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Stadt [ʃtat], die; -, Städte ['ʃtɛ:tə]:1.
a) größere, geschlossene Siedlung, die mit bestimmten Rechten ausgestattet ist und den verwaltungsmäßigen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt eines Gebietes darstellt:
die Stadt Wien; die Einwohner einer Stadt; am Rande, im Zentrum einer Stadt wohnen; die Leute aus der Stadt; in der Stadt leben; sie geht, muss in die Stadt (in die Innenstadt, ins Einkaufszentrum der Stadt).
Zus.: Grenzstadt, Großstadt, Hafenstadt, Industriestadt, Kleinstadt, Kongressstadt, Messestadt, Millionenstadt, Provinzstadt, Universitätsstadt.
b) <ohne Plural> Gesamtheit der Einwohner einer Stadt (1 a):
die ganze Stadt empörte sich über den Theaterskandal.
2. Verwaltung einer Stadt:
bei der Stadt angestellt; die Verschuldung der Städte nimmt immer mehr zu.
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1 die Parkuhr (das Parkometer)
2 der Stadtplan
3 die beleuchtete Schautafel
4 die Legende
5 der Abfallkorb (Abfallbehälter, Papierkorb)
6 die Straßenlaterne (Straßenleuchte, Straßenlampe)
7 das Straßenschild mit dem Straßennamen m
8 der Gully
9 das Textilgeschäft (der Modesalon)
10 das Schaufenster
11 die Schaufensterauslage
12 die Schaufensterdekoration
13 der Eingang
14 das Fenster
15 der Blumenkasten
16 die Leuchtreklame
17 die Schneiderwerkstatt
18 der Passant
19 die Einkaufstasche
20 der Straßenkehrer
21 der Straßenbesen (Kehrbesen)
22 der Abfall (Straßenschmutz, Kehricht)
23 die Straßenbahnschienen
24 der Fußgängerüberweg (ugs. der Zebrastreifen)
25 die Straßenbahnhaltestelle
26 das Haltestellenschild
27 der Straßenbahnfahrplan
28 der Fahrscheinautomat
29 das Hinweiszeichen КтFußgängerüberwegКр m
30 der Verkehrspolizist bei der Verkehrsregelung
31 der weiße Ärmel
32 die weiße Mütze
33 das Handzeichen
34 der Motorradfahrer
35 das Motorrad
36 die Beifahrerin (Sozia)
37 die Buchhandlung
38 das Hutgeschäft
39 das Ladenschild
40 das Versicherungsbüro
42 die Schaufensterfront
43 die Reklametafel
44 die Beflaggung
45 die Dachreklame aus Leuchtbuchstaben m
46 der Straßenbahnzug
47 der Möbelwagen
48 die Straßenüberführung
49 die Straßenbeleuchtung, eine Mittenleuchte
50 die Haltlinie
51 die Fußgängerwegmarkierung
52 die Verkehrsampel
53 der Ampelmast
54 die Lichtzeichenanlage
55 die Fußgängerlichtzeichen n
56 die Telefonzelle
57 das Kinoplakat
58 die Fußgängerzone
59 das Straßencafé
60 die Sitzgruppe
61 der Sonnenschirm
62 der Niedergang zu den Toiletten f
63 der Taxistand (Taxenstand)
64 das Taxi (die Taxe, schweiz. der Taxi)
65 das Taxischild
66 das Verkehrszeichen КтTaxenstandКр m
67 das Taxentelefon
68 das Postamt
69 der Zigarettenautomat
70 die Litfaßsäule
71 das Werbeplakat
72 die Fahrbahnbegrenzung
73 der Einordnungspfeil Ктlinks abbiegenКр
74 der Einordnungspfeil КтgeradeausКр
75 der Zeitungsverkäufer
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Stạdt 〈f. 7u〉
I 〈zählb.〉
1. 〈i. w. S.〉 größere, geschlossene, vom Dorf durch bestimmte Rechte unterschiedene Wohnsiedlung
2. 〈i. e. S.〉 Innenstadt, Geschäftszentrum
● die \Stadt Berlin, Bielefeld; am Rand der \Stadt wohnen; der Rat der \Stadt ● die Ewige \Stadt Rom; große, kleine \Stadt ● außerhalb der \Stadt wohnen; bei der \Stadt angestellt sein 〈umg.〉 bei einer städt. Behörde angestellt sein; in \Stadt und Land; zum Einkaufen in die \Stadt gehen
II 〈unz.; umg.〉 die Bewohner einer Stadt ● die ganze \Stadt spricht davon 〈umg.〉
[<ahd. stat „Ort, Stelle“, bes. „Wohnort“, seit dem 12. Jh. auch als Rechtsbegriff gebraucht; im 16. Jh. durch Schreibung mit dt von Statt in der Bedeutung „Stätte, Stelle“ abgehoben]
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Stạdt , die; -, Städte ['ʃtɛ(:)tə] [mhd., ahd. stat = Ort, Stelle; Wohnstätte, Siedlung; seit dem 12. Jh. ma. Rechtsbegriff, erst vom 16. Jh. an orthografisch von ↑ Statt unterschieden]:
1.
a) größere, dicht geschlossene Siedlung, die mit bestimmten Rechten ausgestattet ist u. den verwaltungsmäßigen, wirtschaftlichen u. kulturellen Mittelpunkt eines Gebietes darstellt; große Ansammlung von Häusern [u. öffentlichen Gebäuden], in der viele Menschen in einer Verwaltungseinheit leben:
eine schön gelegene, malerische, blühende, mittelalterliche S.;
eine kleine S. am Rhein, bei Lyon, in Mexiko;
eine Stadt mit/von 750 000 Einwohnern;
die älteste S. des Landes;
eine S. der Künste, der Mode;
die S. Wien;
eine S. besuchen, besichtigen, gründen, zerstören;
die Bürger, Einwohner der S.;
am Rande, im Zentrum einer S. wohnen;
die Leute aus der S. (die Städter);
in der S. (in einer Stadt) leben;
in die S. (1. in die Innenstadt, ins Einkaufszentrum der Stadt. 2. in eine [bestimmte] in der Nähe gelegene Stadt) gehen, fahren;
☆ die Ewige S. (Rom; wohl nach Tibull, Elegien II, 5, 23);
die Heilige S. (Jerusalem);
die Goldene S. (Prag);
in S. und Land (geh. veraltend; überall, allenthalben);
b) <o. Pl.> Gesamtheit der Einwohner einer Stadt (1 a):
die ganze S. war auf den Beinen.
2. Verwaltung einer Stadt:
dafür ist die S. zuständig;
er hat die S. verklagt;
sie ist, arbeitet bei der S.
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Stadt
[althochdeutsch stat »Ort«, »Stelle«, »Wohnstätte«, »Siedlung«], eine Siedlung, die im Gegensatz zu ländlichen Siedlungen durch ihre meist nicht landwirtschaftlichen Funktionen (Ausnahme: Ackerbürgerstadt) sowie durch eine größere Zahl weiterer Einzelmerkmale mit allerdings je nach Raum und Zeit unterschiedlichen Ausmaßen charakterisiert ist; dazu zählen ihre Größe (v. a. größere Einwohnerzahl), die Geschlossenheit der Ortsform (kompakter Siedlungskörper), höhere Bebauungsdichte, überwiegende Mehrstöckigkeit der Häuser (zumindest im Stadtkern), in der neuzeitlichen Stadt eine deutliche funktionale innere Gliederung (z. B. in City, Wohnviertel, Industrie-, Gewerbe-, Naherholungsgebiete), eine besondere Bevölkerungs- und Sozialstruktur (z. B. überdurchschnittlich hoher Anteil an Einpersonenhaushalten), differenzierte sozialräumliche Gliederung (z. B. Wohnviertelbildung nach Einkommen oder Ethnien), hohe Wohn- und Arbeitsstättendichte, vorherrschende sekundär- und tertiärwirtschaftliche Tätigkeiten bei gleichzeitig hoher Arbeitsteilung, im Allgemeinen ein Einpendlerüberschuss, das Vorherrschen städtischer Lebensformen (z. B. durch spezielle kulturelle Einrichtungen), ein Mindestmaß an Bedeutung für das Umland (zentralörtliche Funktionen, z. B. aufgrund von Versorgungs-, Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen), eine relativ hohe Verkehrswertigkeit (z. B. Bündelung wichtiger Verkehrswege, hohe Verkehrsdichte) und eine weitgehend künstliche Umweltgestaltung mit zum Teil hoher Umweltbelastung. Stadt lässt sich heute deshalb nur schwer eindeutig definieren, weil (insbesondere in hoch verstädterten Industriestaaten) die Übergänge zwischen städtischen und ländlichen Siedlungen fließend sind (Stadt-Land-Kontinuum; in Agrargesellschaften besteht dagegen meist ein starker Stadt-Land-Gegensatz).
Die statistische Definition der Stadt geht in vielen Staaten von einer bestimmten Einwohnerzahl aus, diese schwankt jedoch außerordentlich stark; derartige Schwellenwerte sind v. a. wegen des zum Teil sehr unterschiedlichen Standes der kommunalen (Neu-)Gliederung sehr fragwürdig. Für internationale Vergleiche der Stadtentwicklung und Verstädterung (Verstädterungsgrad) ist eine Mindesteinwohnerzahl von 20 000 Einwohner sinnvoll. Häufig wird nach bestimmten statistischen Werten unterschieden zwischen Landstadt, Kleinstadt, Mittelstadt, Großstadt (meist über 100 000 Einwohner) und Millionenstadt; neuerdings werden Städte mit mehr als 5-10 Mio. Einwohnern oft als Megastädte bezeichnet.
Viele Städte verfügen über spezielle Funktionen, z. B. über besondere politische Aufgaben (in der historischen Stadtentwicklung), etwa als Burgstadt, Festungsstadt oder territoriale Zentren, als Hauptstadt von Staaten oder Ländern oder als andere Verwaltungsmittelpunkte, über spezielle kulturelle Funktionen (z. B. als Wallfahrts-, Kloster-, Bischofs- oder Universitätsstadt), über besondere Wirtschafts- und Verkehrsfunktionen, z. B. als Ackerbürgerstadt, Agrostadt im Mittelmeerraum, Fernhandelsstadt (u. a. ehemalige Hansestadt, Karawanenstadt), Industriestadt, Hafenstadt oder auch als zentrale Orte. Eine Stadt mit bedeutenden internationalen Funktionen und Verflechtungen in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Politik bezeichnet man als Weltstadt (Global City). Städte lassen sich weiterhin nach ihrer topographischen Lage unterscheiden, z. B. Küstenstadt, nach ihren regionalen Besonderheiten wie z. B. nach ihrem Baustil (nach eigenständigen städtebaulichen Formenkreisen wie fränkische Stadt, Inn-Salzach-Stadt, Zähringer-Stadt), nach kulturraumspezifischen Merkmalen (z. B. islamisch-orientalische Stadt) sowie als historische oder genetische Städtetypen (z. B. nach ihren Entstehungsphasen: u. a. röm., mittelalterliche, frühneuzeitliche Stadt). Oft haben oder hatten Städte eine bestimmte rechtliche Stellung (Titel »Stadt«, Stadtrecht).
Stadtentstehung und historische Stadtentwicklungsphasen
Städte gibt es seit Jahrtausenden, ihre Entstehung ist eng verknüpft mit der Entwicklung und Verbreitung stärker entwickelter Zivilisationsformen (Hochkulturen). Allgemeine Voraussetzungen waren günstigere Lebensbedingungen (seit der Jungsteinzeit), so die verbesserte Nahrungsgewinnung nach der Erfindung des Pfluges und durch die Domestizierung von Tieren, die damit verbundene Freisetzung von Arbeitskräften aus der bäuerlichen Gemeinschaft, die Entwicklung einer Arbeitsteilung und beruflichen Differenzierung, die gezielte Organisation größerer Gemeinschaften (das Entstehen von neuen Gruppen oder Klassen wie Handwerker, Händler, Priester, Herrscher), häufig verbunden mit hierarch. gesellschaftlicher Gliederung und speziellen baulichen Formen (z. B. Tempelanlagen, Paläste), ein erhebliches Bevölkerungswachstum, Bedürfnis nach geistiger Orientierung (z. B. im Zusammenhang mit der Entstehung von Kulten und der Schaffung einer Schrift). Hinzu kam die Notwendigkeit, Vorräte aufzubewahren und wieder zu verteilen (u. a. Speicher, Märkte als Handelszentren). Das Bedürfnis nach Sicherheit in der Stadt führte in der historischen Entwicklung zu vielfältigen Schutzmaßnahmen (Wälle, Ummauerungen und Stadttore, Zitadellen und Burganlagen).
Das vielfach als älteste (bekannte) Stadt der Menschheit bezeichnete jungsteinzeitliche, präkeramische Jericho (8000-6000 v. Chr.) war jedoch - ähnlich anderen Siedlungen Vorderasiens wie Çatal Hüyük und Jarmo (7./6. Jahrtausend) - nur eine protourbane Großsiedlung ohne die typischen Merkmale städtischer Strukturen. Der Übergang von dörflichen zu differenzierten städtischen Gemeinwesen erfolgte erst etwa um 3000 v. Chr. (im Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit 3000-1500 v. Chr.). Etwa zeitgleich setzte die Entstehung städtischer Zentren am Nil (Ägypten, z. B. Theben, Memphis), an Euphrat und Tigris (Mesopotamien, z. B. Uruk als frühe sumerische Kult- und Priesterstadt), am Indus (Induskultur, 3. Jahrtausend, v. a. Harappa, Mohenjo-Daro) und im Hwanghobecken (ab Anfang des 2. Jahrtausends) ein. Die ältesten Städte Japans wurden dagegen erst im 8. Jahrhundert n. Chr. gegründet (Nara 708/710, Kyōto 794). Auch in Schwarzafrika sind - von Äthiopien (Aksum) abgesehen - Anfänge städtischer (Handels-)Zentren in Westafrika (z. B. Gao) und an der Ostküste erst aus dem 1. Jahrtausend n. Chr. nachgewiesen. In Altamerika entstanden städtische Siedlungen zunächst als Zeremonialzentren, z. B. in Mexiko San Lorenzo etwa ab 1200 bis um 900 v. Chr., La Venta 1000-300 v. Chr., Monte Albán zwischen 500 v. Chr. und 1000 n. Chr. sowie insbesondere die monumentale, v. a. im 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. blühende Tempelstadt und »Metropole« Teotihuacán, mit mehr als 20 km2 Fläche und zwischen 50 000 und 100 000 Einwohnern vermutlich eine der größten Städte der damaligen Welt.
Die alten Stadtkulturen waren (häufig befestigte) Zentren großer Gebietsherrschaften mit straffer Verwaltungs- und Militärorganisation, Hof-, Tempel-, Handels- und Gewerbezentralen, Geld- und Planwirtschaft. Während von den ersten städtischen Hochkulturen zumeist nur noch archäologische Reste sowie bruchstückhaft die damaligen Stadt- und Gesellschaftsstrukturen nachweisbar sind, besitzen wir genauere Kenntnis von Städten der griechischen und röm. Antike (Mittelmeerraum), mit der die eigentliche Stadtentwicklung in Europa, beginnend im östlichen Mittelmeerraum, einsetzte.
In der ägäischen Kultur, die jedoch um 1000 v. Chr. wieder erlosch, gab es Palast- und Burgstädte (z. B. Knossos auf Kreta). Danach begründeten die Dorer ab 700 v. Chr. die griechische Stadtkultur. Bevorzugte Standorte der Städte der archaischen Zeit (800-500 v. Chr.) waren Hügellagen mit Zugang und/oder Sicht zum Meer (z. B. Athen und Korinth), die die Ausgangspunkte der sich konsolidierenden Stadtstaaten (griechisch Polis) wurden. Akropolis und Agora bildeten die beiden Zentren der griechischen Städte. Die Städte der »neueren Kolonisation« der klassischen Epoche (500-336 v. Chr.) entstanden zumeist an der kleinasiatischen Küste als Hafenstädte.
Während die archaischen und klassischen Städte unregelmäßig, der Topographie angepasst und ohne geometrische Konzeption errichtet wurden, erfolgte die Anlage von Städten (Kolonialstädte) im Mittelmeerraum etwa ab 450 v. Chr. in Anlehnung an das von Hippodamos beim Wiederaufbau von Milet in Kleinasien entwickelte geometrische Straßenraster (Gitternetzplan des Straßennetzes, Freilassen von 26 Blöcken für öffentliche Plätze und Gebäude wie Theater, Bäder, Stadion, Tempel).
Die röm. Stadt, die sich ab Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. durch planmäßige Kolonisation über das westliche Europa (bis nach Britannien) sowie über Teile Mitteleuropas (auf der westlichen Rheinseite und entlang dem rechten Donauufer, bis zum Limes) ausbreitete, zeigte städtebaulich den Einfluss sowohl griechische als auch etruskische Städte (burgartige Festungen), die streng geometrisch orientiert waren: Das Hauptstraßenkreuz mit Cardo (Hauptverkehrsachse) und Decumanus (zweite Hauptstraße) war nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Die in Ebenen (an Flussläufen und Hauptverkehrsstraßen) angelegten röm. Städte folgten diesen Vorbildern mit dem zentralen, axialen Gliederungsprinzip (Heerstraße = Via principalis, Decumanus), der rechteckigen oder quadratischen Grundrissgestaltung der Baublöcke (Insulae), dem in der Mitte gelegenen Forum sowie der Ansammlung größerer öffentlicher Gebäude in dessen Nähe. Anders als die griechische Stadt mit ihrer demokratisch verfassten Bürgerschaft bezog die röm. hierarch. Gesellschaftsordnung (Patrizier, Bürger, Sklaven) alle Einzelheiten der Stadt ein. Die röm. Städte hatten sich zum Teil an Militärsiedlungen (Kastelle, Lager; Lagerstadt) angelehnt, teilweise waren sie - wie Köln und Trier (293-295 Residenz des römischen Kaisers und Sitz der obersten Behörde des römischen Westreiches) - aus bürgerlichen Motiven erwachsen (bürgerliche Stadt). Einen speziellen Städtetyp bildeten die an Heilquellen entstandenen Bäderstädte (u. a. Aachen und Wiesbaden).
Das Ende des Römerbriefen Reiches bedeutete auch den Niedergang der antiken Stadtkultur, im Westen bedingt durch die Völkerwanderung, früher und stärker als im Osten, wo Konstantinopel mit über 500 000 Einwohner im 6. Jahrhundert zur größten europäischen Stadt aufstieg.
Die europäische Stadt im Mittelalter:
Für zahlreiche Städte ist eine siedlungsgeschichtliche Kontinuität in nachröm. Zeit nachweisbar (z. B. Trier mit allerdings abweichender Grundrissstruktur); häufig entstanden im frühen Mittelalter auch Städte in unmittelbarer Nähe zerstörter röm. Städte oder Kastelle (z. B. Bonn). Wichtigste Keimzellen oder Gründungskerne der frühmittelalterlichen Stadtentwicklung in Mitteleuropa waren die entlang den Heer- und Handelsstraßen angelegten Burgen oder Pfalzen (z. B. Dortmund, Querfurt) sowie Domburgen der Bischofssitze (z. B. Bremen, Naumburg) oder Klosteranlagen und Stifte (z. B. Hameln, Quedlinburg). Hinzu kam meist in Anlehnung an Burg oder Kloster die Kaufmannssiedlung (Wik). Der Typ der vielgliedrigen und -gestaltigen frühmittelalterlichen »Mutter-S.« hat sich bis um 1150, ausgehend vom Maas-Schelde-Raum (Gent, Brügge u. a.), über das Rheinland bis in die Ostmarken an Elbe und Saale, Main und Donau ausgebildet. Eine frühe Entfaltung erlebte auch das norditalienische Städtewesen (Mailand, Bologna, Florenz). In Südwestfrankreich entstand ab etwa 1140 als besonderer Typ der befestigten Stadt die Bastide.
Die Individualität der mittelalterlichen Stadt fand ihren Ausdruck u. a. im typischen räumlichen Aufbau (mit der durch Stifts- und Pfarrkirchen, Burg, Rathaus, Bürgerhäuser, Mauern bestimmten Silhouette und deutlicher Betonung der »Stadtkrone«), in zentralen Markt- und Platzanlagen sowie in der von innen nach außen abnehmenden Höhe und Dichte der Bebauung.
Die Städte veränderten im Mittelalter häufig ihre ursprüngliche Form durch Stadterweiterungen (z. B. wuchs Köln 1106 von 120 auf 236 ha, mit Errichtung der großen Stadtmauer 1180 sogar auf 400 ha Größe); sie gliederten sich in einzelne Stadtteile (Kirchspiele, Nachbarschaften) und entwickelten sich meist auch als »Doppel-S.« (oft auch als Altstadt beziehungsweise Neustadt bezeichnet, z. B. Hamburg, Brandenburg an der Havel) oder als »Gruppen-S.« (räumlich und funktional eng verbundene Einzelsiedlungen, z. B. Hildesheim, Bremen, Braunschweig, Rostock).
Zu den Rechten der mittelalterlichen Stadt zählten neben dem Stadtrecht auch das Marktrecht, Recht auf Selbstverwaltung (Ratsverfassung), die niedere Gerichtsbarkeit, das Zunftwesen, Recht auf Selbstverteidigung (Bürgerwehr und Mauern). Die Einwohnerschaft bestand aus Vollbürgern, Eingesessenen und unterbürgerlichen Schichten. Die Oberschicht (Patriziat, Honoratiorenschicht) entwickelte sich häufig aus Kaufmanns- und stadtherrlichen Ministerialfamilien, in kleineren Städten ergänzt durch Handwerker. Die Mittelschicht wurde meist vom Zunftbürgertum gebildet, zur Unterschicht zählten Gesellen, Tagelöhner, Angehörige verachteter Gewerbe, Arme, Bettler.
Neben die gewachsenen alten Städte Mitteleuropas mit zum Teil röm. Wurzeln traten etwa seit 1120 planmäßig durchgeführte Stadtanlagen, zunächst Gründungsstädte älteren Typs als Instrumente kaiserlicher und fürstlicher Machtpolitik (z. B. 1120 Freiburg im Breisgau als Gründung der Zähringer, 1159 Neugründung der Kaufmannssiedlung Lübeck durch Heinrich den Löwen mit zentralem Markt sowie Längs- und Querstraßen um ihn herum), später (etwa zwischen 1200 und 1300, v. a. nach 1250) eine Vielzahl von kleineren landesherrlichen Gründungen zur Stärkung der jeweiligen Territorialmacht. Die mit einer großen Dichte über das gesamte Reichsgebiet sowie auch im Raum der deutschen Ostsiedlung verteilten kleinen Stadtgründungen (meist kleiner als 20 ha, vielfach sogar kleiner als 10 ha Größe), die in erster Linie das Maximum der Stadttitelverleihungen im Hochmittelalter betrafen, entstanden häufig in den Grenzzonen rivalisierender Territorien (oft Schutz- oder Höhenlage) in zumeist schlechter Verkehrslage. Zu den spätmittelalterlichen Stadtgründungen, besonders in kleinen, territorial zersplitterten Gebieten, zählten in Mitteleuropa vorwiegend kleine städtische Siedlungen minderen Rechts (»Freiheiten«, »Minderstädte« ohne Befestigungen und mit nur lokaler Marktfunktion).
Die besondere Leistung der mittelalterlichen Stadt bestand im Aufbau einer umfassenden Markt- und Verkehrswirtschaft mit Austausch von Luxus- und Massengütern über weite Entfernungen, in der Konzentration von Handel und Gewerbe, in einer planmäßigen Wirtschaftspolitik, in der wirtschaftlichen Beherrschung des Umlandes und der Erschließung neuer Absatzräume. Neben den italienischen Stadtrepubliken (Florenz) haben auch Reichsstädte (u. a. Nürnberg, Metz, Bern, Lübeck, Mühlhausen/Thür.) eigene Territorien aufgebaut. Die mittelalterliche Stadt entwickelte eine blühende bürgerliche Laienkultur mit kirchlichen und profanen Bauten, städtischen Schulen und Hochschulen; Grundbuch- und Bankwesen spielten eine wichtige Rolle. Die politische Bedeutung der mittelalterlichen Stadt lag besonders in ihrer Befestigung und in ihrer überlegenen Finanzkraft. Politische und wirtschaftliche Zusammenschlüsse (Lombardenbund, Rheinischer Bund, Schwäbischer Städtebund sowie die Hanse) sicherten einen Einfluss auf die Reichs- und Territorialpolitik.
Die freien Reichsstädte (1521 insgesamt 84), darunter viele ehemalige Bischofsstädte, nahmen ab 1489 als geschlossene Kurie an den Reichstagen teil. Wichtige europäische Städtelandschaften des Mittelalters waren Oberitalien, der Raum zwischen Seine und Rhein, mit Sonderentwicklung auf vielen Gebieten England, später der Hanseraum, Obersachsen und Ober-Deutschland. Als erfolgreichster Städtetyp des Mittelalters ist die Exportgewerbe- und Fernhandelsstadt anzusehen (Florenz, Gent, Köln, Nürnberg, Braunschweig, Ravensburg, Breslau, Nowgorod u. a.).
Frühe Neuzeit:
Die Stadtentwicklung hatte in Mitteleuropa um 1450 einen gewissen ersten Abschluss gefunden. Die Zahl der Stadtgründungen war v. a. im Verhältnis zum Hochmittelalter sehr stark zurückgegangen und nahm bis um 1800 insgesamt noch weiter ab. Kennzeichnend für die Stadt der frühen Neuzeit war das sich verändernde Verhältnis zum Staat. Der entstehende moderne Staat, auf die Steuerleistung der Stadt immer stärker angewiesen, drängte seit dem 15./16. Jahrhundert deren Selbstverwaltung zurück, indem er ihre Autonomie beschnitt und sie stärker in den Staatsverband einband. Die Stadt wurde Amts- und Verwaltungsstadt im institutionellen Flächenstaat. Die Idee der kommunalen Selbstverwaltung blieb aber lebendig.
Die Stadt der frühen Neuzeit bewahrte viele Strukturelemente der mittelalterlichen Stadt; es gab aber bedeutende neue Einflüsse auf die Stadtentwicklung und den Städtebau. Dazu zählte v. a. die aufgrund der Erfindung des Schießpulvers veränderte Waffentechnik, weshalb die mittelalterlichen Ummauerungen mehr und mehr durch neue komplizierte, große Flächen beanspruchende Befestigungssysteme (mit Außenwerken, Vorsprüngen, Bastionen) ersetzt werden mussten. Weit gestaffelte Anlagen von Befestigungsgürteln, ab 1521 zuerst in Italien (z. B. Mailand) entwickelt und nachfolgend immer wieder verbessert (u. a. in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts von Vauban), wurden von vielen Städten übernommen; sie bedingten eine starke horizontale Betonung im Städtebau der frühen Neuzeit.
Einen wichtigen Einfluss auf den Städtebau in der Renaissance hatten die in Italien wieder aufgegriffenen antiken Konzepte für Idealstädte (Entwürfe von Filarete u. a. auf der Grundlage von Vitruv); unter italienischem Einfluss entstanden die Entwürfe für Idealstädte von A. Dürer. Zu den realisierten Planungen gehörten u. a. in Italien Palmanova, Sabbioneta und Pienza, in Deutschland Marienberg und Freudenstadt. Idealtyp der Renaissancestadt war in Deutschland das 1606/07 nach dem Zitadellenkopfschema angelegte Mannheim (1622 und 1689 zerstört, später zur Barockstadt umgebaut), das in zwei selbstständige Baukörper (Zitadelle und Bürgerstadt) gegliedert war: Das kreisförmig angelegte Innenfeld der sternförmigen Zitadelle wurde um einen großen freien (Alarm-)Platz in ein System rautenförmiger Baublöcke aufgeteilt; demgegenüber wurde die ebenfalls befestigte Bürgerstadt in rechteckige Baublöcke gegliedert. Zu den Merkmalen der Renaissancestadt zählten auch die durchlaufenden waagerechten Dachlinien (entlang den geraden Straßen) und die Wiederholung einheitlicher Elemente in den Fassadenstrukturen. Die Idee der Idealstadt wurde im 18. Jahrhundert u. a. in Nancy wieder aufgenommen und blieb bis in die Gegenwart lebendig (Le Corbusier, Ville Radieuse, 1922; L. Costa, Brasília, 1956).
In der Barockstadt trat zu der symmetrischen Ordnung der Stadtfläche nach geometrischen Figuren die Ausrichtung der Grundrissstruktur auf die Schlossanlage des absolutistischen Fürsten. Herausragendstes Beispiel einer barocken Konzeption in Deutschland ist Karlsruhe, dessen Zentralpunkt der ab 1715 errichtete fürstliche Barockbau bildet und dessen Wege- und Straßennetz strahlenförmig auf diesen ausgerichtet ist.
Während in der frühen Neuzeit häufig selbst ehemalige bedeutende mittelalterliche Städte stagnierten (z. B. Köln) oder gar schrumpften, entwickelten sich in dieser Phase neue Städtetypen. Dazu zählten als landesherrliche Gründungen die Bergbaustädte (v. a. des 15. und 16. Jahrhunderts), die an Erzfunde gebunden waren (u. a. im Harz Zellerfeld und Clausthal, im Erzgebirge Schneeberg und Sankt Joachimsthal, in den Sudeten Reichenstein und Schmiedeberg im Riesengebirge, in den Alpen Schwaz und Rattenberg).
Durch die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert nach Deutschland in landesfürstliche Gebiete mit protestantischer Glaubensbekenntnis flüchtenden Menschen kam es auch zu Stadtgründungen (Exulantenstadt, auch »Hugenotten-S.«), es entstanden u. a. Friedrichstadt (1621), Karlshafen (1699/1700) und »Christian Erlang«, die Neustadt von Erlangen (1686). Ein weiterer frühneuzeitlicher Städtetyp waren Fürstenstädte, die entweder als rein administrative Zentren (Residenzstadt, z. B. Karlsruhe, Ludwigslust, Bad Pyrmont) oder als militär. Gründungen (u. a. Rendsburg) entstanden. Von Bedeutung für das Leben in den deutschen Residenzstädten waren neben den kulturellen Funktionen (Akademien, Theater, Museen u. a.) auch ihre gartenkünstlerischen Anlagen, die zum Teil nach dem Vorbild von Versailles entstanden. Eine Reihe von Hauptstädten, besonders Paris und London, entwickelten sich in der frühen Neuzeit (v. a. im 18. Jahrhundert) zu Weltstädten.
Stadtentwicklungsprozesse im industriellen Zeitalter
Das heutige Städtewesen in den Industriestaaten basiert zum erheblichen Teil auf den im 19. Jahrhundert entstandenen Industriestädten, mit deren Entwicklung auch der allgemeine Verstädterungsgrad zunahm. Voraussetzungen für den Stadtentwicklungsprozess im industriellen Zeitalter waren die Neuordnung der Gesellschaft in den bürgerlichen Revolutionen, liberale Agrarreformen, Gewerbefreiheit, Industrialisierung und die Revolutionierung der Verkehrsverhältnisse. Verstädterung und Stadtwachstum im industriellen Zeitalter wurden zunächst und am nachhaltigsten in Großbritannien durch den frühen Beginn der industriellen Revolution (ab etwa 1760-80) beeinflusst. Die zunehmenden Land-Industrie- oder Land-Stadt-Wanderungen führten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in den britischen Bergbau- und Industrierevieren (Mittelschottland, Nordostengland, Industriegebiete beiderseits des Penninischen Gebirges, Raum Birmingham mit dem Black Country, Südwales) zu weit verbreiteten heterogenen Nutzungsstrukturen (starke Vermischung von Wohn- und Gewerbefunktionen) und hohen Wohndichten (besonders in den Altstadtbereichen historischer Städte, u. a. in Glasgow).
Vorherrschende Bauformen der englischen Industriestädte oder -Gemeinden wurden mit dem Außenwachstum der Städte (ab etwa 1835) die »Back-to-Back«-Häuser (an der Firstlinie zusammengebaute, somit »Rücken an Rücken« stehende Doppelhäuser in Reihenhausbauweise). Diese Wohnbauform war durch außerordentlich schlechte hygienische und sanitäre Bedingungen, fehlende Durchgrünung und hohe Wohndichte gekennzeichnet; sie wurde zu Beginn der 1870er-Jahre (beeinflusst durch frühe gesetzliche sanitäre Bestimmungen) von einer neuen Einfamilien-Reihenhausbauweise mit geringerer Wohndichte abgelöst. In schottischen Industriestädten (v. a. in Glasgow) herrschte bis zum Ersten Weltkrieg eine »Mietskasernenbauweise« mit hoher Belegungsdichte vor.
In Deutschland begann eine durch Industrialisierung und Verkehrsentwicklung beeinflusste bedeutende Flächenexpansion der Städte im Vergleich zu Großbritannien erst 40-50 Jahre später, in verstärktem Maße erst in den Gründerjahren. Die Stadtentwicklung war in den sich rasch entwickelnden deutschen Industriestädten sowie auch in den Städten, die als Verkehrsknotenpunkte im neuen Eisenbahnnetz eine besonders starke Wirtschaftsentfaltung erfuhren (u. a. Berlin, Hamburg, München, Leipzig, Frankfurt am Main), zum erheblichen Teil von einer stark verdichteten Mehrfamilien-Mietshausbauweise (»Mietskasernen«) geprägt, die u. a. durch Bau- und Bodenspekulation, große Terraingesellschaften, die Entwicklung des Bankwesens, die revolutionäre Entwicklung der städtebaulichen Technik beeinflusst wurde (z. B. städtischer Tiefbau für Druckwasser- und Gasversorgung, Abwasserbeseitigung, Straßenplanung); die Mietkasernenbebauung erreichte in Deutschland ihr größtes Ausmaß in der Reichshauptstadt Berlin (wilhelminischer Wohn- und Gewerbegürtel). Von besonderem Einfluss auf den mitteleuropäischen Städtebau wurden die von G. E. Haussmann in Paris (1853-70) durchgeführten Straßenbaumaßnahmen: Anlage breiter Boulevards, von Diagonalstraßenverbindungen sowie sternförmigen Straßenkreuzungen. Gesetzliche Grundlagen für die Stadtentwicklung in Deutschland waren z. B. in Preußen das Fluchtliniengesetz von 1875 und Bauordnungen, in Berlin die Bauordnungen von 1853 und 1887, die sich als Baupolizeiverordnungen jedoch im Wesentlichen auf die Feuerschutzbestimmungen beschränkten (z. B. war die Mindestgröße der umbauten Innenhöfe nach der Größe eines aufgespannten Sprungtuches der Feuerwehr berechnet).
Der Wohnungsbau im Ruhrgebiet war in der Industrialisierungsphase des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er-Jahre besonders durch Errichtung von Werkskolonien im Zusammenhang mit dem Bergbau (Zechenkolonien) u. a. Industriezweigen (z. B. Stahlarbeiterkolonien) gekennzeichnet. Die ab 1905 von Krupp errichteten Bergarbeiterkolonien waren stark von der Gartenstadtbewegung beeinflusst, die im 20. Jahrhundert den Städtebau und die Stadtentwicklung v. a. in West- und Mitteleuropa erheblich mitgeprägt hat. Die Gartenstadt basiert auf dem 1898 von dem Briten Sir Ebenezer Howard (* 1850, ✝ 1928) entworfenen Modell, das eines der ersten funktionalen Gesamtkonzepte im Städtebau bildet. Zu den Gestaltungsmerkmalen sollten nicht nur die Anlage von Gärten und Parks sowie die geringe Wohndichte, sondern v. a. eine planmäßige, durch Radial- und Ringstraßen gekennzeichnete Gliederung, eine Aufteilung in Nachbarschaften (Nachbarschaftssegmente), die Versorgung mit Arbeitsplätzen (eigene Industrie) und zentralen Einrichtungen (v. a. der Kultur und Bildung), ein tangentialer Anschluss an die Eisenbahn sowie das öffentliche oder gesellschaftliche Eigentum von Grund und Boden gehören. Die Gartenstadtidee von Howard degenerierte allerdings in der Zwischenkriegszeit in Großbritannien in Gestalt eines weitgehend ungegliederten Flächenwachstums der (Groß-)Städte (Urban Sprawl) zu reinen Wohnsiedlungen mit gartenstadtähnlicher Bebauung (Garden-Suburbs), jedoch ohne Gartenstadtkonzeption. Die Gartenstadtidee hat aber in Großbritannien die Errichtung und Planung von Neuen Städten (New Towns) nach dem Zweiten Weltkrieg (u. a. im Umland von Groß-London) stark beeinflusst. Die Gartenstadtbewegung fand auch in Deutschland ihren Niederschlag (bereits 1902 Gründung einer Deutschen Gartenstadtgesellschaft, deren beratender Architekt B. Taut war). Der Bebauungsplan von Hellerau (heute zu Dresden) geht auf die Jahre 1907/08 zurück. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kam es zur Errichtung gartenstadtähnlicher randstädtischer Wohnsiedlungen (z. B. »Onkel Toms Hütte«, 1931, in Berlin von B. Taut). Gleichzeitig ging man in Deutschland auch zur Entwicklung detaillierter Bebauungspläne für die Stadtplanung über.
Die Stadtentwicklung in der Nachkriegszeit war in den beiden deutschen Staaten bis zu deren Vereinigung durch die Zugehörigkeit zu zwei unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen beeinflusst. Rechtliche Basis von gemeindlicher Planung und Städtebau in der Bundesrepublik Deutschland bildet seit 1. 7. 1987 das Baugesetzbuch (Neufassung vom 27. 8. 1997), das die Regelungen des Bundesbaugesetzen und des Städtebauförderungsgesetzen zusammenfasste. Zu den Kennzeichen der Stadtentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland gehören das starke Ansteigen der Bodenpreise (seit 1960), die zunehmende ökonomische Konkurrenz zwischen Stadtzentren (Citygebieten) und Standorten randstädtischer Bereiche (neue Einkaufszentren, Verbraucher- und Fachmärkte, Gewerbegebiete, dezentrale Bürostandorte), spezielle Planungen zur funktionalen Aufwertung der Stadtkerne (Fußgängerzonen, städtebaulich integrierte Einkaufszentren, Passagen), verschiedene Phasen der Wohnungsbauförderung (u. a. Mitte der 1960er- bis Ende der 1970er-Jahre Errichtung von Großwohnsiedlungen, zum Teil als »Schlaf-S.«; Märkisches Viertel in Berlin [West], Hamburg-Steilshoop), Bemühungen um bauliche und soziale Aufwertung der Innenstädte (Gentrification), ausgeprägte Bevölkerungs-Verlagerungen aus der Kernstadt an den Stadtrand und ins Umland (Suburbanisierung), stark angewachsene allgemeine (Verkehrs-)Mobilität.
Dem sozialistischen Gesellschaftssystem entsprechend war in der DDR die private Bautätigkeit eingeschränkt. Beim Wiederaufbau der Großstädte spielten Gesichtspunkte der Repräsentation und Manifestation eine wesentliche Rolle (1950 Beschluss des Aufbaugesetzes und der »Sechzehn Grundsätze des Städtebaus«); es entstanden Magistralen und zentrale Plätze für Aufmärsche, Volksfeste u. a. Veranstaltungen; Partei-, Verwaltungs- und Kulturhäuser. Nach Mitte der 1950er-Jahre war der Städtebau durch Industrialisierung und Standardisierung bestimmt (Trabantenstädte mit großen Mietwohnungskomplexen in Plattenbauweise; u. a. Halle-Neustadt, Leipzig-Grünau, Berlin-Marzahn). Die überwiegende Konzentration der Neubautätigkeit in den Ballungskernen verhinderte weitgehend die für die Bundesrepublik Deutschland typische Suburbanisierung. Dagegen verfiel infolge Mietpreisbindung und Baumaterialmangel zunehmend die Altbausubstanz. Seit der deutschen Einheit vollzieht sich eine Angleichung an die Stadtstrukturen der alten Bundesländer (beginnende Suburbanisierung, dezentrale Einkaufs- und Gewerbestandorte), wobei v. a. ungeklärte Eigentumsverhältnisse und (zunächst) fehlende planerische Vorgaben die Entwicklung an der Peripherie zulasten der Innenstadt gefördert haben, sodass schon von einer »Amerikanisierung der Städte« gesprochen wird. Der Zusammenbruch großer Teile der Produktion hat eine weitgehende Entindustrialisierung der Städte zur Folge.
Die Teilung Deutschlands und die föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland haben zu einem - im Verhältnis zu zentralistisch verwalteten westlichen Industriestaaten wie etwa Großbritannien oder Frankreich - ausgewogeneren Städtesystem geführt (bezogen auf die räumliche Stadtgrößenverteilung und funktionale Arbeitsteilung zwischen den Großstädten und Stadtregionen).
Allgemeine Kennzeichen der modernen Großstädte in Industriestaaten sind hoher Zentralitätsgrad, Multifunktionalität, hohe Bebauungsdichte bei gleichzeitig weiter horizontaler Ausdehnung, Trennung von Wohn- und Arbeitsstätten, Massenverkehr, Versorgungs- und Entsorgungsprobleme, Zunahme des innerstädtischen Verkehrs und damit verbundene Belastungen (u. a. Lärm, Luftverschmutzung), sozialräumliche Segregation und soziale Probleme (Getto- und Slumbildung, wachsende Kriminalität z. B. in nordamerikanischen Städten). Trotzdem hält die Anziehungs- und Expansionskraft der urbanen Lebensform weiter an. Im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung wird es darauf ankommen, die Stadt als Lebensraum auch für künftige Generationen zu sichern.
Verstädterung und Stadtentwicklung verlaufen — bedingt durch starke Zuwanderungen und hohes natürliches Wachstum — in Entwicklungsländern wesentlich rascher als in den Industriestaaten während ihres stärksten Wachstums in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Anders als in den Industrieländern eilen diese Prozesse in vielen Entwicklungsländern der Industrialisierung oder allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung voraus (»Überverstädterung«); zudem konzentriert sich das Stadtwachstum viel stärker auf die Großstädte oder nur auf eine Groß- oder Hauptstadt (Primate City); die Überkonzentration der Bevölkerung in den Millionenstädten (Metropolen) der Dritten Welt wird auch als Metropolisierung bezeichnet. Sie hat in den vergangenen Jahrzehnten in Entwicklungsländern bereits bedrohliche Formen angenommen und entzieht sich zunehmend der Steuerung durch Raumordnung und Stadtplanung. Daraus resultieren u. a. Wohnungsnot, anhaltende starke Konzentration unterer Sozialschichten in Marginal- oder Elendssiedlungen (mit starkem Wachstum randstädtischer Hüttensiedlungen). Räumlich getrennt von diesen konzentrieren sich Bevölkerungsgruppen mit höchstem Einkommen, Bildungsniveau und Sozialstatus sowie Kapital, öffentliche und private Investitionen, hochrangige Kultur-, Verwaltungs- und Entscheidungsfunktionen, Verkehr, aber auch Umweltschäden. Metropolisierung ist daher ein komplexes Entwicklungsproblem; v. a. wird durch anhaltendes Wachstum und zunehmende Ausstrahlung der Metropolen das regionale Entwicklungsgefälle zwischen den Großstädten und ländlichen Räumen der Dritten Welt weiter verstärkt.
Stadtentwicklung und Stadtstrukturen zeigen in den größeren Kulturräumen der Erde (Kulturerdteilen) charakteristische Merkmale, wobei die historischen, sozialen (z. B. religiösen, ethnischen), politischen (auch rechtlichen) sowie ökonomischen Grundlagen zum Ausdruck kommen. Auf dieser Betrachtungsweise basieren zahlreiche (stadtgeographische und kulturgenetische) Stadtstruktur- oder auch Stadtentwicklungsmodelle, z. B. Modelle der nordamerikanischen, australischen, südafrikanischen, lateinamerikanischen oder islamisch-orientalischen Stadt.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Altstadt · Burg · Bürgerhaus · Bürgertum · City · Denkmalpflege · Gartenstadt · Gemeinde · Getto · Hanse · Hochhaus · Idealstadt · Mobilität · Slum · Städtebau · Stadtklima · Stadtrecht · Stadtsoziologie · Verstädterung · Villes nouvelles · Wohnhaus · zentrale Orte
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W. Durth u. a.: Architektur u. Städtebau der DDR, 2 Bde. (1998).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Stadt: Ökologische Aspekte
ökologisches Bauen und Stadtentwicklung
Megastädte: Ausufernde Ballungsgebiete auf dem Vormarsch
Stadtentwicklung: Das neue Bild der Stadt als Superorganismus
Stadt: Prognosen zur qualitativen Entwicklung
Stadt: Urbane Wohnformen der Zukunft
Stadt: Stadtentwicklung und Stadtgesellschaft im Mittelalter
kommunale Bewegung: Städte und Städtebünde auf dem Höhepunkt ihrer Macht
Burg, Pfalz, Stadt: Macht, Schutz und Repräsentation
Çatal Hüyük: Stadt der Heiligtümer
Ebla - Byblos - Ugarit: Die frühen Stadtkulturen
helladische Kultur: Erste städtische Siedlungen der frühheladischen Kultur
Juda und Israel: Eine monumentale Stadtkultur
Jungsteinzeit: Jericho - Älteste Stadt der Welt?
minoische Kultur: Stadt und Palast
Troja: Der Schatz des Priamos
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Stạdt, die; -, Städte ['ʃtɛ(:)tə] [mhd., ahd. stat = Ort, Stelle; Wohnstätte, Siedlung; seit dem 12. Jh. ma. Rechtsbegriff, erst vom 16. Jh. an orthographisch von ↑Statt unterschieden]: 1. a) größere, dicht geschlossene Siedlung, die mit bestimmten Rechten ausgestattet ist u. den verwaltungsmäßigen, wirtschaftlichen u. kulturellen Mittelpunkt eines Gebietes darstellt; große Ansammlung von Häusern [u. öffentlichen Gebäuden], in der viele Menschen in einer Verwaltungseinheit leben: eine schön gelegene, malerische, hässliche, reiche, arme, lebendige, blühende, bedeutende, berühmte, antike, mittelalterliche, moderne S.; eine kleine S. am Rhein, bei Lyon, in Mexiko; eine Stadt mit/von 750 000 Einwohnern; die älteste, schönste, größte S. des Landes; eine S. der Künste, der Mode; die S. Wien; eine offene (Milit.; nicht verteidigte) S.; Es war dies ... eine schon zur Zeit Abrahams und der Erzväter überaus wichtige S. (Gauger, Aufstieg 122); Aber Mannheim? Ist das nicht die » S. im Quadrat«? (Borell, Verdammt 244); eine S. besuchen, besichtigen, gründen, aufbauen, erobern, zerstören, belagern, einnehmen; die Bürger, Einwohner der S.; am Rande, im Zentrum einer S. wohnen; Sie war dreißig Jahre alt und lebte in einer terrassenförmig angelegten Bungalowsiedlung am südlichen Abhang eines Mittelgebirges, gerade über dem Dunst einer großen S. (Handke, Frau 7); die Leute aus der S. (die Städter); in der S. (in einer Stadt) leben; Mit den Städten entstanden die ersten Umweltprobleme (Gruhl, Planet 44); in die S. (1. in die Innenstadt, ins Einkaufszentrum der Stadt. 2. in eine [bestimmte] in der Nähe gelegene Stadt) gehen, fahren; *die Ewige S. (Rom; wohl nach Tibull, Elegien II, 5, 23); die Heilige S. (Jerusalem); die Goldene S. (Prag); in S. und Land (veraltend; überall, allenthalben); b) <o. Pl.> Gesamtheit der Einwohner einer ↑Stadt (1 a): die ganze S. war auf den Beinen; wenn du es ihr erzählst, weiß es bald die ganze S. 2. Verwaltung einer Stadt: dafür ist die S. zuständig; er hat die S. verklagt; das Gebäude gehört der S.; die Angestellten, der Etat der S.; sie ist, arbeitet bei der S.
Universal-Lexikon. 2012.