Akademik

Nicaragua
Ni|ca|ra|gua; -s:
Staat in Mittelamerika.

* * *

Nicaragua
 
 
Kurzinformation:
 
Fläche: 120 254 km2
 
Einwohner: (2000) 4,8 Mio.
 
Hauptstadt: Managua
 
Amtssprache: Spanisch
 
Nationalfeiertage: 19. 7. und 15. 9.
 
Währung: 1 Córdoba (C$) = 100 Centavos (c, cts)
 
Zeitzone: 500 Managua = 1200 MEZ
 
[spanisch nika'raɣu̯a], auch Nikaragua, amtlich spanisch Repụ́blica de Nicaragua, Staat in Zentralamerika, zwischen Pazifik und Karibischem Meer, grenzt im Norden an Honduras, im Süden an Costa Rica, 120 254 km2, (2000) 4,8 Mio. Einwohner; zu Nicaragua gehören auch einige kleine, der karibischen Küste vorgelagerte Inseln, u. a. die Islas del Maíz. Hauptstadt ist Managua, Amtssprache Spanisch. Währungseinheit: 1 Córdoba (C$) = 100 Centavos (c, cts). Zeitzone: Central Standard Time (500 Managua = 1200 MEZ).
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Gemäß der am 9. 1. 1987 verkündeten Verfassung (mehrfach, zuletzt 2000, revidiert) ist Nicaragua eine präsidiale Republik. Staatsoberhaupt, oberster Inhaber der Exekutive (Regierungschef) sowie Oberbefehlshaber der Streit- und Sicherheitskräfte ist der Präsident (mit einem Vizepräsident als Stellvertreter), der vom Volk direkt auf fünf Jahre gewählt wird (keine direkte Wiederwahl möglich). Er ernennt die Mitglieder des Kabinetts und besitzt gegenüber dem Parlament ein Vetorecht. Die Legislative liegt bei der Nationalversammlung (Asamblea Nacional), deren (derzeit) 93 Abgeordneten vom Volk im Verhältniswahlsystem für fünf Jahre gewählt werden.
 
Parteien:
 
Einflussreichste Parteien und Bündnisse im stark zersplitterten, instabilen Parteiensystem sind die Allianza Liberal, bestehend aus Partido Liberal Constitucionalista (PLC, gegründet 1968), Partido Neo-Liberal (PALI, gegründet 1985), Partido Unionista Centroamericano (PUCA, gegründet 1904 ) und Partido Liberal Independiente de Unidad Nacional (PLIUN, gegründet 1988), der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN), der Partido Conservador de Nicaragua (PCN, gegründet 1979) und der Camino Cristiano Nicaragüense (CCN). Die im Januar 2000 in Kraft getrenene Wahlrechtsänderung bindet den Parteienstatus an einen Stimmenanteil bei Wahlen von mindestens 4 %.
 
Gewerkschaften:
 
Neben den sandinistisch dominierten Gewerkschaftsverbänden, Central Sandinista de Trabajadores (CST) und Asociación de Trabajadores del Campo (ATC) und Federación de Trabajadores de Salud (FETSALUD), gewannen nach 1990 auch bürgerliche Gewerkschaften an Einfluss, z. B. Central de Trabajadores de Nicaragua (CTN) und Confederación de Unificación Sindical (CUS).
 
Wappen:
 
Das Wappen (1908) in Form eines gleichseitigen Dreiecks zeigt eine Kette von fünf Vulkanen zwischen zwei Meeren, darüber die von einem Regenbogen überspannte, Lichtstrahlen aussendende rote Freiheitsmütze. Das Dreieck ist kreisförmig umschrieben mit dem amtlichen Staatsnamen im oberen und mit »America Central« im unteren Schriftbogen.
 
Nationalfeiertage:
 
Nationalfeiertage sind der 19. 7. (Tag der Befreiung) und der 15. 9., der an die Erlangung der Unabhängigkeit 1821 erinnert.
 
Verwaltung:
 
Nicaragua ist in 15 Departamentos und zwei autonome Regionen gegliedert.
 
Recht:
 
Die Rechtsprechung liegt in Händen des Obersten Gerichtshofes, dessen Richter für sechs Jahre von der Nationalversammlung berufen werden, der Appellationsgerichte und der »Gerichte der Republik«.
 
Streitkräfte:
 
Die Gesamtstärke der Freiwilligenarmee beträgt etwa 12 000 Mann. Das Heer (rd. 10 000 Soldaten) ist in fünf Regionalkommandos gegliedert. Die Luftwaffe hat rd. 1 200, die Marine rd. 800 Mann. Die Ausrüstung besteht im Wesentlichen aus etwa 150 Kampfpanzern T-54/-55, 12 leichten Kampfflugzeugen und 20 Patrouillenbooten. - Das Land verwendet etwa 8 % der Staatsausgaben für die Verteidigung.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Nicaragua wird im westlichen Teil durch eine von Nordwesten nach Südosten verlaufende Grabensenke (Nicaraguasenke) mit dem Nicaraguasee (8 264 km2) und dem Managuasee (1 040 km2) bestimmt, die bis ins Pliozän von Meereswasser erfüllt war. Den Westrand der Senke bildet eine Reihe von Vulkanen, sieben waren in historischer Zeit aktiv und brachten neben Zerstörungen wertvolle Aschenregen zur Regeneration der seit vorspanischer Zeit intensiv genutzten Agrarböden; häufig treten in dieser Zone Erdbeben auf (z. B. zerstörten 1931 und 1972 heftige Erdstöße die Hauptstadt Managua). Im Süden erhebt sich zwischen Grabensenke und Pazifik ein bis 900 m hohes Bergland. Östlich trennt ein bis 2 100 m über dem Meeresspiegel hohes Bergland die Senke von der an breiten Sümpfen und Lagunen reichen karibischen Küstenebene (Mosquitoküste).
 
Klima:
 
Das tropische Klima weist geringe jahreszeitliche Temperaturschwankungen auf (im Tiefland 22-26 ºC, im Bergland 17-22 ºC). Das zentrale Gebirgsland bewirkt infolge des jahreszeitlichen Wechsels zwischen Nordost- und Südwestwinden eine Trennung zwischen den immerfeuchten Gebieten mit 2 500-6 000 mm Jahresniederschlag im Osten und den wechselfeuchten Gebieten mit maximal 2 000 mm Jahresniederschlag im Westen (in der Senkenzone zum Teil unter 1 000 mm). Die Regenzeit reicht von Mai bis Oktober. Häufiger treten Hurrikane an der Atlantikseite auf.
 
Vegetation:
 
Auf der karibischen Seite schließt sich an die Kiefernsavannen im Norden nach Süden tropischer Regenwald an, der oberhalb 600 m über dem Meeresspiegel in immergrünen Bergwald übergeht. Daneben gibt es Mangroven, Palmsümpfe und durch Menschen degradierte Savannen. Regengrüne Mischwälder mit Eichen und Kiefern bedecken oberhalb 800 m über dem Meeresspiegel die Westlagen des zentralen Berglandes, in tieferen Lagen herrschen regengrüne Feuchtwälder mit Hülsenfrüchtlern vor. Die früher regengrünen Trockenwälder im Innern der Grabensenke sind weitgehend zugunsten der Landwirtschaft gerodet.
 
Bevölkerung:
 
Rd. 60 % der Bevölkerung wohnen zwischen der Pazifikküste und den großen Seen. Auch das nördliche Hochland ist dicht besiedelt (rd. 30 % der Bevölkerung Nicaraguas). Die Bevölkerung besteht zu 69 % aus Mestizen, 8 % Weißen und 9 % Schwarzen (1991). Das karibische Tiefland hat nur wenige Siedlungszentren an der Küste und an Flussläufen, wo v. a. Indianer (5 %; Misquito, Sumo, Rama) und von den Westindischen Inseln eingewanderte Schwarze (einschließlich Mulatten und Zambos) leben. Der Anteil der städtischen Bevölkerung lag 1995 bei 62 % (25 % in der Agglomeration Managua); die nächstgrößten Städte sind León, Masaya, Chinandega, Matagalpa und Granada. Außer Spanisch werden indianische Sprachen und unter Schwarzen, zum Teil auch unter den Indianern an der karibischen Küste Englisch gesprochen.
 
Religion:
 
Es besteht Religionsfreiheit. Seit 1894 sind Staat und Kirche gesetzlich getrennt. Rd. 97 % der Bevölkerung sind Christen. Rd. 84 % gehören der katholischen Kirche als der traditionell größten Glaubensgemeinschaft an. Die von kirchlichen Gruppen und zahlreichen Geistlichen (u. a. E. Cardenal) getragene katholische Basisbewegung (»Iglesia popular«), in den 1980er-Jahren zusammen mit der sandinistischen Regierung bestrebt, grundlegende sozialpolitische Reformen umzusetzen, hat ihre Bedeutung in der katholischen Kirche Nicaraguas nahezu verloren. Den zahlreichen protestantischen Kirchen und Gemeinschaften (besonders Pfingstler, Adventisten, Brüdergemeine [»Iglesia Morava«], Church of God, Baptisten) gehören rd. 13 % der Bevölkerung an (mit wachsender Tendenz).
 
Bildungswesen:
 
Es besteht vom 6. bis 13. Lebensjahr allgemeine Schulpflicht; der Unterricht ist unentgeltlich. Es gibt sechsjährige Primarschulen, denen sich fünf- bis sechsjährige allgemein bildende und berufsbildende Sekundarschulen anschließen. Die Analphabetenquote beträgt 36,6 %. In Managua bestehen u. a. eine staatliche Universität (gegründet 1812, Außenstelle in León), eine private Universität (1961), eine polytechnische Universität (1967) und eine Universität für Ingenieurwissenschaften (1983), dazu zahlreiche andere Hochschuleinrichtungen.
 
Publizistik:
 
Überregionale Tageszeitungen sind die sandinistische »Barricada« (gegründet 1979; Auflage 95 000), die traditionsreiche konservative »La Prensa« (gegründet 1926, 1986-87 verboten), die unter Pedro Joaquín Chamorro in Opposition zum Somozaregime stand und heute von der ehemaligen Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro geleitet wird (Auflage 75 000), ferner die dem FSLN nahe stehende Boulevardzeitung »Nuevo Diario« (gegründet 1980; Auflage 45 000). Nachrichtenagentur ist die »Agencia Nicaragüense de Noticias« (ANN). Nicaragua hat eine Vielzahl parteieigener, kirchlicher und privater Rundfunkgesellschaften, u. a. das sandinistische »Radio Sandino« (gegründet 1977), »Radio Católica« (gegründet 1961, 1986-87 geschlossen), das konservativ ausgerichtete »Radio Corporación«, mit meist lokalen Hörfunkprogrammen. Neben dem staatlichen Fernsehen »Sistema Nacional de Televisión« (SNTV) haben sich private Fernsehsender etabliert.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Nachdem sich nach der sandinistischen Revolution (1979) zunächst ein wirtschaftlicher Aufschwung abgezeichnet hatte, geriet Nicaragua seit Mitte der 80er-Jahre durch den Bürgerkrieg in eine schwere Wirtschaftskrise, die auch nach dem Krieg und Machtwechsel 1990 anhält. Besonders die Einstellung der Wirtschaftshilfe seitens der USA (1980) und das 1985 verfügte US-Handelsembargo (bis 1979 gingen rd. 80-90 % der Exporte in die USA) haben die wirtschaftliche Entwicklung stark beeinträchtigt. So sank das Bruttosozialprodukt (BSP) 1995 auf 380 US-$ je Einwohner (1987: 830 US-$). Der Regierung Chamorro gelang es jedoch, mit einer restriktiven Geldpolitik Anfang der 90er-Jahre die galoppierende Inflation (1988: 11 000 %) auf 15 % zurückzudrängen. Seit 1992 beginnt sich die wirtschaftliche Lage langsam zu erholen. Die öffentlichen Auslandsschulden stiegen von (1970) 147 Mio. US-$ auf (1994) 11,7 Mrd. US-$. Der Schuldendienst betrug 1994 275 Mio. US-$.
 
Das von den Sandinisten nach 1979 eingeführte gemäßigte sozialistische Wirtschaftsmodell mit einer Mischung aus Privat- und Staatsbesitz sowie zahlreichen Sozialleistungen scheiterte in der Folge durch hohe Kriegskosten, das US-Embargo, die Zerstörung von Wirtschaftsanlagen durch die Contra-Rebellen und falsche Wirtschaftsmaßnahmen. So blieb zwar ein Großteil von Landwirtschaft und Industrie in Privatbesitz, doch fehlten hinreichende wirtschaftliche Anreize. Weiterhin spielte auch die unter Somoza verstärkte Abhängigkeit Nicaraguas von seinen landwirtschaftlichen Exportprodukten eine wichtige Rolle. Die neue Regierung verfolgt einen marktwirtschaftlichen Kurs (finanziell besonders von den USA unterstützt) und will u. a. durch Reaktivierung der privaten Investitionstätigkeit, Reprivatisierung von Staatsbetrieben, Rückgabe des an Landlose verteilten Bodens an die früheren Eigentümer, Förderung von exportorientierter Landwirtschaft die wirtschaftliche Entwicklung stabilisieren. Die Reduzierung des aufgeblähten Staatsapparates auf einen um zwei Drittel verringerten Personalbestand und die Geldmengenkontrolle führten 1994 zu einem über drei Jahre zugesagten IWF-Kredit zur Strukturanpassung von jährlich 173 Mio. US-$. Schuldenerlasse aus Europa und Russland halfen zusätzlich, die Lage zu verbessern. Trotzdem leben 60 % der Erwerbstätigen und 75 % der Gesamtbevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
 
Landwirtschaft:
 
Die Landwirtschaft erbringt (1995) 33 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und rd. 90 % des Ausfuhrwertes. Die landwirtschaftliche Nutzfläche setzt sich zusammen aus (1994) 1,0 Mio. ha Ackerland, 170 000 ha Dauerkulturen und 5,5 Mio. ha Wiesen und Weiden. Die von den Sandinisten durchgeführte Agrarreform hat den Anteil des Großgrundbesitzes von 36 % auf 9 % reduziert. Etwa die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche gehört privaten Klein- und Mittelbetrieben. Der weitaus überwiegende Teil des agrarisch genutzten Gebietes liegt im pazifischen und zentralen Raum. Aus dem pazifischen Tiefland kommen u. a. Baumwolle, Zuckerrohr, Bananen, aus dem Hochland Kaffee. An der karibischen Küste sind in neuerer Zeit v. a. um Puerto Cabezas und Bluefields Reis-, Bananen-, Zuckerrohr- und Kakaopflanzungen angelegt worden. Beachtlichen Umfang hat die Viehwirtschaft, v. a. die Rinderzucht (rd. 20 % der Gesamtproduktion). Die in den Kleinbetrieben erzeugten Grundnahrungsmittel (v. a. Mais, Reis, Hirse u. a.) müssen durch Importe ergänzt werden.
 
Forstwirtschaft:
 
Durch jahrelangen Raubbau, v. a. durch ausländische Unternehmen, sind die wertvollen Holzbestände weitgehend erschöpft. Die Waldfläche wird mit (1994) rd. 3 Mio. ha angegeben. Der Holzeinschlag beträgt (1993) 3,7 Mio. m3; davon wurden 80 % für Brennholz verwendet.
 
Fischerei:
 
Fischerei wird v. a. im Karibischen Meer betrieben. Fast die gesamte Fangmenge (1993: 8 800 t, davon 500 t Schalentiere; 1980: 20 000 t) wird exportiert.
 
Bodenschätze:
 
Die Bedeutung des Bergbaus ist mit Ausnahme von Edelmetallen und Kupfer gering, obwohl Nicaragua auch über Blei-, Zink-, Zinn- und Eisenerzlagerstätten verfügt. Gewonnen wurden (1991) 1 154 kg Gold (1980: 2 084 kg) und rd. 2 000 kg Silber (1980: 5 194 kg). US-amerikanische und kanadische Unternehmen haben seit kurzem die Produktion im Goldbergbau aufgenommen. Die Salzproduktion beträgt 15 000 t (1993).
 
Industrie:
 
Der industrielle Sektor (einschließlich Bergbau) trägt mit (1995) 20 % zur Entstehung des BIP bei. Die Industrie ist sehr stark auf die Großräume Managua und Chinandega-Corinto-León am Pazifik konzentriert. Wichtigste Teilbereiche sind die Verarbeitung der einheimischen Agrarprodukte, ferner werden Textilien, Leder-, Metallwaren, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse hergestellt.
 
Außenwirtschaft:
 
Die Handelsbilanz weist ein sehr hohes Defizit aus (Einfuhrwert 1994: 784,7 Mio. US-$, Ausfuhrwert: 351,2 Mio. US-$). Die Exporte bestehen v. a. aus Kaffee (12 %), Fleisch (23 %), Industrieprodukten (21 %), Schalentieren (10 %), Baumwolle und Zucker. Wichtigste Handelspartner sind bei den Exporten die USA (42 %), Kanada, Deutschland und Belgien, bei den Importen v. a. die USA, Venezuela und die zentralamerikanischen Länder.
 
Verkehr:
 
Die Verkehrserschließung ist noch unzureichend. Das insgesamt 287 km umfassende Eisenbahnnetz wird seit 1994 wegen Unrentabilität nicht mehr genutzt. Die wichtigsten Verbindungen des (1994) rd. 15 286 km langen Straßennetzes sind der 384 km lange Abschnitt des Panamerican Highway und die Verbindungen zur Pazifikküste. Wichtig ist auch die Binnenschifffahrt auf dem Nicaraguasee. Neben Panama ist Nicaragua das einzige Land Zentralamerikas mit eigener Handelsflotte (25 Schiffe). Wichtigste Häfen am Pazifik sind Corinto, Puerto Sandino (früher Puerto Somoza) und San Juan del Sur, am Karibischen Meer El Bluff und El Rama. Seit 1996 gibt es Pläne für eine 40 km lange Kanalverbindung zwischen Pazifik und Atlantik. Managua hat einen internationalen Flughafen.
 
 
Von C. Kolumbus 1502 entdeckt, wurde Nicaragua von G. González de Ávila 1522 erobert und nach dem an der Westküste ansässigen Indianerstamm Nicarao benannt. 1524 gründete F. Hernández de Córdoba die Städte León (seit 1531 Bischofssitz) und Granada. Die Eroberung beschränkte sich zunächst v. a. auf das westliche Bergland. Das Verbot der Indianerversklavung führte bei den spanischen Siedlern zu einem Aufstand, der 1550 niedergeworfen wurde und die Angliederung Nicaraguas an das Generalkapitanat Guatemala nach sich zog. In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts plünderten Flibustier Granada. Die Bevölkerung lebte v. a. von der Landwirtschaft (Viehzucht, Zucker, Baumwolle), am Pazifik vom Schiffbau. Der Handel mit Europa verlief vom Pazifikhafen El Realejo aus über die militärisch gesicherte Landenge von Panama. Seit der Kolonialzeit bildete sich eine mestizisch bestimmte Gesellschaft aus. Der klimatisch unwirtliche Osten blieb Domäne der Mosquitoküsten-Flibustier und der Misquito-Indianer, die starken englischen Einflüssen unterlagen und sich der spanischen Herrschaft erfolgreich widersetzten.
 
Als 1821 Mexiko seine Unabhängigkeit von Spanien erklärte, schloss sich Nicaragua dem neuen Kaiserreich an. 1822-38 bildete es dann einen Teil der Vereinigten Staaten von Zentralamerika. Wegen seiner Lage zwischen Atlantik und Pazifik wurde Nicaragua für die aufstrebenden USA strategisch bedeutsam (Kanalprojekt vom Río San Juan zum Nicaraguasee mit Durchstich zum Pazifik). Die Rivalitäten zwischen den USA und Großbritannien um einen Zweimeerkanal führten zu einem Stillhalteabkommen (Clayton-Bulwer-Vertrag). Die ständigen Kämpfe zwischen Liberalen und Konservativen (den beiden rivalisierenden politischen Gruppen der Oberschicht) förderten den Aufstieg des nordamerikanischen Abenteurers W. Walker, der zunächst mit einigen Freischärlern den Liberalen zum Sieg verhalf und sich später selbst zum Präsidenten wählen ließ. Walker wurde 1857 vertrieben. Zwischen 1857 und 1893 regierten konservative Präsidenten. Unter dem als Angehöriger des liberalen Lagers angetretenen, aber autoritär regierenden J. S. Zelaya (1893-1909) wurde der Einfluss der Kirche zurückgedrängt und eine vom Positivismus beeinflusste Modernisierung des Landes betrieben (Erziehungswesen, Ausbau des Verkehrsnetzes). Zelaya unterwarf endgültig die Misquito-Indianer und gliederte ihr Gebiet dem Staat ein. Außenpolitisch verwickelte er Nicaragua in militärischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten. Sein diktatorisches Regime wurde 1909 mithilfe der USA, die ihre Kanalinteressen bedroht sahen, gestürzt. Die USA übernahmen 1912 mit Marineinfanterieeinheiten die militärische, ökonomische und politische Kontrolle über Nicaragua, die u. a. im Bryan-Chamorro-Vertrag (1916) zum Ausdruck kam, in dem sich die USA für 3 Mio. US-$ das Recht auf eine interozeanische Kanalverbindung sowie die Errichtung von Marinestützpunkten sicherten. Aber auch auf die Regierungsbildung nahmen die USA Einfluss, das Zoll-, Bank- und Transportwesen blieb bis 1925 in nordamerikanischer Hand. 1927 formierte sich eine gegen die Fremdherrschaft gerichtete Arbeiter- und Bauernfraktion unter A. C. Sandino, die Ende 1932 nach einem sechsjährigen Befreiungskampf den Abzug der amerikanischen Einheiten durchsetzen konnte. Den Anhängern Sandinos gelang es jedoch nicht, die von den USA ausgebildete und unterstützte Nationalgarde, die von General A. »Tacho« Somoza García geführt wurde, zu entmachten. Sandino wurde 1934 ermordet. Zwei Jahre später übernahm Somoza in einem Staatsstreich die Macht. 1937-47 und 1950-56 zog er die Präsidentschaft an sich, wesentliche Teile der Wirtschaft brachte er unter seine und seines Clans Kontrolle. Nicaragua behielt auch unter den Nachfolgern L. A. Somoza Debayle (1956-63), R. Schick Gutiérrez (1963-66), L. Guerrero Gutiérrez (1966-67) und A. »Tachito« Somoza Debayle (1967-72) den Charakter einer »Bereicherungsdiktatur«. 1967 formierte sich mit dem Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) der Widerstand gegen den Somoza-Clan. Somoza Debayle hatte 1972 die Macht für kurze Zeit einer Junta übergeben, übernahm aber nach einer Erdbebenkatastrophe im gleichen Jahr wieder die Regierungsgeschäfte und wurde 1974 erneut Präsident. Nach einem (gescheiterten) Staatsstreich des FSLN im Oktober 1977 verschärfte sich die innenpolitische Situation trotz erheblichen Wirtschaftswachstums, das v. a. durch Importbeschränkungen und eine zunehmende Industrialisierung in den 70er-Jahren zustande kam.
 
Vor dem Hintergrund extremer sozialer Gegensätze und im Zuge scharfer Repressionen gegenüber sozialreformerischen Bewegungen wurde am 10. 1. 1978 der Oppositionsführer und Herausgeber der Zeitung »La Prensa«, P. J. Chamorro, ermordet. Dem sich anschließenden Volksaufstand begegnete Somozas Nationalgarde, indem sie Städte und Dörfer bombardieren ließ. Es entwickelte sich ein Bürgerkrieg mit großen Zerstörungen und hohen Bevölkerungsverlusten. Im Laufe des Jahres 1979 gewann der FSLN die militärische Oberhand und übernahm am 19. 7. 1979 zusammen mit anderen Oppositionellen die Regierung. »Koordinator« der 1979-81 aus fünf, seit 1981 aus drei Mitgliedern bestehenden »Junta des nationalen Wiederaufbaus« (1984 aufgelöst) und somit formal Staatsoberhaupt und Regierungschef wurde 1981 D. Ortega Saavedra. Als Verteidigungsminister war sein Bruder Humberto Ortega Saavedra (* 1947) für die neu aufgebaute Armee zuständig. Mehrere Nicht-Sandinisten traten nach und nach aus der Junta aus. Die sozialistisch orientierte sandinistische Regierung verfolgte eine gemäßigte Verstaatlichungspolitik und beschloss 1981 eine Agrarreform, die enteignetes Land insbesondere Genossenschaften zur Verfügung stellte. Die sozialpolitischen Strukturreformen (u. a. eine Alphabetisierungskampagne, kostenfreie medizinische Versorgung und die zeitweise Subventionierung von Grundnahrungsmitteln) gingen einher mit Menschenrechtsverletzungen der sandinistischen Armee. Wirtschaftlich wurde das sandinistische Regime von der UdSSR, Kuba u. a. Mitgliedern des RGW unterstützt, in der Außenpolitik orientierte sich Nicaragua an Kuba.
 
Seit 1981 leistete eine von den USA unterstützte und ausgerüstete Opposition, die »Contras«, Widerstand gegen die sandinistische Regierung, meist von Basen in Honduras und Costa Rica aus. Als US-amerikanische Truppen und Contras 1984 die Häfen Nicaraguas verminten, kam es zu erheblichen Spannungen mit den USA und aufgrund des zusätzlichen US-Handelsembargos auch zu sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. 1988 begann D. Ortega auf Vermittlung der Contadora-Gruppe (Mexiko, Venezuela, Kolumbien) und der Nachbarstaaten direkte Verhandlungen mit den Contras, die schließlich nach einem »Demokratisierungs- und Versöhnungsprozess« 1990 zu freien Wahlen führten, aus denen Violeta Barrios de Chamorro, die Kandidatin der »Unión Nacional Opositora« (UNO), überraschend als Siegerin hervorging. Ihre Regierung nahm im April 1990 die Arbeit auf und begann im Mai, die Contra-Rebellen zu entwaffnen und in 20 »polos de desarollos« (Entwicklungszonen) mit ihren Familien anzusiedeln. Chamorro beteiligte sowohl die Contras als auch die Sandinisten an der Regierung und bemühte sich um einen Ausgleich. Dennoch kam es 1991/92 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen ehemaligen Contras (»Recontras«) und ihren ehemaligen sandinistischen Gegnern (»Recompas«), die das Eingreifen der Armee unter H. Ortega provozierten. Dieser musste nach Protesten der Bevölkerung zurücktreten. Trotz der instabilen politischen Lage und schwierigster wirtschaftlicher Bedingungen gelang Chamorro die allmähliche Befriedung des Landes. Das politische Klima wurde durch eine starke Zersplitterung der Parteienlandschaft geprägt. Die Präsidentschaftswahlen im Oktober 1996 gewann A. Alemán Lacayo (PLC) als Kandidat der Allianza Liberal (Amtsantritt Januar 1997). Der nationale Versöhnungsprozess wurde auch unter seiner Regierung nicht abgeschlossen. Die neoliberale Wirtschaftspolitik und wachsende Korruption verschärften die sozialen Gegensätze. Parallel dazu verschlechterte sich das Verhältnis zu den Nachbarstaaten (Grenzstreitigkeiten, Konflikte um illegale Einwanderung aus Nicaragua nach Costa Rica). Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung führte dazu, dass die Sandinisten bei den Kommunalwahlen 2000 ihre Stellung wieder ausbauen konnten. Bei den Präsidentschaftswahlen im November 2001, bei denen Alemán Lacayo nicht kandidierte, siegte E. Bolaños Geyer (Amtsantritt 10. 1. 2002), bei den gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen die ihn stützende PLC. - Seit 1999 ist Nicaragua Vollmitglied der Rio-Gruppe.
 
 
N. Macauly: The Sandino affair (Chicago, Ill., 1967);
 Harrey K. Meyer: Historical dictionary of N. (Metuchen, N. J., 1972);
 H. Jung: N., Bereicherungsdiktatur u. Volksaufstand (1980);
 
Herausforderung im Hinterhof. Das neue N., hg. v. N. Greinacher (u. a. 21987);
 T. P. Anderson: Politics in Central America. Guatemala, El Salvador, Honduras, and N. (Neuausg. New York 1988);
 W. Dietrich: N. (31988);
 L. Gabriel: Aufstand der Kulturen. Konfliktregion Zentralamerika: Guatemala, El Salvador, N. (Neuausg. 1988);
 D. Gilbert: Sandinistas. The party and the revolution (New York 1988);
 H. Thielen: N. Entwicklung der Agrarreform u. Umweltpolitik seit 1979 (1988);
 G. Langguth: Wer regiert N.? Gesch., Ideologie u. Machtstrukturen des Sandinismus (1989);
 F. Niess: Das Erbe der Conquista. Gesch. N.s (21989);
 I. Weber u. H.-O. Wiebus: N. (1990);
 M. Dodson u. L. N. O'Shaughnessy: N.'s other revolution (Chapel Hill, N. C., 1991);
 J. E. Mulligan: The Nicaraguan church and the revolution (Kansas City, Mo., 1991);
 Wolfgang Meier: Problematik sozialrevolutionärer Regime in der »dritten Welt«. Eine vergleichende Betrachtung der Entwicklungen in Guinea-Bissau (1974-90) u. N. (1979-90) (1993);
 R. L. Woodward: N. (Oxford 21994);
 G. Heinen: »Mit Christus u. der Revolution«. Gesch. u. Wirken der »iglesia popular« im sandinist. N. 1979-90 (1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Guerilla: Revolutionäre Strategien und ihre Umsetzung
 

* * *

Ni|ca|ra|gua; -s: Staat in Mittelamerika.

Universal-Lexikon. 2012.