isotropie der Raum-Zeit-Welt) und dass gleiche Ursachen immer gleiche Wirkungen hervorbringen (Kausalität). Seit D. Humes Kritik, der in solchem induktiven Vorgehen den durch nichts begründeten Ausdruck von bloßer Gewohnheit sah, bemüht sich die Wissenschaftstheorie, induktive »Schlüsse« zu rechtfertigen und Kriterien für ihre Zulässigkeit bereitzustellen. Dem steht die Position des kritischen Rationalismus (Popper) gegenüber, der Naturgesetze als hochgradig bewährte Hypothesen betrachtet; durch widersprechende empirische Daten sind diese prinzipiell widerlegbar. (Naturgesetz)
 
Literatur:
 
H. Sachsse: Kausalität, Gesetzlichkeit, Wahrscheinlichkeit (1979);
 W. Stegmüller: Probleme u. Resultate der Wiss.theorie u. analyt. Philosophie, Bd. 1: Erklärung - Begründung - Kausalität (21982);
 R. Carnap: Einf. in die Philosophie der Naturwiss. (a. d. Engl., Neuausg. 1986);
 E. Ströker: Einf. in die Wissenschaftstheorie (41992);
 K. R. Popper: Logik der Forschung (101994).
 
 3) Recht: Im Recht wird unter Gesetz in einem allgemeinen Sinne die von einem Organ des Gemeinwesens gesetzte Regel verstanden, die rechtsverbindlich und zukunftsgerichtet das Zusammenleben ordnet; typisch ist die Allgemeinheit des Gesetzes, d. h. die abstrakte Formulierung der Regel für unbestimmt viele Sachverhalte und Personen. Mit der Forderung nach Allgemeinheit des Gesetzes ist die Vorstellung seiner Vernünftigkeit und Gleichheit verbunden. Der spezifische Begriff des Gesetzes kann in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlichen Inhalt haben. In Deutschland wird seit Beginn des Konstitutionalismus unterschieden zwischen dem Gesetz im formellen (förmliches Gesetz) und dem Gesetz im materiellen Sinn, wobei auch diese Begriffe eine Wandlung erfahren haben. Unter dem Gesetz im formellen Sinn wird im Allgemeinen jede vom Parlament im Gesetzgebungsverfahren in Form eines Gesetzes getroffene Entscheidung verstanden; das Gesetz im materiellen Sinn ist jede Rechtsnorm, die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern, zwischen Bürgern und Hoheitsträgern oder zwischen Hoheitsträgern regelt (»Außenrecht«), also neben dem förmlichen Gesetz auch die Rechtsverordnung, die Satzung und das Gewohnheitsrecht; dabei ist umstritten, ob die Allgemeinheit (keine Einzelfall- und Einzelpersonenregelung) und die auf Dauer angelegte Ordnungsfunktion eines Gesetzes notwendigerweise oder nur typischerweise zum Begriff des materiellen Gesetzes gehören. Je nachdem sind Einzelfallgesetze, Maßnahmegesetze und Haushaltsgesetze, die vom Parlament im Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden, Gesetze nur im formellen oder auch im materiellen Sinn. Der Begriff des Gesetzes im nur formellen Sinn hat heute seine Bedeutung weitgehend verloren, während es in vielerlei Hinsicht wesentlich ist, ob ein förmliches Gesetz oder ein nur materielles Gesetz vorliegt. Die weitaus meisten förmlichen Gesetze sind zugleich materielle. Herkömmlicherweise zählt das Gesetz, das den Haushaltsplan feststellt, zu den bloß förmlichen Gesetzen, weil es nur die Staatsorgane, nicht aber die Bürger bindet, d. h. keine Außenwirkung entfaltet. Vom nur materiellen Gesetz ist die Einzelfallentscheidung (insbesondere der Verwaltungsakt) abzugrenzen.
 
Zwischen den verschiedenen Gesetzen im materiellen Sinn besteht eine Rangordnung; das höherrangige Gesetz geht dem jeweils niedrigerrangigen Gesetz vor. An der Spitze der »Normenpyramide« steht die Verfassung, darunter das förmliche Gesetz, unter diesem die Rechtsverordnung und die Satzung; außerdem genießt im Bundesstaat das gesamte (kompetenzgemäß erlassene) Bundesrecht Vorrang vor jeder Art von Landesrecht. Im Falle eines Verstoßes ist das jeweils niedrigerrangige Recht grundsätzlich nichtig. Zur Feststellung der Ungültigkeit einer Rechtsnorm sind besondere Normenkontrollverfahren (Normenkontrolle) beim Bundesverfassungsgericht, den Landesverfassungsgerichten und, für untergesetzliche Normen des Landesrechts, auch bei den Oberverwaltungsgerichten eingerichtet worden. Daneben sind die Gerichte befugt, in jedem einzelnen Streitfall eine entscheidungserhebliche Norm, die sie für ungültig halten, außer Acht zu lassen; wenn es sich dabei allerdings um ein förmliches Gesetz handelt, das gegen die Verfassung verstößt, ist die Entscheidung über die Ungültigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (Art. 100 Absatz 1 GG). Nach dem GG müssen bestimmte staatliche Entscheidungen in Form eines Gesetzes ergehen. Grundrechtsbeschränkungen und sonstige grundrechtswesentliche Regelungen bedürfen der Ermächtigung in einem förmlichen Gesetz (Gesetzesvorbehalt). Ein förmliches Gesetz ist auch für die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen (Art. 59 Absatz 2) und für die Feststellung des Haushaltsplans (Art. 110 Absatz 2) nötig. Als Gesetze im materiellen Sinn sind auch die von Organen der EG erlassenen unmittelbar für den Bürger geltenden Rechtsvorschriften zu verstehen.
 
Literatur:
 
C. Starck: Der G.-Begriff des GG (1970);
 W. Hugger: G., ihre Vorbereitung, Abfassung u. Prüfung (1983);
 T. Fleiner-Gerster: Wie soll man G. schreiben? (Bern 1985);
 H.-M. Pawlowski: Methodenlehre für Juristen (21991).
 
 4) Religionswissenschaft: In den Religionsgemeinschaften sind Gesetze die auf göttliche Offenbarung, Verordnungen der Religionsstifter und Tradition zurückgeführten Normen und Vorschriften zur Regelung des religiösen und alltäglichen Lebens. Die Gesetze gelten als Ausdruck des göttlichen Willens; ihre Befolgung ist für die Mitglieder der Religionsgemeinschaften verbindlich, im Rahmen eines bestimmten (»fundamentalistischen«) Frömmigkeitsverständnisses auch heilsnotwendig. Gesetzlichkeit findet sich in allen Religionen; Religionen die überwiegend durch sie geprägt sind, werden Gesetzesreligionen genannt. Als klassische Gesetzesreligionen gelten das Judentum und der Islam.
 
 5) jüdische und christliche Theologie: Im Alten Testament ist Gesetz (hebräisch Thora) ursprünglich eine Bezeichnung für die kurze mündliche Belehrung des kulturellen Laien durch den Priester (Psalter 15; Haggai 2, 11-14). Spätestens vom Deuteronomium an wird Gesetz als Ausdruck für die gesamte Willensoffenbarung Gottes gebraucht (5. Mose 17, 19 und öfter); seit nachexilischer Zeit bezeichnet es den Pentateuch. Diese Begriffsausweitung zeigt, dass Gesetz im Alten Testament eine komplexe Größe ist: Zivil-, straf-, prozess- und kultrechtliche Bestimmungen stehen nebeneinander. Man unterscheidet kasuistische Gesetze (im Wenn-Stil mit Rechtsfall und Rechtsfolge) und apodiktische Gesetze (Verbote und Gebote nach Art der Zehn Gebote). Im israelitischen Bewusstsein wird das Gesetz zunehmend zur Grundlage des Bundesverhältnisses zwischen Gott und Israel. - Im Verständnis des Neuen Testaments löst Jesus das Gesetz ab, indem er es erfüllt (Matthäus 5, 17). Sein Evangelium vom Gottesreich zielt im Gegensatz zur Gerichtspredigt Johannes' des Täufers auf Gnade und Versöhnung. In Botschaft und Verhalten übt Jesus Kritik am jüdischen Gesetz, besonders in Bezug auf Sabbatruhe und Tempelkult (Markus 3, 1-6; 11, 15-18). Die Vielfalt der Gesetzesvorschriften fasst das eine Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammen (Matthäus 22, 35-40). Die Gesetzestheologie des Paulus ist differenziert: Der Galaterbrief lehnt das jüdische Gesetz scharf ab zugunsten der Freiheit des Christen. Nach dem Römerbrief ist das Gesetz zwar nicht an sich gut und heilig, aber es provoziert durch seine Strenge den schwachen Menschen zur Sünde. Christus hat als »das Ende des Gesetzes« die Gerechtigkeit aus Gesetzeswerken durch die Gerechtigkeit aus Glauben überwunden. Das neue Gesetz Christi ist »das Gesetz des Geistes und des Lebens«, denn »der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig«. Auch für Paulus ist die Liebe »die Erfüllung des Gesetzes.« - Die spätere Theologie hat das Verhältnis von »Gesetz und Gnade« beziehungsweise »Gesetz und Evangelium« erörtert; die verschiedenen Formeln setzen katholische oder evangelische Konfessionsakzente. Die christliche Frühzeit betont mit Paulus (Römerbrief 1), dass schon dem »Heiden« ein Naturgesetz ins Herz geschrieben ist, das durch Christus vertieft und entbunden wird. Das Gottesgesetz begegnet danach nicht als von außen auferlegte Satzung, sondern entspricht der Wesensbestimmung des Menschen als Geschöpf. »Das Gesetz ist gegeben, damit die Gnade gesucht wird; die Gnade ist gegeben, damit das Gesetz erfüllt wird« (Augustinus). Das Konzil von Trient gibt der reformatorischen Lehre darin Recht, dass weder das natürliche noch das mosaische Gesetz die Kraft zur Rechtfertigung haben, die allein der Gnade Christi zu verdanken ist. Doch auch der Christ kann und muss in der Kraft der Gnade die Gebote beobachten; und Christus selbst ist nicht nur der Erlöser, sondern auch Gesetzgeber. M. Luther forderte das reine Evangelium gegen Vergesetzlichung des Glaubens. Aber auch das Gesetz hat bleibende Bedeutung: im »bürgerlichen Gebrauch«, indem es durch die Zehn Gebote das äußere Leben regelt, und im »theologischen Gebrauch«, indem es den Menschen seiner Sündhaftigkeit überführt. Im 20. Jahrhundert wurde die Gesetzesdiskussion wieder aktuell. Besonders für K. Barth besitzt das Evangelium, das die anklagende Funktion des Gesetzes einschließt und aufhebt, den unbedingten Vorrang. Die genauere Erforschung des altjüdischen Gesetzes macht auch die Kontinuität vom Alten Testament zum Neuen Testament deutlich, das in seinem zwei-einen Liebesgebot Schriftstellen des Alten Testaments (5. Mose 6, 5 und 3. Mose 19, 18) verbindet.
 
Literatur:
 
K. Barth: Evangelium u. G. (1935, Nachdr. 1980);
 W. Joest: G. u. Freiheit (41968);
 O. H. Pesch: G. u. Gnade (21981);
 
Das G. im N. T., hg. v. K. Kertelge (1986);
 
G. u. Evangelium, hg. v. E. Kinder u. a. (21986);
 P. von der Osten-Sacken: Die Heiligkeit der Tora. Studien zum G. bei Paulus (1989);
 A. Peters: G. u. Evangelium (21994).
 

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Ge|sẹtz, das; -es, -e [mhd. gesetze, gesetzede, ahd. gisezzida, eigtl. = Festsetzung, zu ↑setzen]: 1. vom Staat festgesetzte, rechtlich bindende Vorschrift: ein strenges, einschneidendes G.; das G. zum Schutz der Jugend; das neue G. sieht das vor; ein G. tritt in Kraft; ein G. einbringen, beraten, beschließen, erlassen, verabschieden, annullieren; ein G. anwenden; die -e einhalten, brechen; Würden die Sozialdemokraten ... -e auch für die Schwachen machen? (Kühn, Zeit 71); gegen die -e verstoßen; auf dem Boden der -e stehen (sich den Gesetzen entsprechend verhalten); eine Lücke im G. finden (einen im Gesetz nicht berücksichtigten Fall ausnutzen); mit dem G. in Konflikt geraten (straffällig werden); im G. (Gesetzbuch) nachschlagen; vor dem G. sind alle gleich (bei der Rechtsprechung sollen keine Unterschiede nach Klasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion o. Ä. gemacht werden). 2. einer Sache innewohnendes Ordnungsprinzip; unveränderlicher Zusammenhang zwischen bestimmten Dingen u. Erscheinungen in der Natur: das G. vom freien Fall; das G. von Angebot u. Nachfrage; ein ewiges G. der Natur; das war gewissermaßen das G., wonach wir 1946 antraten (Dönhoff, Ära 15; nach Goethe, Urworte. Orphisch); *das G. der Serie (Wahrscheinlichkeit, dass ein bisher immer gleiches Ereignis auch weiterhin eintreten wird): nach dem G. der Serie verliert die Mannschaft; das G. des Handelns (zwingende Notwendigkeit zu handeln): sich das G. des Handelns aufzwingen lassen; das G. des Dschungels (Gesetz- u. Rechtlosigkeit; Verhaltensweise, für die jedes Mittel erlaubt scheint). 3. feste Regel, Richtlinie, Richtschnur: ein ungeschriebenes G.; Da ist es ein G. der Kollegialität, ... dass ich ihm unter die Arme greife (Maass, Gouffé 298); das ist ihm oberstes G.; sich an die -e des Dramas halten; R das ist ein G. von Medern und Persern (das ist ein unumstößliches Gesetz, eine feste Regel).

Universal-Lexikon. 2012.