* * *
Staat [ʃta:t], der; -[e]s, -en:a) <ohne Plural> Gesamtheit der Institutionen, deren Zusammenwirken das dauerhafte und geordnete Zusammenleben der in einem bestimmten abgegrenzten Staatsgebiet lebenden Menschen gewährleisten soll:
den Staat bekämpfen, verteidigen; die Trennung von Staat und Kirche.
b) durch eine einheitliche politische Ordnung und Organisationsform gekennzeichnetes Land:
die Staaten Südamerikas; das Treffen der Regierungschefs benachbarter Staaten.
Zus.: Heimatstaat, Küstenstaat, Nachbarstaat, Siegerstaat.
* * *
Staat 〈m. 23〉
1. größere Gemeinschaft von Menschen innerhalb festgelegter Grenzen unter einer hoheitlichen Gewalt
2. 〈fig.〉 Regierung eines Staates (1)
3. 〈umg.〉 Land
4. 〈Zool.〉 zweckvoll organisierte, größere Gemeinschaft mancher Tiere (Bienen\Staat, Ameisen\Staat)
5. 〈fig.; umg.〉
5.1 Aufwand, Pracht, Prunk
5.2 〈veraltet〉 schöne Kleidung (Sonntags\Staat)
● im Interesse des \Staates; Vater \Staat; →a. Vater ● \Staat machen 〈fig.; umg.〉 Aufwand treiben; mit diesem Kleid kannst du keinen \Staat mehr machen 〈fig.; umg.〉 kannst du dich nicht mehr recht sehenlassen; sein: der Festzug war wirklich ein \Staat 〈fig.; umg.〉 war prächtig ● \Staaten bildend = staatenbildend; der französische, englische \Staat; unabhängiger, souveräner \Staat ● beim \Staat angestellt sein; Urlaub in den \Staaten machen 〈umg.〉 in den Vereinigten Staaten, den USA; in vollem \Staat erscheinen 〈fig.; umg.〉 prächtig angezogen u. geschmückt [<spätmhd. sta(a)t „Stand, Zustand, Lebensweise“, bes. „gehobener Stand“ <lat. status; zu stare „stehen“; die polit. Bedeutung ist im 17. Jh. aus dem frz. Wort état „Staatsverfassung, Staat“ entlehnt]
* * *
Staat , der; -[e]s, -en [spätmhd. sta(a)t = Stand; Zustand; Lebensweise; Würde < lat. status = das Stehen; Stand, Stellung; Zustand, Verfassung; Rang, zu: stare (2. Part. statum) = stehen; sich aufhalten; wohnen]:
1.
a) Gesamtheit der Institutionen, deren Zusammenwirken das dauerhafte u. geordnete Zusammenleben der in einem bestimmten abgegrenzten Territorium lebenden Menschen gewährleisten soll:
ein souveräner, demokratischer S.;
der französische S.;
der S. Israel;
der S. (Bundesstaat) Washington;
das bezahlt der S. (eine Institution des Staates);
einen neuen S. aufbauen, gründen;
einen S. anerkennen;
den S. vor inneren und äußeren Feinden schützen;
den S. verteidigen;
einem S. angehören (zum Staatsvolk eines Staates gehören);
im Interesse, zum Wohle des -es;
er ist beim S. (bei einer Institution des Staates) angestellt;
das höchste Amt im -e;
Repräsentanten von S. und Kirche;
die Trennung von Kirche und S.;
Ü ein S. im Staate (eine mächtige, der Kontrolle des Staates sich entziehende, in bestimmten Bereichen mit ihm konkurrierende Organisation);
☆ von -s wegen (auf Veranlassung einer Institution des Staates);
b) Territorium, auf das sich die Gebietshoheit eines Staates (1 a) erstreckt; Staatsgebiet:
ein kleiner mittelamerikanischer S.;
die benachbarten -en;
die -en Südamerikas;
die Grenze zwischen zwei -en;
☆ die -en (ugs.; die Vereinigten Staaten von Amerika);
der S. Luzern.
2. (Zool.) Insektenstaat:
der S. der Bienen, Ameisen;
-en bildende Insekten.
3. <o. Pl.>
a) [älter = Vermögen, nach mlat. status = Etat; prunkvolle Hofhaltung] (ugs. veraltend) festliche Kleidung:
sich in S. werfen;
er kam in vollem S. (in offizieller, festlicher Kleidung);
b) (veraltet) Gesamtheit der Personen im Umkreis, im Gefolge einer hochgestellten Persönlichkeit;
c)
☆ ein [wahrer] S. sein ↑ (Pracht);
[viel] S. machen ([großen] Aufwand treiben);
[nur] zum S. (nur zum Repräsentieren, um Eindruck zu machen);
mit jmdm., etw. [nicht viel/keinen] S. machen können (mit jmdm., etw. [nicht viel/keinen] Eindruck machen, [nicht sehr/nicht] imponieren können).
* * *
Staat
[spätmittelhochdeutsch sta(a)t »Stand«, »Zustand«, »Würde«, »Lebensweise«, von lateinisch status »das Stehen«, »Stand«, »Stellung«, »Verfassung«, zu stare »stehen«], Herrschaftsordnung, durch die ein Personenverband (Volk) auf abgegrenztem Gebiet durch hoheitliche Gewalt zur Wahrung gemeinsamer Güter verbunden ist. Staat wird eine solche Ordnung etwa seit Beginn der Neuzeit (zuerst bei N. Machiavelli im 16. Jahrhundert) genannt. Die Gemeinwesen der Antike (griechisch »politeia«, lateinisch »civitas« und »res publica«) können in einem weiten Sinn als Staaten verstanden werden. Der moderne Staat unterscheidet sich aber in spezifischer Weise hiervon. Er entwickelte seine charakteristischen Konturen im Zuge des Zerfalls universaler und transzendenter Reichs- und Herrschaftsideen am Ausgang des Mittelalters. Nach Ablösung feudalrechtlicher Herrschaftsverhältnisse entstanden räumlich gegeneinander abgegrenzte Herrschaftsbereiche, die Souveränität nach innen und außen beanspruchten, über feste Ämter und Bürokratien verfügten und damit Staaten im heutigen Sinne wurden.
In spezifischer Weise ist das Völkerrecht darauf angewiesen, den Staat, der der wichtigste Adressat der Völkerrechtsnormen ist, zu definieren. Nach der Dreielementelehre (G. Jellinek) wird ein Staat durch das Staatsgebiet, das Staatsvolk und die Staatsgewalt konstituiert. Die völkerrechtliche Definition des Staats verzichtet auf weitere Merkmale, um möglichst alle tatsächlichen Herrschaftsordnungen als Staaten zu erfassen.
Wichtige völkerrechtliche Aspekte betreffen Entstehung und Untergang eines Staats sowie die Staatennachfolge (Staatensukzession). Staaten entstehen völkerrechtlich durch Neugründungen auf staatenlosem Gebiet, durch Sezession (Abspaltung) von einem schon bestehenden Staat, durch Entlassung aus dem früheren Staatsverband, durch Zusammenschluss bestehender Staaten.
Ein Staat geht als Völkerrechtssubjekt unter, wenn eines der ihn konstituierenden Elemente wegfällt. Dies kann durch Zusammenschluss zu einem neuen Staat, durch Aufteilung eines Staatsgebiets zwischen anderen Staaten und durch völlige Zerrüttung der inneren Ordnung geschehen. Allerdings führt die kriegerische Annexion eines fremden Staats nicht zum Erlöschen des annektierten Staats. Staatsnachfolge ist die Übernahme der Rechte und Pflichten eines Staats durch einen anderen Staat. Der Tatbestand der Staatsnachfolge ist gegeben, wenn ein Staat durch Aufteilung in mehrere Staaten oder durch Aufnahme in einen anderen oder einen neu entstehenden Staat (Fusion) untergeht oder seine rechtliche Selbstständigkeit verliert oder wenn ein Teil eines fortbestehenden Staats als Gebietserwerb an einen anderen Staat übergeht oder nach Abtrennung (z. B. durch Sezession) einen neuen Staat bildet. Änderungen in der Verfassung oder der Regierung eines Staats unterbrechen die Kontinuität nicht.
Ob und in welchem Umfang der Nachfolgestaat die völkerrechtlichen Pflichten und Rechte des Gebietsvorgängers gegenüber Dritten übernimmt, ergibt sich meist nur aus einer etwaigen vertraglichen Regelung (ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung). Den Staatsangehörigen des Gebietsvorgängers muss der Nachfolgestaat den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit ermöglichen. Der Gebietsvorgänger bleibt beim Gebietswechsel Vertragspartei von Staatsverträgen für sein verkleinertes Gebiet, während beim Untergang eines Staats dessen Rechte und Pflichten aus einem Staatsvertrag erlöschen. Staaten haben eine grundsätzlich umfassende völkerrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit. Sie sind parteifähig vor dem Internationalen Gerichtshof.
Begriff des Staats:
Als Gegenstand der allgemeinen Staatslehre ist das Phänomen des Staats zu komplex für eine einfache Definition. Geschichtliche Prägung und Entwicklung des Staats erfordern einen Vergleich der menschlichen Verbände, die in Vergangenheit und Gegenwart als Staaten bezeichnet werden. Die sich dabei abzeichnenden typusbestimmenden Merkmale des Staats liegen nicht ein für allemal fest. Zudem ist der Staat Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen, die jeweils andere Merkmale in den Vordergrund rücken (Staatswissenschaften, v. a. Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie, Staatssoziologie, Rechtswissenschaft).
Die Staatlichkeit im heutigen Sinn ist an ein Territorium (Staatsgebiet), ein Staatsvolk und eine prinzipiell umfassende öffentliche Gewalt (Staatsgewalt) untrennbar gebunden. Deshalb kann der Staat auch definiert werden als dauerhaft organisierter Herrschaftsverband auf einem begrenzten Territorium, der die Verbandsexistenz sichern sowie die Gemeinschaftsinteressen der Verbandsangehörigen wahrnehmen soll und insoweit grundsätzlich das Primat gegenüber anderen Verbänden beansprucht.
Jeder Staat ist eine Herrschaftsordnung, das heißt ein Verband, der auf Über- und Unterordnung beruht. Während im Obrigkeitsstaat die Staatsgewalt einem Einzelnen oder einer abgegrenzten Führungsschicht vorbehalten ist, geht sie im Volksstaat von der Gesamtheit der gleichberechtigten Staatsbürger aus (Demokratie). Als Herrschaftsordnung hat der Staat die Befugnis und die Fähigkeit, den Herrschaftsunterworfenen mit verbindlichen Befehlen (Gesetzen und Einzelakten) gegenüberzutreten und diese - wenn nötig - mit Zwang durchzusetzen; Staatsgewalt ist hoheitliche Befehls- und Zwangsgewalt. Sie ist nach innen entweder unbeschränkt (Absolutismus) oder durch Teilung (Gewaltenteilung) und andere verfassungsmäßige Bindungen beschränkt. Nach außen ist die Staatsgewalt bisher durch den Anspruch auf volle Unabhängigkeit gekennzeichnet (Souveränität); doch gibt es schon nach klassischem Völkerrecht abhängige Staaten.
Staaten können durch Übertragung von Hoheitsgewalt auf internationale Organisationen auf die Ausübung von Teilen innerstaatlicher Souveränität verzichten. Dieses geschieht vermehrt seit 1945 (z. B. bei den EG).
Staatsorgane sind alle Personen, Körperschaften und Behörden, die im Namen und in Vollmacht des Staats kraft eigener Zuständigkeit an der Ausübung der Staatsgewalt teilnehmen. Oberste Staatsorgane sind solche, die keiner Weisungs- oder Aufsichtsgewalt unterworfen sind (Staatsoberhaupt, Regierung, Parlament, Rechnungshof, Oberste Gerichte). Nachgeordnete Staatsorgane sind die den Zentralbehörden angegliederten Oberbehörden sowie die mittleren und unteren Dienststellen. Unterschieden werden ferner: Kreationsorgane, die andere Organe schaffen (z. B. das Volk, das die Volksvertretung wählt); Willensorgane, die durch ihre Beschlüsse den Staatswillen formen (z. B. die Volksvertretung); Vollzugsorgane, die den Staatswillen ausführen (Regierung, Verwaltungsbehörden, Gerichte).
Das Staatsvolk ist die Gesamtheit der durch die Herrschaftsordnung vereinigten Menschen. Eine Gliederung des Staatsvolkes in Gruppen ungleicher Rechtsstellung findet sich in älterer Zeit (Adel, Freie, Halbfreie, Unfreie); außerdem lassen sich Epochen mit lehnsrechtlicher Gliederung (Lehns- oder Feudalstaat), mit ständischer Schichtung (Ständestaat) und mit klassenmäßiger Spaltung (Bildung und Besitz neben Nichtbesitz: Klassenstaat) feststellen. In Europa ist der durch die Ungleichheit seiner Glieder gekennzeichnete Privilegienstaat fortschreitend dem durch die Rechtsgleichheit der Staatsbürger bestimmten Staat gewichen. Häufig ist das Staatsvolk eine Nation (Nationalstaat), nicht selten umfasst ein Staat aber auch mehrere Nationen (Nationalitätenstaat) oder neben der führenden Staatsnation Teile anderer Nationen als Minderheiten. Seit der Französischen Revolution wird die Forderung erhoben, dass jede Nation nach freiem Entschluss einen eigenen Staat zu bilden berechtigt sei (Nationalstaatsprinzip). Das Staatsgebiet ist ein abgegrenzter, nicht notwendig zusammenhängender Teil der Erdoberfläche, auf den sich die Staatsgewalt als Gebietshoheit erstreckt.
Staatsformen
sind die verschiedenen Systeme, in denen die staatliche Herrschaft organisiert und die Staatsgewalt ausgeübt wird. Zu unterscheiden sind demgemäß Herrschafts- und Regierungsformen. Bei den Herrschaftsformen ist seit der griechischen Antike die Einteilung in Monarchie, Aristokratie und Demokratie üblich; Regierungsformen sind die durch Staatspraxis oder Verfassung festgelegten Methoden, in denen die Staatsgewalt durch ihre Organe ausgeübt wird. Diese kann sich in der Hand des Staatsoberhaupts völlig konzentrieren (Absolutismus). Im Feudalstaat ist die Regierungsgewalt des Staatsoberhaupts durch die Einfluss- und Mitwirkungsrechte des lehnsrechtlich aufgebauten Grundadels beschränkt. Im Ständestaat ist die Regierungsgewalt begrenzt durch die Mitentscheidungsrechte der Stände, im konstitutionellen Staat der Vorrang des Staatsoberhaupts eingeschränkt durch die Rechte einer aristokratischen (oder berufsständischen) ersten Kammer und einer gewählten Volksvertretung. Im Parlamentarismus liegt die Regierungsgewalt in der Hand einer Regierung (Kabinett), die vom Vertrauen der Volksvertretung abhängig ist, von ihr gewählt und abberufen wird. Im Präsidialsystem wird die Regierungsgewalt von einem durch das Volk gewählten Staatspräsidenten ausgeübt. Alle diese Regierungsformen kommen in vielfältigen Verbindungen und Abwandlungen vor.
Nicht weniger wichtig als die Einteilung der Staaten nach Herrschafts- und Regierungsformen ist die soziologische Unterscheidung nach den Führungsgruppen (»Eliten«), die tatsächlich im Besitz der staatlichen Macht sind: eine Priester-, Militär- oder Beamtenkaste; der Grund besitzende Adel; die Inhaber des Finanz- oder Industriekapitals (»Plutokratie«); (in Diktaturen) die Funktionäre des Apparates. Im modernen Parteienstaat haben sich anstelle der älteren Führungsgruppen die politischen Parteien als staatstragende Organisationen durchgesetzt, im Einparteienstaat die Führungsoligarchie einer Einheitspartei.
Eine gewaltsame Änderung der Staatsform (Staatsumwälzung) geschieht entweder durch ein an der Herrschaft beteiligtes Organ, z. B. durch das Staatsoberhaupt, das sich von verfassungsmäßigen Beschränkungen befreit (Staatsstreich), durch eine militärische Gruppe, die einen neuen Herrscher oder sich selbst in den Besitz der Staatsgewalt setzt (Putsch), oder durch Auflehnung einer bisher von der Herrschaft ausgeschlossenen Schicht (Revolution). In der Regel bleibt dabei der Staat als solcher bestehen (Kontinuität).
Idee, Zweck und Rechtfertigung des Staats:
Die Frage nach der Rechtfertigung (Legitimation) des Staats steht im Zentrum der Staatslehre und ist eng mit der Lehre von den Aufgaben des Staats, der Theorie seiner Entstehung und der jeweils vorherrschenden Staatsidee verbunden.
Was die Entstehung des Staats anbelangt, bemühen sich mehrere Theorien um eine Deutung. Die Bildung des Staats kann danach konstruktiv zurückgeführt werden auf Vertrag im Sinne eines staatsbegründenden Aktes in Gestalt eines »Gesellschaftsvertrages« (Vertragstheorie), auf einen Herrschaftsakt auf der Grundlage individueller oder kollektiver Macht (Herrschaftstheorie) oder aber (nach der organischen Theorie) das Ergebnis organischen Wachstums sein.
Die religiöse Staatsidee führt den Staat auf göttliche Einsetzung zurück; der Staat wird als Teil der Schöpfungsordnung betrachtet. Das Heilige Römische Reich des Mittelalters galt, beeinflusst von der Lehre Augustinus', als ein geistlich-weltlicher Universalverband (Reichsidee), neben dem im Hochmittelalter die von der Kirche geförderten und ebenso geistlich-weltlich geformten Nationalstaaten bestanden haben. Um den Vorrang der geistlichen (»sacerdotium«) und der weltlichen Gewalt (»imperium« oder »regnum«) in diesen Staaten wurde mit wechselndem Ausgang gerungen (Zweigewaltenlehre). Gegen den im 13. Jahrhundert gefestigten Vorrang der geistlichen Gewalt erhob sich seit dem 14. Jahrhundert die weltliche Staatsidee, die nicht nur die Unabhängigkeit des Staats von der Kirche, sondern auch die Eigenständigkeit der Idee des Staats gegenüber seiner Verknüpfung mit der Kirche in der Idee des Reiches Gottes verfocht. Die Reformation (M. Luther wie J. Calvin) verfolgte jedoch noch die religiöse Staatsidee, ebenso die Gegenreformation, die der Kirche eine direkte wie indirekte Gewalt gegenüber dem Staat zusprach (F. Suárez). In der Aufklärung dagegen gewann die rationale, säkularisierte Staatsidee entscheidend an Gewicht; sowohl der aufgeklärte Absolutismus als auch die demokratisch-liberale Staatsanschauung des bürgerlichen Zeitalters begriffen den Staat als gegenüber dem religiösen Bereich unabhängig. Die religiöse Staatsidee wirkte bis in das 19. Jahrhundert fort; die politische Romantik, die Restauration und der preußische Hochkonservativismus traten für die Idee des christlichen Staats ein, die dann jedoch durch die fortschreitende Trennung von Staat und Kirche zurückgedrängt wurde.
In der deutschen juristischen Staatslehre des Kaiserreichs und der Weimarer Zeit stand das Verhältnis der juristisch-normativen zur empirischen Betrachtung des Staats im Zentrum der Diskussion. G. Jellineks Staatslehre trennte zwischen zwei Gegenständen der Erkenntnis, dem Sein (das empirischer Forschung zugänglich ist) und dem Sollen (dem Jurisprudenz und Politik zugeordnet sind). Der Staat kann dementsprechend einerseits empirisch, andererseits als Normenordnung untersucht werden. Diese Unterscheidung wurde von H. Kelsen radikalisiert, der die juristische Betrachtung des Staats von allen empirischen Aspekten befreien wollte; für den Juristen ist der Staat danach nur Normenordnung. Hiergegen betonte die so genannte geisteswissenschaftliche Richtung die Einheit des soziologischen und juristischen Staatsbegriffs und die untrennbare Verbindung empirischer und normativ wertender Betrachtungsweise (z. B. R. Smend, H. Heller).
Staat und Gesellschaft:
Die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft ist für das Verständnis des modernen Staats wesentlich. Als gesellschaftliches Gebilde ist der Staat Bestandteil der Gesellschaftsordnung, bestimmt und gestaltet sie jedoch im Ganzen mit.
Während in der älteren Aufklärung der Staat noch als »gesellige Veranstaltung« verstanden wurde, begriff I. Kant die Einordnung der Gesellschaft in die Herrschaft des Staats als sittliches Postulat. Gleichzeitig bildete sich in der Französischen Revolution die bürgerliche Gesellschaft als politisch handlungsfähig und eigenständig gegenüber dem Staat heraus. Das Verhältnis von Staat und (bürgerlicher) Gesellschaft drückte W. von Humboldt im Gegensatz »Staat - Nation« aus, wobei der Nation die beherrschende Rolle, dem Staat nur der Schutz des gesellschaftlichen Wirkens zukam. Hiervon ging die Staatslehre des Liberalismus (z. B. R. von Mohl) aus, gegen die sich G. W. F. Hegel wandte. Er begriff das Verhältnis von Staat und Gesellschaft dialektisch: Die bürgerliche Gesellschaft entsteht aus der Familie, indem die Einzelnen sich zusammenschließen, um gemeinsam ihre Bedürfnisse zu verfolgen; indem an die Stelle dieser begrenzten, besonderen Zwecke der Zweck der sittlichen Notwendigkeit der Gemeinschaft tritt, wird die Gesellschaft zum Staat. Der Staat, den Hegel als die Wirklichkeit der sittlichen Idee begreift, ist als allgemeiner Zweck der Gesellschaft also auch der Grund der Gesellschaft und dieser vorgeordnet.
Während K. Marx umgekehrt die Gesellschaft als den Grund des Staats ansieht, setzt L. von Stein an die Stelle der Dialektik die Polarität von Staat und Gesellschaft. Das Prinzip des Staats ist für ihn die Freiheit, das der Gesellschaft das Interesse; beide stehen im Widerspruch, doch ruhen sie auf der Grundlage des Prinzips der Persönlichkeit und bilden so das Leben der menschlichen Gemeinschaft überhaupt.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die Einflussnahme des Staats auf das gesellschaftliche Leben wie auch die Durchdringung des Staats durch freie gesellschaftliche Kräfte immer mehr verstärkt. Dennoch ist die Unterscheidung zwischen der Gesellschaft als der Gesamtheit aller nicht staatsbezogenen Beziehungen der Bevölkerung vom Staat als der Herrschaftsorganisation weiterhin bedeutsam. Sie stellt eine Form der Kompetenzverteilung zwischen dem seine Freiheit gebrauchenden Individuum einerseits und dem Bereich der legitimen staatlichen Entscheidung andererseits dar. Die für eine bestimmte Theorie des Liberalismus charakteristische Vorstellung einer strikten Trennung von Staat und Gesellschaft weicht in demokratischen Staaten der sinnvollen Zuordnung. So stützt das Sozialstaatsprinzip des GG staatliche Maßnahmen, die erst die Freiheitsausübung des Einzelnen ermöglichen und ihn gegen gesellschaftliche Übermacht schützen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Freiheit · Gesellschaft · Gewalt · Herrschaft · Macht · Nation · Politik · Recht · Rechtsstaat · Sozialstaat · Staatsphilosophie · Staat und Kirche · Verfassung
G. Jellinek: Allg. S.-Lehre (31928, Nachdr. 1976);
Der S. Dokumente des S.-Denkens von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. R. Weber-Fas, 2 Bde. (1977);
U. Scheuner: S.-Theorie u. S.-Recht (1978);
H. Heller: S.-Lehre (61983);
F. Berber: Das S.-Ideal im Wandel der Weltgesch. (21978);
M. Kriele: Einf. in die S.-Lehre (51994);
R. Zippelius: Gesch. der S.-Ideen (91994);
R. Zippelius: Allg. S.-Lehre (131999);
S. Breuer: Der S.Entstehung, Typen, Organisationsstadien (1998);
E.-W. Böckenförde: S., Nation, Europa. Studien zur S.-Lehre, Verfassungstheorie u. Rechtsphilosophie (1999);
W. Reinhard: Gesch. der S.-Gewalt. Eine vergleichende Verfassungsgesch. Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart (1999);
R. Weber-Fas: Über die S.-Gewalt Von Platons Idealstaat bis zur Europ. Union (2000).
* * *
Staat, der; -[e]s, -en [spätmhd. sta(a)t = Stand; Zustand; Lebensweise; Würde < lat. status = das Stehen; Stand, Stellung; Zustand, Verfassung; Rang, zu: stare (2. Part. statum) = stehen; sich aufhalten; wohnen; 3 a: älter = Vermögen, nach mlat. status = Etat; prunkvolle Hofhaltung]: 1. a) Gesamtheit der Institutionen, deren Zusammenwirken das dauerhafte u. geordnete Zusammenleben der in einem bestimmten abgegrenzten Territorium lebenden Menschen gewährleisten soll: ein selbstständiger, unabhängiger, autonomer, souveräner S.; ein freiheitlicher, demokratischer, sozialistischer, moderner S.; der französische S.; der S. Israel; der S. (Bundesstaat) Washington; das bezahlt der S. (eine Institution des Staates); einen neuen S. aufbauen, gründen; einen S. anerkennen; den S. vor inneren und äußeren Feinden schützen; den S. verteidigen; Wie viel S. können und wollen wir uns in Zukunft leisten? (Zeit 19. 9. 75, 1); einem S. angehören (zum Staatsvolk eines Staates gehören); im Interesse, zum Wohle des -es; Die Industrialisierung und die radikale Ausbeutung der Natur stehen im Dienste der Machtentfaltung des -es (Gruhl, Planet 213); er ist beim S. (bei einer Institution des Staates) angestellt; das höchste Amt im -e; Wir rufen immer gleich nach dem S. (fordern das Eingreifen des Staates; Spiegel 53, 1979, 35); Repräsentanten von S. und Kirche; die Trennung von Kirche und S.; Ü ein S. im Staate (eine mächtige, der Kontrolle des Staates sich entziehende, in bestimmten Bereichen mit ihm konkurrierende Organisation); *von -s wegen (auf Veranlassung einer Institution des Staates); b) Land (dessen Territorium das Staatsgebiet eines Staates bildet): ein kleiner mittelamerikanischer S.; die benachbarten -en; die -en Südamerikas; die Grenze zwischen zwei -en; *die -en (ugs.; die Vereinigten Staaten von Amerika); c) (schweiz.) 2↑Kanton (1): der S. Luzern. 2. (Zool.) Insektenstaat: der S. der Bienen, Ameisen; manche Insekten bilden -en; -en bildende Insekten, Bienen. 3. <o. Pl.> a) (ugs. veraltend) festliche Kleidung: wenn eine Fiesta war, dann zog Großmutter ihren spanischen S. an (Baum, Paris 112); sich in S. werfen; er kam in vollem S. (in offizieller, festlicher Kleidung); b) (veraltet) Gesamtheit der Personen im Umkreis, im Gefolge einer hoch gestellten Persönlichkeit: Hemor, der Gichtige, mit dem S. seines Hauses (Th. Mann, Joseph 161); c) *ein [wahrer] S. sein (↑Pracht); [viel] S. machen ([großen] Aufwand treiben); mit jmdm., etw. [nicht viel/keinen] S. machen können (mit jmdm., etw. [nicht viel/keinen] Eindruck machen, [nicht sehr/nicht] imponieren können): kein Mädchen, mit dem man S. machen konnte vor seinen Kameraden (Schaper, Kirche 155); [nur] zum S. (nur zum Repräsentieren, um Eindruck zu machen).
Universal-Lexikon. 2012.