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Tunesien
Tunesische Republik

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Tu|ne|si|en; -s:
Staat in Nordafrika.

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Tunesi|en,
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 163 610 km2
 
Einwohner: (2000) 9,6 Mio.
 
Hauptstadt: Tunis
 
Amtssprache: Arabisch
 
Nationalfeiertage: 20. 3.
 
Währung: 1 Tunesischer Dinar (tD) = 1 000 Millime (M)
 
Zeitzone: MEZ
 
amtlich arabisch Al-Djumhurijja at-Tunisijja [-dʒʊm-], deutsch Tunesische Republik, Staat in Nordafrika, im Maghreb zwischen Algerien und Libyen am Mittelmeer, 163 610 km2 (ohne Binnengewässer 154 530 km2) mit (2000) 9,6 Mio. Einwohner, Hauptstadt ist Tunis, Amtssprache Arabisch; Französisch dient teilweise noch als Bildungs- und Handelssprache. Währung: 1 Tunesischer Dinar (tD) = 1 000 Millime (M). Zeitzone: MEZ.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Nach der Verfassung vom 1. 6. 1959 (mehrfach, zuletzt 1994, geändert) ist Tunesien eine präsidiale Republik Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und oberster Inhaber der Exekutive ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präsident (zweimalige Wiederwahl möglich). Er ernennt und entlässt die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten und hat Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren. Die Legislative liegt bei der Nationalversammlung (163 Abgeordnete, für fünf Jahre gewählt; 144 Mandate werden nach Mehrheitswahlrecht und 19 nach Verhältniswahlrecht vergeben).
 
Parteien:
 
Neben dem staatstragenden Rassemblement Constitutionnel Démocratique (RCD; 1988 hervorgegangen aus dem Parti Socialiste Destourien [PSD]) existieren seit 1981 zahlreiche Oppositionsparteien, u. a. Mouvement des Démocrates Socialistes (MDS), Mouvement de la Rénovation (MR), Union Démocratique Unioniste (UDU) und Parti de l'Unité Populaire (PUP). Die islamische »En-Nadha« (deutsch Partei der Wiedergeburt) wurde bisher nicht legalisiert.
 
Wappen:
 
Im dreigeteilten Schild eine karthagische (punische) Galeere, eine Waage und ein Löwe mit Krummschwert. Ungewöhnlich ist die Positionierung des Schriftbandes in der Mitte des Schildes, das den Wahlspruch »Freiheit, Ordnung, Gerechtigkeit« enthält. Oberhalb des Schildes schwebt ein roter Halbmond mit Stern als Symbol für den Islam.
 
Nationalfeiertage:
 
Nationalfeiertag ist der 20. 3. (Unabhängigkeitstag).
 
Verwaltung:
 
Tunesien ist in 7 Regionen gegliedert, die sich in 23 Gouvernorate unterteilen, die in 199 Distrikte mit weiteren örtlichen Einheiten untergliedert sind.
 
Recht:
 
Die Rechtsprechung orientiert sich an europäischen Vorbildern, berücksichtigt dabei auch islamische Regeln, jedoch nicht islamisches Recht. Der mehrstufige Gerichtsaufbau besteht aus dem Obersten Gerichtshof, drei Berufungsgerichten, 13 Gerichtshöfen erster Instanz sowie 51 Amtsgerichten.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der Wehrpflichtarmee (Dienstzeit 12 Monate) beträgt etwa 35 000, die der paramilitärischen Nationalgarde rd. 10 000 Mann. Das Heer (rd. 27 000 Soldaten) ist in eine Wüstenbrigade, drei mechanisierte Brigaden und eine Flugabwehrbrigade sowie mehrere selbstständige Regimenter (Panzeraufklärer, Fallschirmjäger, Artillerie, Pioniere) gegliedert. Luftwaffe und Marine verfügen über je etwa 4 000 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus rd. 85 Kampfpanzern M-60, etwa 55 österreichischen Jagdpanzern »Kürassier«, rd. 40 Kampfflugzeugen (F-5, MB-326) und 20 Kleinen Kampfschiffen über 100 ts.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Relief, Klima und Vegetation gliedern Tunesien (800 km Nord-Süderstreckung) in fünf Großlandschaftsräume mit stark ausgeprägtem Nord-Süd-Wandel. Im mediterran-humiden Norden bilden die Ost-Ausläufer des algerischen Tellatlas im Küstenbereich die Bergländer Kroumir (800-1 200 m über dem Meeresspiegel) und Mogod (400-600 m über dem Meeresspiegel). Nach Süden schließt sich die weit gespannte Hügellandschaft im Einzugsbereich des Medjerda, des einzigen größeren Dauerflusses des Landes, an; sie reicht von den Plateauausläufern des Hohen Tell in ihrem Südwesten (800-1 000 m über dem Meeresspiegel) über die stark zerschnittene Medjerdaebene (400-600 m über dem Meeresspiegel) bis zu den Küstenebenen von Tunis und Biserta im Nordosten und steigt in den Bergrücken der Kap-Bon-Halbinsel noch einmal auf 400-600 m über dem Meeresspiegel an. Diese Landschaftszone ist die wichtigste Agrarregion (zur Tunesien Bewässerung) des Landes. Der nach Süden anschließende, von Südwesten nach Nordosten streichende und dabei flacher werdende Gebirgsrücken der Dorsale (mit der höchsten Erhebung des Landes, dem Djebel Chambi, 1 544 m über dem Meeresspiegel) bildet die Südgrenze des mediterranen Tunesien. Südlich folgen die plateauartigen zentraltunesischen Steppenlandschaften: das Steppenhochland im Westen (700 bis 800 m über dem Meeresspiegel), das Steppentiefland im Zentrum (um 200 m über dem Meeresspiegel) und der tunesischen Sahel im Osten mit Tafelflächen (100-200 m über dem Meeresspiegel) und Küstenebenen, die verbreitet Baumkulturen (v. a. Ölbäume) tragen. Der aride Süden beginnt zwischen Gafsa und Skhirra mit der Wüstensteppe, die in der Schottregion in die Wüste übergeht, mit dem Ostrand des Östlichen Großen Erg im Westen und der Dahar-Schichtstufe (bis 700 m über dem Meeresspiegel) im Osten, die mit 300-400 m hohem Steilrand nach Osten zur Djeffaraebene an der Syrtenküste abbricht. Die rd. 1 300 km lange Küste Tunesiens ist durch die Golfe von Tunis, Hammamet und Gabès gegliedert, hat lang gestreckte Sandstrände auf der Ostseite des Landes sowie vorgelagerte flache Inseln (Djerba, Kerkennainseln).
 
Klima:
 
Die Jahresniederschläge im mediterran geprägten Norden erreichen im Kroumir 1 000-1 570 mm (7-9 humide Monate) und im Mogod nur noch 600-800 mm (7-8 humide Monate); das im Regenschatten liegende Medjerdahügelland erhält 500-700 mm im Südwesten und 400-450 mm im Nordosten (5-7 humide Monate). An den Nordwesthängen der Dorsale (Wolkenstau) steigen die Niederschläge wieder auf 500-700 mm und sinken an den Südwesthängen auf 300-500 mm ab. Die Steppenlandschaften erhalten nur noch 100-200 mm (0-3 humide Monate), die Wüstenregion südlich der Schotts unter 100 mm (episodisch).
 
Im Norden liegen die mittleren Januartemperaturen bei 9-11 ºC, auf der westlichen Dorsale und den westlichen Hochflächen wegen des kontinentalen Einflusses bei 1,7 ºC, auf der östlichen Dorsale bei 5 ºC, im Sahel bei 11,5 ºC, in der ebenfalls kontinental beeinflussten Schottregion bei 3,1 ºC. Die mittleren Julitemperaturen liegen im nördlichen Bergland bei 25 ºC, im Küstenbereich, im nördlichen Sahel und auf der Dorsale bei 28 ºC (mittlere Maxima an der Küste 30-32 ºC, im nördlichen Sahel 38 ºC), im Medjerdatal bei 35-36 ºC. In den Steppenlandschaften steigen die mittleren Julitemperaturen von 27 ºC an der Küste (mittlere Maxima 32 ºC) auf 32 ºC im Landesinnern (mittlere Maxima 40 ºC), südlich der Schotts erreichen sie 46 ºC (mittlere Maxima im äußersten Süden um 55 ºC).
 
Vegetation:
 
In den nördlichen Bergländern gibt es in Hochlagen noch mediterrane Hartlaubwälder, in niedrigeren Lagen Sekundärmacchie und Garigue. Im Medjerdahügelland und auf der Dorsale treten inselhaft Aleppokiefern- und Wacholderbestände auf, auf der Dorsale mit Steineichen durchsetzt; die Südhänge tragen nur noch Macchie. Die Gebiete mit weniger als 400 mm Jahresniederschlag sind vielfach überweidete Steppen. Nördlich der Schotts beginnt die Wüstensteppe mit offenen Halbstrauch-, Zwergstrauch- und Trockengrasformationen, die nach Süden in die saharische Halbwüsten- und Wüstenvegetation übergeht. - Der Nationalpark Ichkeul (126 km2) am Südende des Ichkeulsees, Lebensraum von etwa 180 Vogelarten, einer Vielzahl von Sumpfpflanzen und der vom Aussterben bedrohten Wasserbüffel wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
 
Bevölkerung:
 
Rd. 98 % der Einwohner sind Araber und arabisierte Berber. Berber mit eigenen Dialekten, beschränkt auf inselhafte Rückzugsgebiete im Dahar (Chenini, Beni Barka), auf der Dorsale (Kessera, Takruna) sowie auf Djerba, machen nur 1,2 % der Bevölkerung aus. Etwa 70 % der Bevölkerung leben im Norden, v. a. in den Küstengebieten um die Hauptstadt. Fast alle bedeutenderen Städte liegen in den Küstengebieten. Die Urbanisierung hat in jüngerer Zeit rasch zugenommen; 1995 lebten 57 % der Bevölkerung Tunesiens in Städten. Die Geburtenziffer ist seit Mitte der 1960er-Jahre rückläufig; durch die Verbesserung der medizinisch-hygienischen und sozioökonomischen Verhältnisse ergab sich jedoch eine jährliche Bevölkerungszunahme von (1985-95) 2,1 %. Einige Tausend Tunesier arbeiten v. a. in Frankreich, ferner in Deutschland, Belgien und Italien.
 
Religion:
 
Die Verfassung bestimmt den sunnitischen Islam in der Tradition der Salafija zur Staatsreligion, garantiert jedoch auch das Recht der freien Religionsausübung nichtislamischer Bekenntnisse. Dem Islam, überwiegend in der malikitischen Rechtsschule vertreten, gehören rd. 98 % der Bevölkerung an; Minderheiten bilden die Hanefiten sowie die Ibaditen (Charidjiten) auf der Insel Djerba. - Die christliche Minderheit (nahezu ausschließlich Ausländer) bilden die rd. 21 000 katholischen Christen des exemten Bistums Tunis, die Mitglieder der kleinen französisch-reformierten Gemeinde und der anglikanischen Gemeinde und die wenigen griechisch-orthodoxen Christen. - Die jüdische Gemeinschaft zählt rd. 2 500 Mitglieder (1948: rd. 110 000) und steht geschichtlich in der Tradition der bereits um 500 v. Chr. belegten jüdischen Gemeinde Karthagos.
 
Bildungswesen:
 
Allgemeine Schulpflicht besteht vom 6. bis 14. Lebensjahr; Unterrichtssprachen sind Arabisch und Französisch. Das Schulsystem ist nach französischem Muster aufgebaut. Auf die Primarschule folgt die vierjährige Sekundarstufe, die zum Abitur führt. Die Arabisierung an Schulen und Hochschulen wird forciert, v. a. in den naturwissenschaftlichen Fächern. Die Analphabetenquote beträgt 33 %. Das Hochschulwesen umfasst v. a. drei Universitäten in Tunis (gegründet 1988) sowie eine Universität in Sfax (gegründet 1986).
 
Publizistik:
 
Alle Periodika erscheinen in Tunis. Die wichtigsten Tageszeitungen sind: »L'Action« (französisch, gegründet 1932, Auflage 50 000), »Al-Amal« (arabisch, 1934, Organ der RCD, 50 000), »Ach-Chaab« (arabisch, 1985, Organ der Gewerkschaft UGTT), »As-Sabah« (arabisch, 1951, 50 000); »La Presse de Tunisie« (französisch, 1936, regierungseigen, 40 000), »La Presse Soir« (französisch, gegründet 1988). Staatliche Nachrichtenagentur ist »Tunis Afrique Presse« (TAP, gegründet 1961). Die staatliche Rundfunkgesellschaft »Radiodiffusion Télévision Tunisienne« (RTT, gegründet 1961) strahlt Hörfunkprogramme in Französisch, Arabisch und Italienisch aus. Fernsehen gibt es seit 1966 in Nord- und Zentraltunesien, seit 1972 landesweit; seit 1970 auch Direktübertragungen des französischen Fernsehens.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Die wirtschaftliche Entwicklung Tunesiens basiert auf der Erdöl- und Phosphatförderung, der Textilindustrie und dem Tourismus. Mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) je Einwohner von (1995) 1 820 US-$ gehört Tunesien zu den Entwicklungsländern mit mittlerem Einkommen. Die Inflationsrate lag 1985-95 bei durchschnittlich jährlich 6 %. Die Auslandsverschuldung zeigt steigende Tendenz und betrug 1995: 9,938 Mrd. US-$, sodass 17 % der Exporterlöse für den Schuldendienst aufgewendet werden müssen. 1996 waren 16 % der Erwerbspersonen arbeitslos.
 
Landwirtschaft:
 
Der Anteil des Agrarsektors (einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei) am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank zwar von (1990) 16 % auf (1995) 12 %, dennoch sind 21 % der Erwerbstätigen in diesem Bereich beschäftigt. Die Besitzstruktur wird durch eine Vielzahl von Kleinbetrieben bestimmt. Im fruchtbaren Norden werden v. a. Getreide, Obst, Gemüse, Zitrusfrüchte und Weinreben (nordafrikanische Weine) angebaut. Die Zentralregion wird durch Getreideanbau, Ölbaumplantagen und Weideland geprägt. Oliven (Ernte 1995: 475 000 t) sind das für den Export (meist Olivenöl) wichtigste Agrarprodukt. Im Süden bestehen vereinzelt Oasenwirtschaften (Dattelpalmen) und Weideflächen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst (1995) 4,9 Mio. ha Ackerland und Dauerkulturen sowie 3,1 Mio. ha Weideland. Die bewässerte Fläche (275 000 ha; meist klein parzellierter Feldbau und Baumkulturen, v. a. im Norden und in den Oasen) erbringt allein über 25 % der landwirtschaftlichen Produktion. Doch auch in guten Erntejahren müssen Nahrungsmittel importiert werden, v. a. Getreide, Milchprodukte und Zucker.
 
Forstwirtschaft:
 
Größere Waldbestände gibt es nur noch im nordwestlichen Bergland (Kork- und Steineichen) und im westlichen Binnenland (Aleppokiefern und Steineichen), die aber überwiegend durch Verbiss und Raubbau degeneriert sind (Waldfläche 1995: 676 000 ha). Der Holzeinschlag belief sich 1994 auf 3,5 Mio. m3.
 
Fischerei:
 
Das Zentrum der Fischerei (Sardinen, Sardellen, Garnelen, Thunfisch) liegt in Sfax am Golf von Gabès. Die Fangmenge lag (1994) bei 86 600 t.
 
Bodenschätze:
 
Neben dem Phosphatbergbau (Förderung 1995: 6,3 Mio. t; in der Zentralregion bei Gafsa/Metlaoui und westlich von Kalaa-Djerda) sind die Erdölförderung (4,3 Mio. t; v. a. im Al-Borma-Feld im Süden und im Festlandsockel bei den Kerkennainseln) sowie die Erdgasgewinnung (335 Mio. m3; v. a. am Golf von Gabès) von großer Bedeutung. Weniger bedeutend sind die Eisenerzförderung (225 000 t) und Salzgewinnung (319 000 t) sowie der Abbau von Blei- und Zinkerzen, Flussspat und Baryt.
 
Industrie:
 
Seit den 1970er-Jahren liegt der Schwerpunkt der industriellen Entwicklung auf dem Aufbau exportorientierter, arbeitsintensiver Industriezweige (BIP-Anteil der Industrie einschließlich Bergbau, Energie- und Bauwirtschaft 1995: 29 %). Die Textilindustrie spielt eine führende Rolle, weitere wichtige Branchen sind das Nahrungsmittelgewerbe sowie die Metallverarbeitung. Die größten Industriestandorte sind Tunis sowie die Hafenstädte Sousse und Sfax; in Biserta befindet sich eine Erdölraffinerie.
 
Tourismus:
 
Der Tourismus konzentriert sich auf die Küste und die Insel Djerba. Es werden jedoch vermehrt touristische Zentren im Landesinnern eingerichtet. 1996 kamen 3,9 Mio. ausländische Gäste nach Tunesien, v. a. aus Deutschland, Algerien, Frankreich und Libyen.
 
Außenwirtschaft:
 
Die Außenhandelsbilanz Tunesiens ist seit 1970 defizitär (Einfuhrwert 1995: 7,9 Mrd. US-$; Ausfuhrwert: 5,5 Mrd. US-$). Wichtigste Exportgüter sind zu 75 % Industrieprodukte, ferner Erdöl, Phosphate und deren Derivate sowie Nahrungsmittel. Bedeutendste Handelspartner sind Frankreich (25 % des Exportvolumens), Italien (21 %) und Deutschland (14 %).
 
Verkehr:
 
Nordtunesien verfügt über eine gut entwickelte Verkehrsinfrastruktur; so befinden sich rd. 70 % des (1994) 2 152 km langen staatlichen Eisenbahnnetzes im nördlichen Landesteil. Mehr als die Hälfte des rd. 29 000 km umfassenden Straßennetzes ist befestigt. Die 150 km lange Autobahn von Tunis über Hammamet nach Sousse ist teilweise fertig gestellt. Wichtigste Hafenstädte an der 1 300 km langen Küste sind Tunis-La Goulette, Biserta, Sfax, Sousse, Gabès und La Skhirra (v. a. Ölhafen). Der größte der fünf internationalen Flughäfen ist Tunis-Carthage (Karthago), die von Djerba und Monastir dienen fast ausschließlich dem Tourismus.
 
 
Das von Berberstämmen bewohnte Land wurde seit etwa 1100 v. Chr. von Phönikern kolonisiert, die später Karthago gründeten. Nach der Zerstörung Karthagos durch die Römer Ende des 3. Punischen Krieges (146 v. Chr.) kam Tunesien unter römischer Herrschaft (Provinz Africa mit der Hauptstadt Utica). 429 n. Chr. fielen die Wandalen ein und machten Tunesien zum Mittelpunkt ihres Reiches. Seit 533 stand es unter byzantinischer Herrschaft (Exarchat Karthago). Etwa 650 bis 698 (endgültige Zerstörung Karthagos) eroberten die Araber Tunesien und gründeten die Hauptstadt Kairouan. Im Rahmen des Kalifenreiches unterstand Tunesien als Provinz Ifrikija eigenen Dynastien, den Aghlabiden, den Fatimiden und den Siriden. Im 10. Jahrhundert gewann es als Ausgangspunkt der Eroberung Siziliens und als wissenschaftliches Zentrum allmählich größere Bedeutung; unter den Almohaden und Hafsiden wuchs auch seine politische Rolle. Mithilfe seiner Seemacht konnte Tunesien den Vorstoß Ludwigs IX., des Heiligen, von Frankreich abwehren (7. Kreuzzug) und zeitweise größere Teile Algeriens besetzen. Im Kampf gegen die Spanier, die seit 1535 die Oberhoheit innehatten, und die Hafsiden eroberten die Türken 1574 endgültig das Land und ließen es durch Paschas (bis 1590) und Deis (bis 1640) verwalten, denen Beis aus der Familie der Muradiden folgten (bis 1702). Die Ansiedlung von aus Spanien vertriebenen Morisken (nach 1609) brachte einen bedeutenden wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Nach dreijährigem Machtkampf begründete der Janitscharenoffizier Husain Ibn Ali (✝ 1739/40) 1705 die Beidynastie der Husainiden, die bis zur Einführung der Republik (1957) an der Spitze blieben. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Piraterie abgeschafft, was zum wirtschaftlichen Niedergang beitrug; 1869 kam es zum Staatsbankrott. Der französische Einfluss wuchs seit der Eroberung Algeriens (seit 1830); 1881 wurde Tunesien französisches Protektorat, anerkannt durch den seit 1859 regierenden Bei Mohammed as-Sadik (* 1813, ✝ 1882) im Bardo-Vertrag vom 12. 5. 1881. Nach dem Vorbild der Jungtürken, aber auch der Ereignisse in Russland und Persien seit 1905, bildete sich 1907 die Bewegung der »Jungtunesier«, 1920 die Destur als Partei der Nationalisten. Von ihr spaltete sich, geführt von H. Bourguiba, 1934 die radikalere Neo-Destur-Partei ab. Verhandlungen über die Einführung eines parlamentarisch-demokratischen Systems zwischen den Gruppen der tunesischen Nationalbewegung und der französischen Volksfrontregierung unter L. Blum wurden nach deren Sturz von den folgenden Regierungen nicht mehr aufgenommen. So lösten Unruhen (1937) die Ausrufung des Ausnahmezustandes aus (1938). Im Zweiten Weltkrieg war Tunesien von November 1942 bis Mai 1943 Kriegsschauplatz. Neben der »Neo-Destur-Bewegung« wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg die Gewerkschaftsorganisation »Union Générale des Travailleurs de Tunisie« (UGTT), gegründet 1948, zu einem zweiten Machtfaktor der tunesischen Nationalbewegung heran. Nachdem die französische Kolonialmacht zunächst versucht hatte, die tunesischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu unterdrücken (Inhaftierung Bourguibas, 1952-55), sah sie sich unter dem steigenden politischen Druck der Nationalbewegung zum Einlenken gezwungen: Am 1. 9. 1955 erhielt Tunesien Autonomie, am 20. 3. 1956 (mit Lösung des Protektoratsvertrages) die Unabhängigkeit. Am 15. 4. 1956 wurde Bourguiba Ministerpräsident; am 25. 7. 1957 setzte seine Regierung Mohammed VIII. al-Amin (* 1881, ✝ 1962), seit 1943 Bei von Tunis, ab und rief die Republik aus.
 
Im Rahmen eines präsidentiellen Regierungssystems übernahm Bourguiba am 25. 7. 1957 neben dem Amt des Ministerpräsidenten auch das des Präsidenten der Republik (1964 und 1969 wieder gewählt, 1975 auf Lebenszeit). Seit 1957 entwickelte sich die »Neo-Destur-Bewegung« immer mehr zur allein bestimmenden Staatspartei, die sich zu einem Sozialismus auf islamische Grundlage bekannte. 1964 als PSD reorganisiert, beschloss sie 1964 die Sozialisierung aller Wirtschaftsbereiche. Die Durchsetzung eines kollektiven Farmsystems musste jedoch 1969 infolge des Widerstandes der ländlichen Bevölkerung gegen diese Politik gestoppt werden. In den 70er-Jahren gewann die Unzufriedenheit mit der Einparteienherrschaft des PSD an Boden und führte 1978 in Verbindung mit sozialen Spannungen zum Generalstreik und zu blutigen Auseinandersetzungen. Mit der Zulassung der KP (1981) sowie des MDS und des PUP entfernte sich Tunesien vom Einparteiensystem. Bei den Parlamentswahlen von 1986 beteiligten sich jedoch die meisten in Opposition stehenden Parteien nicht; der herrschende PSD gewann alle Mandate.
 
Nachdem Präsident Bourguiba Amtsunfähigkeit bescheinigt worden war, wurde er am 7. 11. 1987 durch Ministerpräsident Zine el-Abidine Ben Ali entmachtet, der das Amt des Staatspräsidenten übernahm (1989, 1994, 1999 durch Wahlen im Amt bestätigt). Ein 1988 verabschiedetes Parteiengesetz institutionalisierte zwar das Mehrparteiensystem, wird aber wegen des darin festgeschriebenen Vorrangs für die Regierungspartei RCD und der restriktiven Bestimmungen von der Opposition, die seit 1994 im Parlament vertreten ist, abgelehnt. In den 80er-Jahren nahmen die Spannungen zwischen den laizistischen Kräften und den islamischen Fundamentalisten stark zu. Im April 1990 verkündete die fundamentalistische Organisation »En-Nadha« ihr Programm (»Islam steht über allem«). Einem Erstarken der islamistischen Gruppen suchte die Regierung mit dem Ausbau der sozialen Versorgung, Förderung der Bildung sowie dem Abbau der hohen Arbeitslosigkeit zu begegnen. Entgegen den Ankündigungen von Staatspräsident Ben Ali, 1997 demokratische Reformen einzuleiten, kam es zu verschärfter Verfolgung und Behinderung oppositioneller Kräfte.
 
 
Allgemeines:
 
H.-J. Kress: »Andalus.« Strukturelemente in der kulturgeograph. Genese T.s, in: Beitr. zur Kulturgeographie der Mittelmeerländer, hg. v. C. Schott, Tl. 3 (1977);
 H. Mensching: T. (31979);
 P. Frankenberg: T. Ein Entwicklungsland im maghrebin. Orient (21981);
 H. Sethom u. A. Kassab: Les régions géographiques de la Tunisie (Tunis 1981);
 
T., hg. v. K. Schliephake (1984);
 H.-J. Aubert: T. Kunst- u. Reiseführer mit Landeskunde (1986);
 M. Jedidi: Croissance économique et espace urbain dans le Sahel tunisien depuis l'indépendence, 2 Bde. (Tunis 1986);
 S. Bantle: Schattenhandel als sozialpolit. Kompromiß. Die »libyschen Märkte« in T. (1994);
 
T. Landschaft, Kultur, Gesch., Beitrr. v. F. Mellah u. a. (a. d. Ital., 1994).
 
 
É. F. Gautier: Les siècles obscurs du Maghreb (Paris 1927);
 
É. Fitoussi u. A. Bénazet: L'état tunisien et le protectorat français, 2 Bde. (Neuausg. ebd. 1931);
 
R. Brunschvig: La Tunisie dans le haut Moyen Âge (Kairo 1948);
 
C. H. Moore: Tunisia since independence (Berkeley, Calif., 1965, Nachdr. Westport, Conn., 1982);
 
P. Grandchamp: Études d'histoire tunisienne XVIIe-XXe siècles (Paris 1966);
 
A. Pavy: Histoire de la Tunisie (Tunis 21977);
 
K. J. Perkins: Tunisia (Boulder, Colo., 1986);
 
S. Faath: Herrschaft u. Konflikt in T. (1989);
 
M. Nasraoui: La répresentation de la pauvreté dans la société tunisienne (Paris 1996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Nordafrika in der frühen Neuzeit: Zwischen Europäern und Osmanen
 
Osmanisches Reich: Aufteilung als Höhepunkt des Kolonialismus
 

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Tu|ne|si|en; -s: Staat in Nordafrika.

Universal-Lexikon. 2012.