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Fotografie
Aufnahme; Foto; Vergrößerung (fachsprachlich); Abbildung; Abzug; Bild; Positiv (fachsprachlich); Photo; Lichtbild; Ausbelichtung (fachsprachlich); Ablichtung; Radiografie; Sonografie; Bildgebung; Thermografie; bildgebendes Verfahren

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Fo|to|gra|fie [fotogra'fi:], die; -, Fotografien [fotogra'fi:ən]:
1. durch Fotografieren entstandenes Bild, fotografische Aufnahme:
eine alte, verblasste Fotografie; eine Fotografie von jmdm. machen; auf dieser Fotografie hätte ich dich fast nicht erkannt.
Syn.: 1Foto, Lichtbild (Amtsspr.).
2. <ohne Plural> [Verfahren zur] Herstellung dauerhafter, durch elektromagnetische Strahlen oder Licht erzeugter Abbildungen:
einen Kurs für experimentelle Fotografie belegen.
Zus.: Röntgenfotografie.

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Fo|to|gra|fie 〈f. 19〉 oV Photographie
I 〈zählb.〉 mithilfe von Kamera u. lichtempfindlichem Film erzeugtes Abbild eines Gegenstandes od. einer Person
II 〈unz.〉 das Verfahren zur Erzeugung von Fotografien (I)
[→ Fotograf]

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Fo|to|gra|fie, Photographie , die; -, -n [vermischt aus engl. photogenic = durch Lichteinwirkung entstanden u. frz. héliographie = Lichtpause]:
1. <o. Pl.>
a) [Verfahren zur] Herstellung dauerhafter, durch elektromagnetische Strahlen od. Licht erzeugter Bilder:
angewandte, experimentelle F.;
b) Art des Fotografierens beim Film:
die F. dieses Films ist hervorragend.
2. einzelnes Lichtbild, Foto:
eine alte F.;
eine F. von jmdm. machen;
jmdn. auf einer F. erkennen.

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Fotografie
 
die, -/...'fi|en, im engeren Sinn die Herstellung dauerhafter Abbildungen von Gegenständen durch die unmittelbare Einwirkung von Licht (einschließlich der benachbarten Spektralgebiete des nahen Infrarots und des Ultravioletts bis zur Röntgenstrahlung) mithilfe optischer Systeme in fotografischen Kameras auf ein fotografisches Material sowie das dadurch erzeugte Bild (Foto, Lichtbild); im weiteren Sinn auch für andere bildgebende Verfahren verwendet, z. B. für solche, bei denen ein elektrostatisches Ladungsbild erzeugt wird (Elektrofotografie).
 
Das nach wie vor bedeutendste Verfahren der Fotografie i. e. S., das der »klassischen« Silberfotografie (Silberhalogenidverfahren, AgX-Verfahren), ist gleichzeitig eines der ältesten fotografischen Verfahren (W. H. F. Talbot, um 1834). Es beruht auf der Lichtempfindlichkeit von Silberhalogeniden (Bromsilber, Chlorsilber, Jodsilber; Silberverbindungen), die unter dem Einfluss der Belichtung und eines anschließenden chemischen Prozesses, der Entwicklung, an den belichteten Stellen zu metallischem Silber reduziert werden, das infolge seiner sehr feinen Verteilung schwarz erscheint. Es entsteht also im Regelfall zunächst ein Negativ, das in einem gleichartigen fotografischen Schritt (Kopie, Vergrößerung) in ein Positiv umgewandelt werden muss (Negativ-Positiv-Verfahren). Das Silberhalogenidverfahren liegt nicht nur der Schwarzweißfotografie zugrunde, auch die Farbfotografie arbeitet mit Silberhalogenidschichten; die Farben entstehen als Nebenprodukte bei der Reduktion des Silberhalogenids durch die Entwicklersubstanzen, das Silberbild wird ausgebleicht. - »Nichtkonventionelle« Sonderformen der Silberfotografie sind das Silbersalz-Diffusionsverfahren und das Silberfarbbleichverfahren (Farbfotografie).
 
 Physikalische und chemische Grundlagen
 
Die lichtempfindlichen Stoffe der fotografischen Schichten sind Silberbromid, AgBr, daneben Silberchlorid, AgCl, und Silberjodid, AgJ, sowie Mischkristalle, Ag(Cl, Br), Ag(Br, J), Ag(Cl, Br, J). Man spricht allgemein von AgX-Kristallen. Die Silberhalogenidkristalle (Körner) mit einer Ausdehnung 1/1 000 mm sind in Gelatine suspendiert (lichtempfindliche Schicht, fälschlich: »Emulsion«). Die Gelatine ist nicht nur Schutzkolloid und Bindemittel (für die Haftung der Schicht auf dem Träger), verschiedene ihrer Bestandteile und speziell hinzugefügte Fremdstoffe greifen wirksam in den fotochemischen Prozess ein und erhöhen v. a. die Lichtempfindlichkeit der Schicht. Die AgX-Kristalle sind Ionenkristalle. Das Silberatom hat in diesem Gitterverband ein Elektron an das Halogenatom abgegeben. Das Silberion ist somit immer positiv, das Halogenion negativ geladen.
 
Bei der Belichtung entsteht in einem Zweistufenprozess im AgX-Kristall elementares Silber, das latente (das heißt noch nicht sichtbare) Bild. In einem ersten Schritt, dem inneren photoelektrischen Effekt (elektronischer Teilprozess), reagiert das ankommende Lichtquant mit dem Halogenion und setzt dabei ein Elektron frei:
 
Es entsteht ein Elektron-Defektelektron-(Loch-)Paar. Sowohl das freigesetzte Elektron als auch das Defektelektron (chemisch identisch mit X0) sind aus dem Bindungsgitter entlassen und wanderungsfähig. Das Defektelektron diffundiert unter dem Einfluss der Gitterkräfte an die Kristallgrenzen (durch Elektronenübergänge in Richtung auf das X-Atom), wo es nur noch von 5 statt 6 Ag+-Ionen umgeben ist, und verliert sich in der Umgebung (Gelatine, Atmosphäre). Es hinterlässt eine Anionenleerstelle an der Kristalloberfläche.
 
Das frei bewegliche Elektron setzt sich im Normalfall an eine Störstelle im Kristall. Die Störstelle erhält damit eine negative Ladung und ist nunmehr Belichtungskeim (fotografischer Primärprozess). Sie kann ein Ag+-Ion, das sich auf einem Zwischengitterplatz aufhält, an sich ziehen und zum neutralen Silberatom entladen (ionischer Teilprozess):
 
Dieses erste Silberatom nennt man Urkeim des latenten Bildes. Es befindet sich inmitten sehr vieler (108-109) Silberhalogenidionenpaare im Kristall.
 
Bei weiterer Belichtung wird ein nächstes Elektron freigesetzt, das sich im Regelfall an die Stelle des schon gebildeten Silberatoms anlagert. Damit kann ein weiteres freies Silberion entladen werden. Dieses Aggregat von zwei Silberatomen nennt man Subkeim des latenten Bildes. Schreitet der Prozess in diesem Sinne fort, erhält man mit einem Dreieraggregat den Vorkeim und mit einem Viereraggregat schließlich das latente Bild.
 
Tatsächlich müssen vier oder mehr Silberatome vorhanden sein, damit die Entwicklung durch das latente Bild katalysiert werden kann. Die Silberhalogenidkristalle werden bei der Entwicklung vollständig reduziert, aus den wenigen Silberatomen des latenten Bildes entsteht eine Zahl von 108-109 Silberatomen.
 
Von wesentlicher Bedeutung ist die Funktion der Störstellen im Kristall. Es handelt sich um Gitterbaufehler: Anionenleerstellen, an denen ein X--Platz unbesetzt ist (diese entstehen zusätzlich bei der Belichtung durch das Hinausdiffundieren der Defektelektronen, es tritt somit ein kaskadenartiger Verstärkungseffekt auf), gekoppelt mit »Verunreinigungen« aus Schwefel-, Selen- oder Schwermetallionen, die aus der Gelatine stammen. Diese Störstellen werden bei der Herstellung der lichtempfindlichen Schicht eigens gezüchtet, indem man dem Ansatz eine besondere Reifungsgelatine mit speziellen Zusätzen hinzufügt. Man bezeichnet sie als Reifkeime. Als besonders empfindlichkeitssteigernd hat sich der Goldeffekt (Koslowsky-Effekt) erwiesen: Durch die Dotierung der AgX-Kristalle mit Goldkomplexen kann die Mindestgröße entwicklungsfähiger Keime von 4-10 Silberatomen auf 2 Goldatome verringert werden.
 
Die Empfindlichkeit fotografischer Materialien wird in ISO x/yº angegeben. Empfindlichkeitskriterium ist, welcher logarithmische Belichtungswert die Dichte von 0,1 (bei Schwarzweißnegativfilmen) beziehungsweise 0,2 (bei Farbnegativfilmen) über dem Schleier erzeugt. Das Zehnfache dieses logarithmischen Belichtungswertes ergibt den ISO-Grad (früher: DIN-Zahl) der Filmempfindlichkeit. Bei Umkehrfilmen erhält man den ISO-Grad als das Zehnfache des relativen Belichtungswertes, der zur Dichte 1,0 führt. Eine Silberfilmschicht ist demnach umso empfindlicher, je kleiner die zur Erzeugung dieser Mindestdichtewerte erforderliche Lichtmenge ist. Die Grenzempfindlichkeit von 2-10 Gold- beziehungsweise Silberatomen pro Korn ist in der praktischen Fotografie noch bei weitem nicht erreicht. Sie dürfte in ISO ausgedrückt bei ISO ≈ 800 000/60º ± 5º liegen.
 
Für die Freisetzung eines Elektrons aus einem belichteten AgBr-Kristall im fotografischen Primärprozess gilt streng das Reziprozitätsgesetz von R. W. Bunsen und H. E. Roscoe: Ein absorbiertes Lichtquant löst genau einen Primärprozess aus (für die Folgeprozesse gilt dieses Gesetz nur noch im statistischen Durchschnitt). Nach dem Quantenäquivalentgesetz wäre für diese Freisetzung ein Energiebetrag von nur 99,227 · 103/(6,023 · 1029) J erforderlich. Diese Energie besitzen schon Quanten langwelligen Lichts (Infrarot). Tatsächlich kann jedoch nur Strahlung wirksam werden, die vom Kristall absorbiert wird (grotthuß-drapersches Gesetz). Das Absorptionsvermögen des »gelben« Silberbromids erstreckt sich aber nur auf die Lichtfarben Blau bis Ultraviolett (Wellenlängen ≤ 490 nm), sodass langwelliges Licht unwirksam bleibt.
 
1873 entdeckte H. W. Vogel in bestimmten organischen Farbstoffen (Polymethinfarbstoffe, Cyaninfarbstoffe) Substanzen, mit denen die Schichten angefärbt werden können und die in der Lage sind, längerwelliges Licht zu absorbieren und so zu transformieren, dass sie die absorbierte Energie auf das AgX übertragen können (Sensibilisatoren). Diese Stoffe erleiden bei der Reaktion keine Veränderung, sie wirken als Katalysatoren. Wahrscheinlich werden sie durch die Lichtabsorption in einen angeregten Zustand versetzt und geben die Anregungsenergie in Form von kinetischen Stößen an die AgX-Moleküle weiter. Hinsichtlich der spektralen Sensibilisierung unterscheidet man: 1) unsensibilisierte Emulsionen, die nur für das Eigenabsorptionsgebiet des AgX (Ultraviolett, Blau, Blaugrün) empfindlich sind; 2) orthochromatische Emulsionen, deren Empfindlichkeit bis zu 600 nm Wellenlänge (bis Orange) reicht; 3) panchromatische Emulsionen, empfindlich für sämtliche Farben einschließlich Rot; 4) hyperpanchromatische Emulsionen mit erhöhter Rotempfindlichkeit; 5) Infrarotemulsionen, deren Sensibilisierung bis ins Gebiet des nahen Infrarots (Wellenlängen ≤ 1 300 nm) reicht. - Für Röntgenstrahlung sind alle Emulsionen empfindlich; man kann mit relativ dicken Schichten beziehungsweise beidseitig beschichteten Filmen (zur Informationserweiterung) arbeiten, da Röntgenstrahlen vom AgX kaum gestreut werden. - Panchromatische Emulsionen waren die Voraussetzung für die Farbfotografie. Um Farbtöne, die im Schwarzweißbild mit dem gleichen Grauwert erscheinen, zu differenzieren, sind Filter erforderlich. In der Farbfotografie dienen Filter zur Beeinflussung der Farbtemperatur des Lichts und zur Kopierfilterung.
 
 Entwicklung
 
Bei genügend intensiver Belichtung kann das gesamte AgX zu metallischem Silber reduziert werden, was man sich zum Teil noch heute beim Auskopierprozess zunutze macht. Normalerweise werden fotografische Schichten nass oder im Sprayverfahren »entwickelt«. Hierbei wirken, vereinfacht dargestellt, die Entwicklersubstanzen (Entwickler) als Elektronenspender (sie reduzieren die Ag+-Ionen zu metallischem Silber); die X-Ionen werden alkalisch gebunden. Der Vorgang greift selektiv an den Keimen des latenten Bildes (nunmehr Entwicklungskeime genannt) an und verläuft schematisch nach
 
Allerdings werden nichtaffizierte Störstellen des Kristalls als Schleierkeime ebenfalls entwickelt und erzeugen den Schleier (Grundschleier, »Rauschen«) der fotografischen Schicht. - Der Entwickler gibt also Elektronen an die Schicht ab, und es werden weiterhin Silberionen zu metallischem Silber entladen, bis der Silberkeim nach einer gewissen Inkubationszeit (Latenzzeit, Induktionsperiode) auf eine Größe angewachsen ist, die es ihm ermöglicht, wie die Kathode eines galvanischen Elements zu wirken: Er führt dann das ganze AgX-Korn auf elektrolytischem Wege in Silber über.
 
Entwickler arbeiten je nach Zusammensetzung langsam oder schnell, kontrasterhöhend oder ausgleichend, wobei jedoch Konzentration, Temperatur und Entwicklungsdauer wesentlich sind. Angestrebt wird zum Zweck hoher Schärfe und Feinkörnigkeit eine Oberflächenentwicklung, das heißt eine die Kornkomplexe klein haltende, nicht tief in die Schicht dringende Entwicklung. Weitere Entwicklerbestandteile sind Alkalien (Natrium- oder Kaliumcarbonat, Borax, Ätznatron, Ätzkali), die als »Beschleuniger« wirken, das heißt den Entwicklungsprozess in einer hinreichend kurzen Zeitspanne ablaufen lassen und die X--Ionen neutralisieren. Andererseits sind als Antischleiermittel »Verzögerer« (Nitrobenzimidazol, Benztriazol) erforderlich. Als starker Verzögerer wirkt die bei der Entwicklung entstehende Substanz KX, in der Regel Kaliumbromid, KBr, die bei ungenügender Umwälzung des Entwicklers zu lokalen Störungen (Bromidstreifen oder -fahnen) führen kann. Der Einfluss des Kaliumbromids auf den Entwicklungsgang ist auch ein Maß für die wirksame negative Ladung der Entwicklersubstanz; man spricht vom Bromidpotenzial eines Entwicklers gegenüber dem relativen Entwicklungsvermögen von Hydrochinon als Vergleichsnormal. Der Sauerstoffempfindlichkeit der Entwickler muss schließlich durch Schutzalkalien (z. B. Natriumsulfit) entgegengewirkt werden.
 
Damit die entwickelte Schicht lichtbeständig wird, muss sie vom unreduziert gebliebenen AgX befreit werden. Dies geschieht durch die Fixage in wässriger Lösung mit einem Fixiermittel, in der Regel Natriumthiosulfat, Na2S2O3 (das mit einem stabilisierenden Säure- beziehungsweise Salzzusatz, Natrium- oder Kaliumdisulfit, »Metabisulfite«, Na2S2O5 beziehungsweise K2S2O5, verwendet wird). Dieser Prozess geht in zwei Stufen vor sich. Zunächst entsteht schwer lösliches Silberthiosulfat, wahrscheinlich nach AgX + Na2S2O3 → AgNaS2O3 + NaX oder nach 2 AgX + Na2S2O3 → Ag2S2O3 + 2 NaX.
 
Bei genügend langer Fixierdauer wandeln sich diese Salze in Komplexsalze der Form
 
um, die sich auswaschen lassen. Vor der Fixage ist ein säuerndes Stoppbad, hernach ist gründliche Schlusswässerung angezeigt, um das Fixierbad nicht zu verunreinigen und die Haltbarkeit der Bilder nicht einzuschränken.
 
Bei der physikalischen Entwicklung wird nicht das Schichtsilber zum Aufbau des Bildes verwendet, sondern im Entwickler enthaltene lösliche Silbersalze werden reduziert und als metallisches Silber an den Entwicklungskeimen der Schicht abgelagert. Das AgX der Schicht kann dabei durch vorherige Fixage entfernt werden. Dadurch wird ein sehr feines Korn erzielt, allerdings wird dabei die praktische Empfindlichkeit des Materials stark reduziert. Ähnlich arbeiten Fein- und Feinstkornentwickler mit silberhalogenidlösenden Eigenschaften. Sie lösen das AgX der Emulsion in gewissem Umfang, reduzieren es und lagern das entstandene Silber an den Entwicklungskeimen ab (halbphysikalische Entwicklung).
 
Die Umkehrentwicklung, mit der man transparente Positive (Diapositive) unmittelbar in den Aufnahmeschichten erhält, vollzieht sich in den gleichen Schritten wie das Negativ-Positiv-Verfahren. Auch hier wird zunächst ein Negativ entwickelt (bei Farbumkehrfilmen ein Schwarzweißnegativ), dieses jedoch durch Ausbleichen aus den Schichten entfernt. Danach wird das unreduziert gebliebene AgX, das die Positivinformation enthält, durch diffuse Zweitbelichtung und -entwicklung oder durch eine schleiernde Zweitentwicklung in das Positiv verwandelt.
 
Verschiedene Fotochemikalien sind als umweltbelastend und gesundheitsgefährdend einzustufen. Seit längerem als hautreizend und allergieauslösend bekannt sind die alkalischen Entwicklerzusätze (Borax, Pottasche und Ätznatron). Entwicklersubstanzen wie Hydrochinon und andere Phenole oder das Antischleiermittel Benztriazol sind starke Gewässergifte. Während Hydrochinon in Kläranlagen rasch abgebaut wird, bleibt z. B. Phenidon (1-Phenyl-pyrazolidin-3-on) biologisch stabil. Problematisch sind die Schwermetallanteile (Cadmium, Quecksilber) der silberfotografischen Schichten, besonders das Silber selbst, das sich in Form löslicher Salze in erheblichen Mengen (bis 4 g/l) im Fixierbad anreichert. Nur etwa 20 % des in der Schicht befindlichen Silbers werden beim Negativ für den Bildaufbau verbraucht, die übrigen 80 % werden durch die Fixage entfernt. Zwar sucht man das Silber aus den fotografischen Bädern wiederzugewinnen, ein vollständiges Recycling ist jedoch oft auch für größere Labors wirtschaftlich nicht durchführbar. Im Abwasser ist das fein verteilte Silber aber ein tödliches Gift für Mikroorganismen.
 
 Elektronik in der Fotografie
 
Der Verbund von AgX-Fotografie und Elektronik hat neue Dimensionen gewonnen. Ging es früher vornehmlich um die elektronische Steuerung von Kamerafunktionen (Belichtungsautomatik, Autofokus) und von Bearbeitungsgeräten, steht heute die elektronische Bildbearbeitung, das Digital Imaging (DI), im Vordergrund. Neben der Foto-CD dienen Mini Discs (MD, Sony Konica), Optomagnetische Discs (MOD, wieder beschreibbar) und (wegen der geringen Speicherkosten) Magnetbandsysteme (Streamer, DAT-Streamer) als digitale Speichermedien.
 
Die Digitalfotografie als vollelektronischer Weg mit direkt digital aufzeichnenden Kameras erhält immer größere Bedeutung. Digitalkameras sind Kompaktkameras mit Festkörperbildsensoren anstelle der Filmbühne. Für Mittel- und Großformatkameras gibt es ansetzbare elektronische Rückteile. Zur Bildübertragung in den Computer müssen sie über Kabel mit ihm verbunden werden, oder es erfolgt in der Digitalkamera eine Zwischenspeicherung auf eine elektronische Speicherkarte. Die Digitalfotografie wird in vielen Bereichen auf längere Zeit hinaus die AgX-Fotografie nicht ersetzen können, die bei weitem noch nicht an ihre technischen Grenzen gelangt ist. Um alle Informationen des Fernsehbilds wiederzugeben, genügt ein Zwanzigstel der Filmfläche des Kleinbildformats 24 × 36 mm. Die theoretische Empfindlichkeitsgrenze liegt bei ISO 800 000/60º, d. h. fast dem 1 024fachen der heutigen Obergrenze (ISO 1 000/31º für Kleinbild-Farbnegativfilm).
 
 Fotografische Materialien
 
Aufnahmematerialien
 
sind allgemein »Filme« (Film). Fotografische »Platten« (mit Glasplatten als Unterlage) werden nur noch für messtechnische Zwecke verwendet und sind allgemein durch Planfilme gleichen Formats ersetzt worden. Die verschiedenen Filmformate und ihre Konfektionierungen werden international durch Kennnummern (DIN 4 527-4 535) bezeichnet: Nummer 135 kennzeichnet die Patronenkonfektionierung des Kinefilms für Kleinbildkameras; Nummer 120 bezieht sich auf den 62 mm breiten Rollfilm in einfacher Länge (12 Aufnahmen 6 × 6 cm) mit rückseitigem Lichtschutzpapier (dem die Bildnummern aufgedruckt sind); Nummer 220 auf den Rollfilm von doppelter Länge (auf der gleichen Normspule ohne Lichtschutzpapier, nur mit Lichtschutzvor- und -nachspann); Nummer 126 steht für den Instamatic-Film in Spezialkassette (12 Aufnahmen 28 × 28 mm) und Nummer 210 für den 16-mm-Film für Pocketkameras.
 
Von Fuji, Kodak, Nikon und Minolta wurde gemeinsam das Advanced Photo System (APS) entwickelt, das neben das klassische Kleinbildsystem mit 35-mm-Kleinbildfilm treten soll. Der schmalere APS-Film weist statt einer Perforation eine Magnetschicht auf, in der Filmtyp und Empfindlichkeit verzeichnet sind. Von der Kamera werden automatisch die Belichtungsdaten und Hinweise für den Fotofinisher hinzugefügt. Auch das Patronenmaul enthält maschinenlesbare Angaben zur Verarbeitung, nach der der Film zur einfachen Archivierung wieder in die Patrone zurückgespult wird. Gespeichert werden die folgenden Informationen: Datum, Bildformat, Hinweise zur Verbesserung der Bildqualität, Rückseitenaufdruck (Film- und Bildnummer, individueller Text für Anzahl der Abzüge, Bildausschnitte u. a.). Ein postkartengroßer Musterbogen (Indexprint) zeigt alle Bilder eines Films farbig im Miniformat. Da die Perforationslöcher entfallen, kann fast die gesamte Filmbreite für die Aufnahmen genutzt werden und die Filmpatrone in den Abmessungen reduziert werden (Durchmesser 21 mm, Höhe 39 mm, dadurch können auch die Kameras kleiner dimensioniert werden). Grundlegend neu bei APS ist jedoch die Möglichkeit, dass Negative unterschiedlicher Länge auf einem Filmstreifen aufgereiht werden können. Drei unterschiedliche Formate können in beliebiger Reihenfolge innerhalb eines Films gewählt werden. APS wendet sich vorwiegend an Amateure und Anfänger, da der Hauptvorteil in der einfacheren und automatisierten Handhabung liegen wird. Die herkömmliche Kleinbildfotografie soll durch APS nicht abgelöst werden.
 
Man teilt Filme nach ihrer Empfindlichkeit ein in niedrigempfindliche (Low-Speed-), mittelempfindliche und hochempfindliche (High-Speed-)Filme, doch ist die praktische Empfindlichkeit bei Schwarzweißfilmen entwicklungsabhängig und kann auch bei Farbfilmen durch »Pushen« (»forcierte Entwicklung«) zum Teil auf mehr als das Doppelte gesteigert werden. In einem weiten Bereich variabel ist die Empfindlichkeit bei modernen chromogen, das heißt in einem Farbprozess, zu entwickelnden Schwarzweißfilmen (das Bildsilber wird vollständig zurückgewonnen und durch Farbstoffe ersetzt). Die alte Faustregel, dass höhere Empfindlichkeit mit gröberem Korn einhergeht, ist durch moderne Kristalltechnologien weitgehend außer Kraft gesetzt worden. Positivmaterialien: In der Technik werden fotografische Emulsionen zum Beschichten unterschiedlicher Materialien eingesetzt (Fotoleinen, Photoemail, Photolacke, Photopolymerisation). In der Regel werden jedoch Diapositive und Papierbilder angefertigt. Das »klassische« Fotopapier besteht aus einer papierstarken (0,145 mm) bis kartonstarken (0,245 mm) Unterlage aus hoch reinem, nassfestem Rohpapier, auf die zunächst eine Barytschicht als Grundlage für die lichtempfindlichen Schichten aufgebracht wird (»Barytage«). Barytpapiere sind jedoch weitgehend von beidseitig mit Kunststoffoberflächen versehenen PE-(Polyester-) oder RC-(Resin coated, das heißt kunstharzbeschichteten) Papieren verdrängt worden. Diese lassen keine Badflüssigkeiten in den Papierfilz eindringen. Da sich diese Papiere beim Trocknen nicht mehr einrollen, sind keine Trockenpressen (z. B. für die Erzielung von Hochglanz) mehr erforderlich. Allerdings wird besonders Farbbildern auf PE-Papieren eine nur eingeschränkte Archivfestigkeit nachgesagt, sodass Barytpapiere wieder an Bedeutung gewinnen. Die Bildformate bewegen sich zwischen 7 × 10 cm und 50 × 60 cm.
 
Schwarzweißfotopapiere wurden früher in verschiedenen »Papiertönen« geliefert (weiß, elfenbein, chamois; nicht zu verwechseln mit den vom Entwicklertyp abhängigen »Bildtönen« der Emulsion; Tonung). Hinsichtlich ihrer Gradation unterscheidet man »Härtegrade« (von extra weich bis extra hart). Moderne Gradationswandelpapiere, die panchromatisch sensibilisiert sind, ändern ihre Gradation unter dem Einfluss der Farbtemperatur des Kopierlichts, die wie beim Ausarbeiten von Colorvergrößerungen durch Filter verändert werden muss.
 
 Geschichte
 
Lichtempfindliche Stoffe, die sich im Sonnenlicht verändern, waren allgemein bekannt, doch erst J. H. Schulze in Halle/Saale entdeckte 1727, dass nicht die Sonnenwärme, sondern die Lichtenergie Ursache der Veränderungen war. Die Fotografie wird drei verschiedenen Erfindern zugeschrieben: N. Niepce arbeitete bei den Versuchen, das senefeldersche Lithographieverfahren durch Aufbelichten von Bildern der Camera obscura und nachfolgende Ätzung zu mechanisieren, mit lichtempfindlichen Bitumenschichten. Ihm gelangen »Kontaktkopien« mit transparent gemachten Kupferstichvorlagen, mit anderen Materialien dann auch Camera-obscura-Bilder (»Heliographien«), wobei er jedoch die Tatsache, dass zunächst Negative entstehen, als entscheidendes Hemmnis ansah, denn für einen Kopiervorgang waren die Lichteindrücke ebenso wie für die beabsichtigte Ätzung zu schwach (es waren Belichtungszeiten von Stunden oder Tagen erforderlich). 1826 tat er sich mit dem Pariser Theatermaler und Dioramabesitzer L. J. M. Daguerre zusammen, der mit jodierten Silberschichten auf Kupferplatten experimentierte, und schloss 1829 mit diesem einen Vertrag über die Nutzung der »von Niepce gemachten und von Daguerre vervollkommneten Erfindung«. Die endgültige Vervollkommnung des dann »Daguerreotypie« genannten Verfahrens durch eine »Entwicklung« in Quecksilberdämpfen und die Fixage in Kochsalz, später Natriumthiosulfat, erlebte Niepce nicht mehr. Dieses Verfahren wurde 1839 auf Betreiben des Physikers D. F. J. Arago vom französischen Staat angekauft und der Weltöffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
 
Im gleichen Jahr machte W. H. F. Talbot Erstrechte auf die Erfindung der Fotografie geltend. Er hatte zunächst keinen Erfolg. Seine in kleinen Kameras (»Mausefallen«) in Chlorsilberschichten auf Papier auskopierten Bilder waren Negative. Er verwendete dann in der Gallussäure einen Entwickler, der die Belichtungszeiten wesentlich herabsetzte, außerdem gelang ihm die Fixage mit dem von dem Astronomen Sir J. F. W. Herschel 1819 angegebenen, damals unterschwefligsaures Natron genannten Natriumthiosulfat. Man konnte in einem Kopierprozess beliebig viele Positive ziehen, doch waren die Bilder (Calotypien, Talbotypien) unscharf und infolge der Struktur des Papierträgers wolkig, sie überzeugten im Vergleich mit den gestochen scharfen Daguerreotypien nicht.
 
Auch andere fotografische Erfindungen, z. B. das Direktpositiv-Bleichverfahren von H. Bayard (1839 Ausstellung in Paris) blieben unbeachtet; die Daguerreotypie, inzwischen in Empfindlichkeit und Haltbarkeit verbessert, blieb bis zur Jahrhundertmitte unangefochten. Dann setzte sich das zukunftweisende Negativ-Positiv-Verfahren Talbots durch. Der britische Bildhauer und Fotograf Frederick Scott Archer (* 1813, ✝ 1857) verwendete 1851 Glasplatten statt Papier als Träger. Es war allerdings ein Bindemittel erforderlich, das die Silberhalogenidschicht auf der Glasplatte haften ließ. Dieses fand sich in der kurz zuvor von dem Basler Chemiker C. F. Schönbein entdeckten Kollodiumwolle (Cellulosenitrat, Nitrocellulose), die in Alkohol gelöst wurde. Dabei mussten die Platten nach der Beschichtung noch im nassen Zustand exponiert und entwickelt werden. Trotzdem beherrschte das »nasse Kollodiumverfahren« die zweite Jahrhunderthälfte, weil es eine bis dahin unbekannte Empfindlichkeit und Feinkörnigkeit mit sich brachte. Zahlreiche berühmt gewordene Fotografen des 19. Jahrhunderts nutzten es, etwa J. M. Cameron und Nadar. Erst der Ersatz des Kollodiums durch Gelatine (1871) ermöglichte die »Trockenplatte«. 1887 stellten die Amerikaner Hannibal Goodwin (* 1822, ✝ 1900) und G. Eastman gleichzeitig Cellulosenitrat-Filmbänder (»Rollfilme«) her (langjähriger Prioritätsstreit), die ab 1930 durch den schwer entflammbaren Celluloseacetatfilm (»Sicherheitsfilm«) ersetzt wurden.
 
 Anwendungsgebiete, Ausbildung, Organisation, Recht
 
Nach einer nicht unumstrittenen Einteilung spricht man von bildnerischer (bildmäßiger) Fotografie, für die das Foto in seinen formalen Qualitäten Selbstzweck ist (z. B. künstlerische Fotografie), und von angewandter Fotografie, die bei allem Streben nach exemplarischer Gestaltung das Foto als Dokument für einen außerfotografischen Sachverhalt wertet (Fotografie in Wissenschaft und Technik, Fotojournalismus, Illustrations-, Werbe-, Mode-, Theaterfotografie u. a.). Danach lassen sich Begriffe wie Fotodesign nicht eindeutig zuordnen. Anwendungstechnische Sonderformen sind Filmtechnik, Holographie, Sofortbildfotografie und Stereofotografie (Stereoskopie). Die wissenschaftliche Fotografie betreibt als Hochschuldisziplin Forschung und Lehre in den technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen der Fotografie.
 
Die Ausbildungswege zur Fotografie sind vielfältig. Fotografie ist Ausbildungsberuf und Lehrfach beziehungsweise Rahmenfach im Studiengang Grafikdesign, visuelle Kommunikation oder Fotoingenieurwesen an Fachhochschulen (Fotograf).
 
Fachliche Vereinigungen sind u. a. der Centralverband Deutscher Berufsphotographen (CV), Düsseldorf, der Bund Freischaffender Foto-Designer (BFF), Stuttgart. Kulturell orientierte Vereinigungen sind die Gesellschaft Deutscher Lichtbildner - Fotografische Akademie (GDL) und die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh). Fotoamateure sind vielfach in lokalen Fotoklubs organisiert, die in der Mehrzahl dem Verband Deutscher Amateurfotografen-Vereine (vdav) angehören, der Mitglied der Fédération Internationale d'Art Photographique (FIAP) ist.
 
Rechtliches:
 
Eine fotografische Aufnahme kann in zweierlei Hinsicht rechtlich geschützt sein. Handelt es sich um ein Lichtbild, das keine individuelle künstlerische Gestaltung aufweist, so steht dem Hersteller hieran gemäß § 72 Urheberrechtsgesetz ein Leistungsschutzrecht zu. Lichtbildwerke, denen eine schöpferisch-künstlerische Eigenleistung des Fotografen zugrunde liegt, sind demgegenüber gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 5 Urheberrechtsgesetz (UrhG) als Urheberrecht geschützt. Die Trennung zwischen Lichtbild und Lichtbildwerk ist weitgehend theoretisch, da der Leistungsschutz des Lichtbildes dem Urheberrechtsschutz des Lichtbildwerkes inhaltlich gleichgestellt ist, beides insbesondere den Schutz vor unbefugter Verwertung umfasst. Die Schutzfrist beträgt für Lichtbilder 50 Jahre (§ 72 Absatz 3 UrhG; durch Gesetz vom 23. 6. 1995 geändert), während für Lichtbildwerke die allgemeine urheberrechtliche Schutzdauer von 70 Jahren gilt (§ 64 UrhG). Die Fotografie eines geschützten Werkes der bildenden Kunst darf aufgrund des dem Urheber zustehenden Vervielfältigungsrechts grundsätzlich nur mit dessen Genehmigung hergestellt und verbreitet werden. (Bildnis, Personen der Zeitgeschichte, Vervielfältigungsrecht)
 
 Künstlerische Fotografie
 
Am Anfang der Fotografie stand die Möglichkeit einer getreuen Wiedergabe der sichtbaren Wirklichkeit in Einklang mit der rationalistischen Weltsicht des Bürgertums um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Bei der fotografischen Umsetzung kann man aber bereits von Anfang an verschiedene Ansätze, v. a. in Hinblick auf die Authentizität der Wirklichkeitswiedergabe, feststellen. Viele Fotos von H. Bayard sind reine dokumentarische Architektur- beziehungsweise Überblicksaufnahmen. Von Talbot erschien das erste mit Fotografien illustrierte Buch überhaupt, »The pencil of nature« (1844-46). Bei vielen seiner meist sorgfältig arrangierten Bilder führte das Interesse an »malerischen« Motiven zu einer idealisierten Darstellung des Landlebens als heiterer Idylle. Die Landschaftsfotografie spielte von Beginn an eine große Rolle im Bereich der künstlerischen Fotografie; Aufnahmen, die die Schönheit fremder Länder nahe bringen, brachte Francis Frith (* 1822, ✝ 1899) von seinen Expeditionen mit. Die stimmungsvollen Meereslandschaften von G. Le Gray entstanden durch das Einkopieren eines zweiten Negatives in das Bild. Timothy O'Sullivan (* 1840, ✝ 1882) fotografierte die Landschaften des amerikanischen Westens, und für W. H. Jackson wurden die Indianerdörfer und Pioniersiedlungen zum Hauptmotiv. Carleton Eugene Watkins (* 1829, ✝ 1916) fotografierte die Schönheit der Sierra Nevada so wirkungsvoll, dass dieses Gebiet 1890 unter Naturschutz gestellt wurde. Waren die Bilder dieser Reisefotografen von Sachlichkeit und Nüchternheit geprägt, so stand bei den Vertretern des Piktoralismus der Jahrhundertwende die malerische Impression im Vordergrund. A. Stieglitz, dessen Winteraufnahmen der Stadt New York große Bekanntheit erreichten, wurde später ein überzeugter Verfechter einer die Wirklichkeit nicht verfälschenden Fotografie. Zu einem großen Meister der Landschaftsfotografie entwickelte sich A. Adams, dessen Aufnahmen sich durch besonders sorgfältige Komposition der Bildelemente auszeichnen. Ungewöhnliche Ausschnitte kennzeichnen viele der Bilder von P. Strand. Eine »neue Sehweise« initiierte Lee Friedlander (* 1934) mit seinen unkonventionellen Aufnahmen von Stadt- und Straßenlandschaften. Der Landschaftsfotografie kam in den 1970er-Jahren mit dem von Amerika ausgehenden Trend der neuen Dokumentarfotografie (New Topographics) besondere Bedeutung zu. Lewis Baltz (* 1945) und Robert Adams (* 1937) sind wichtige Vertreter dieser Richtung.
 
Trotz der anfangs noch langen Belichtungszeiten erfreute sich die Porträtfotografie von Beginn an größter Beliebtheit. D. O. Hill und Robert Adamson (* 1821, ✝ 1848) gelang es, trotz der Posen, die ihre Modelle notgedrungen über längere Zeit einhalten mussten, den Eindruck »lebensechter« Bildnisse zu erzielen. Besonders ausdrucksstark wirken die Porträts von Julia Margaret Cameron. Die fotografischen Bildnisse, die Étienne Carjat (* 1828, ✝ 1906) und Nadar von ihren berühmten Zeitgenossen herstellten, gehören zu den Meisterwerken der Porträtkunst. In Deutschland war E. Hanfstaengl der führende Porträtfotograf. Um die Jahrhundertwende entstanden die kunstvollen Porträts der Piktoralisten, die sich v. a. an Vorbildern aus dem Bereich der impressionistischen Malerei orientierten. In den Arbeiten von H. Kühn wird die Auseinandersetzung mit den Problemen des Lichts, der atmosphärischen Stimmung und zum Teil sogar der Farbe besonders deutlich. H. Erfurth zählte in den 20er-Jahren zu den bedeutendsten Porträtisten mit einer psychologisierenden Darstellungsweise. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts gewann eine mehr soziologisch orientierte Sehweise immer größere Bedeutung. 1910 begann A. Sander seine groß angelegte Bestandsaufnahme »Menschen des 20. Jahrhunderts«. In der Zeitschrift »Life« erschienen die von Gisèle Freund ab 1936 gesammelten Porträts von Künstlern und Literaten. In den 1960er-Jahren fotografierte Diane Arbus Menschen aus sozialen Randgruppen. Die neutralen Porträts, die Thomas Ruff (* 1958) herstellt, wirken v. a. als stark vergrößerte Ausstellungsbilder wegen des Wechselspiels von Intimität und Distanz beunruhigend.
 
Die Architekturfotografie erhielt bereits frühzeitig durch den Auftrag des französischen Staates, die historischen Denkmäler fotografisch aufzulisten, starken Auftrieb. Édouard Denis Baldus (* 1820, ✝ 1882) schuf so wertvolle Fotodokumente der mittelalterlichen französischen Kathedralen. Von A. Rodtschenko entstanden in den 1920er-Jahren interessante Architekturaufnahmen mit schräger Kamerastellung. Bernd (* 1931) und Hilla (* 1934) Becher wurden durch ihre dokumentarische Bestandsaufnahme historischer Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts bekannt. Die Industrie- und Sachfotografie wurde besonders von Vertretern der Neuen Sachlichkeit wie A. Renger-Patzsch oder K. Blossfeldt forciert. Ruth Hallersleben (* 1898, ✝ 1977) schuf bedeutende Industrieaufnahmen.
 
Werbefotografie und Modefotografie setzen auf Reiz und Fluidum von Modell und Ware. In den kalten Modeaufnahmen von H. Newton verdinglicht sich der menschliche Körper zum Requisit. Mondäne Eleganz gestaltet I. Penn. Während die Aktfotografie im 19. Jahrhundert meist eher voyeuristischen Zwecken diente, bildete sie im 20. Jahrhundert einen Schwerpunkt im künstlerischen Schaffen bedeutender Fotografen wie F. Drtikol, E. Weston oder R. Mapplethorpe. Die Genrefotografie, wie sie v. a. von C. Nègre oder O. G. Rejlander, einem Exponenten des Piktoralismus, betrieben wurde, erfreute sich im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit. Mit viel visuellem Gespür fotografierte E. Atget seine Heimatstadt Paris in all ihren Facetten. H. Zille fotografierte in den Straßen Berlins. Verbesserungen des Aufnahmematerials machten der Fotografie auch dynamisch-flüchtige Aspekte der Wirklichkeit zugänglich.
 
Vom Ende der 1920er-Jahre bis zur Mitte der 50er-Jahre war die Blütezeit der Fotoreportage. Bedeutende Vertreter waren E. Salomon, Martin Munkasci (* 1896, ✝ 1963), A. Kertész und Weegee. Als Kriegsfotografen arbeiteten v. a. R. Capa, D. Seymour, Margaret Bourke-White und W. Bischof. Dagegen wandte sich die Reportage- oder Live-Fotografie dem Leben in seiner ganzen Weite zu. H. Cartier-Bresson fing in meisterhaften Aufnahmen die Lebensweise der Menschen und ihre Umgebung ein. E. Haas fotografierte 1948 »Die Heimkehrer«. Die Aufnahmen für das Buch »The Americans« von R. Frank entstanden 1955. Die von E. J. Steichen zusammengestellte berühmte Ausstellung »Family of Man« zeigte einen repräsentativen Querschnitt durch die Reportagefotografie. Als Vertreter einer Art zeitdokumentarischer Fotografie bilden Gabriele (* 1945) und Helmut (* 1945) Nothelfer Menschen in typischen Haltungen und Situationen ab. Eine sozial engagierte Fotografie hatte ihre Hauptvertreter in J. A. Riis und L. W. Hine. Das Elend der arbeitslosen Landarbeiter im Mittleren Westen der USA machten die Fotografen der »Farm Security Administration« (FSA), unter ihnen W. Evans und Dorothea Lange, von 1935 bis 1943 einer breiten Öffentlichkeit bewusst. In den 70er-Jahren engagierte sich E. Smith für die Opfer einer mit Quecksilber verseuchten Meeresbucht in Japan.
 
Mit den Möglichkeiten der fotografischen Darstellung von Bewegung beschäftigten sich Eadweard J. Muybridge (* 1830, ✝ 1904), Jules Étienne Marey (* 1830, ✝ 1904), der Futurist Anton Julio Bragaglia (* 1890, ✝ 1960) und Harald Edgerton (* 1903, ✝ 1990, Pionier der Elektronenblitzfotografie). Wesentliche Impulse für einen experimentellen Umgang mit der Fotografie waren die Photogramme (Fotografik) von L. Moholy-Nagy und M. Ray. Floris M. Neusüss (* 1937) und Gottfried Jäger (* 1937) unternahmen Fotoexperimente (generative Fotografie). Die Fotomontagen von R. Hausmann, H. Bayer und J. Heartfield erweiterten das Feld der fotografischen Möglichkeiten. Bei der von O. Steinert initiierten Richtung der subjektiven Fotografie standen gestalterische Ambitionen im Vordergrund. Einflüsse der abstrakten Malerei verarbeiteten Heinz Hajek-Halke (* 1898, ✝ 1983) und A. Siskind, während die Bilder von Ralph Gibson (* 1939), Heinrich Riebesehl (* 1938) oder Daidoh Moriyama (* 1938) dem magischen Realismus nahestehen. D. Michals gestaltet fotografische Sequenzen (Aneinanderreihungen von Bildern), um Ideen oder Vorgänge zum Ausdruck zu bringen. Der beigefügte Text ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Die Zusammenstellung einzelner Bilder zu größeren Bildkomplexen ist u. a. bei D. Hockney und L. Samaras zu finden. Die Bedeutung der Fotografie als wichtiges Dokumentations- und Kommunikationsmedium ist unbestritten. Auch bei vielen Kunstformen (Body-Art, Concept-Art, Land-Art usw.) ist die mediale Ideenvermittlung durch die Fotografie ein wesentlicher Faktor. Daneben gewinnt die Fotografie als eigenständiges künstlerisches Ausdrucksmittel in der zeitgenössischen Kunst immer größere Bedeutung. Die Fotografie dient weiterhin zur teils kritischen Bestandsaufnahme der Wirklichkeit wie bei Nicholas Nixon (* 1947), John Davies (* 1949), Nan Goldin (* 1953) oder Andreas Gursky (* 1955). Es kann aber auch speziell für die Aufnahme eine neue Realität geschaffen werden (inszenierte Fotografie) wie bei Les Krims (* 1943), Bernard Faucon (* 1950) oder Cindy Sherman (* 1954). Reflexionen über die Verwendungs- und Wirkungsweisen des fotografischen Bildes wie bei J. Baldessari, C. Boltanski, Katharina Sieverding, J. Wall oder Dennis Adams (* 1949) spielen neben mediumimmanenten Untersuchungen, wie sie u. a. von Kenneth Josephson (* 1932), John Pfahl (* 1939) oder Robert Cumming (* 1943) durchgeführt werden, eine ausschlaggebende Rolle.
 
Literatur:
 
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F.!: das 20. Jh., hg. v. P. Stepan (a. d. Engl., 1999).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Fotografie: Die Grundlagen
 
digitale Fotografie: Pixel werden zu Bildern
 
Advanced Photo System: Nachfolger für das Kleinbildformat
 
Blitzlichtgeräte: Fotografieren ohne natürliches Licht
 
Fotografie: Studiensammlung und Archiv
 

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Fo|to|gra|fie, (auch:) Photographie, die; -, -n [vermischt aus engl. photogenic = durch Lichteinwirkung entstanden u. frz. héliographie = Lichtpause]: 1. <o. Pl.> a) [Verfahren zur] Herstellung dauerhafter, durch elektromagnetische Strahlen od. Licht erzeugter Bilder: angewandte, experimentelle F.; b) Art des Fotografierens beim Film: die F. dieses Films ist hervorragend. 2. einzelnes Lichtbild, Foto: eine alte, verblasste F.; eine F. von jmdm. machen; jmdn. auf einer F. erkennen; unsere Schule sah ich später auf Fotografien in der Presse wieder (Leonhard, Revolution 160); Im Flur hingen Fotografien von Lehrerinnen (Böll, Adam 65).

Universal-Lexikon. 2012.