Akademik

Hessen
Hẹs|sen; -s:
deutsches Bundesland.

* * *

I
Hẹssen,
 
deutscher Stamm im Siedlungsgebiet der germanischen Chatten (Einzugsgebiet von Eder, Fulda und Lahn; ab dem 5. Jahrhundert unter fränkischer Herrschaft). Während sich die Hessen in der unmittelbaren Nachbarschaft von Rhein und Main der Kultur der Pfälzer und Franken angenähert haben, erhielten sich im Kernraum zwischen Rothaargebirge, Rhön und Vogelsberg lange Zeit eigenständige, vorwiegend auf bäuerlichen Grundlagen beruhende Traditionen. Nieder- und Oberhessen gehören mundartgeographisch zum Rheinfränkischen (deutsche Mundarten), an das im Norden das Niederdeutsche anschließt. Diese Sprachgrenze (-ik/-ich-Linie), die sich etwa von Münden zum Rothaargebirge hinzieht, ist zugleich auch die Scheide zwischen dem niedersächsischen Bauernhaus und dem mitteldeutschen Ernhaus. Im Bauern- und Bürgerhaus ist der Fachwerkbau noch häufig mit »Kratzputz« geschmückt. In der Schwalm und in der Gegend um Marburg wurde die Tracht (hessische Trachten) am längsten bewahrt.
 
II
Hẹssen,
 
Land in der Mitte von Deutschland, 21 115 km2, (1999) 6,052 Mio. Einwohner; Hauptstadt ist Wiesbaden.
 
 Staat und Recht:
 
Verfassung:
 
Es gilt die Verfassung vom 1. 12. 1946 (mit späteren Änderungen). Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten, der zusammen mit den von ihm ernannten Ministern die Landesregierung bildet. Die Regierungsgeschäfte können nur aufgenommen werden, nachdem der Landtag der Regierung das Vertrauen ausgesprochen hat. Der Ministerpräsident kann durch einfaches Misstrauensvotum ohne gleichzeitige Ersatzwahl abgesetzt werden, allerdings ist der Landtag von Verfassung wegen aufgelöst, wenn er nicht innerhalb von 12 Tagen einer neuen Regierung das Vertrauen ausspricht. Die gesetzgebende Gewalt wird ausgeübt durch das Volk im Wege von Volksbegehren und -entscheid und v. a. durch den Landtag (110 Abgeordnete, auf 4 Jahre gewählt). Seit 1991 erfolgt die Wahl nach einem Zweistimmenwahlsystem (55 Mandate werden über Landeslisten und die gleiche Anzahl in Wahlkreisen direkt vergeben). Gegen vom Landtag beschlossene Gesetz hat die Landesregierung ein aufschiebendes Veto, das der Landtag mit absoluter Mehrheit zurückweisen kann. Die Verfassung gibt dem Landtag das Recht zur Selbstauflösung. Verfassungsänderungen bedürfen der Billigung durch Volksentscheid.
 
Wappen:
 
Das Wappen zeigt in dem mit einer fünfblättrigen »Volkskrone« versehenen Schild auf blauem Grund den abwechselnd (zehnmal) silbernrot gestreiften Löwen der Landgrafen von Thüringen, der in das Wappen des Großherzogtums Hessen übernommen worden war und nach dem Ersten Weltkrieg vom Volksstaat Hessen zum Staatssymbol gewählt wurde. Das Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Hessen vom 4. 8. 1948 griff auf diese Tradition zurück.
 
Verwaltung:
 
Nach der Gebietsreform von 1968, die zwischenzeitlich teilweise korrigiert wurde, gibt es in drei Regierungsbezirke (Darmstadt, Gießen, Kassel) 5 kreisfreie Städte und 21 Landkreise, zusammen 426 Gemeinden. Der durch die Gebietsreform geschaffene Umlandverband Frankfurt hat die Aufgabe, Planungen im Großraum Frankfurt am Main zu koordinieren.
 
Recht:
 
Organe der Rechtsprechung sind der Staatsgerichtshof in Wiesbaden, das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main (mit auswärtigen Senaten in Darmstadt und Kassel); der Verwaltungs-Gerichtshof in Kassel, das Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main, das Landessozialgericht in Darmstadt. Ferner bestehen 9 Landgerichte und 59 Amtsgerichte, 7 Verwaltungsgerichte, 12 Arbeitsgerichte, 7 Sozialgerichte und ein Finanzgericht. Der Hessische Rechnungshof sitzt in Darmstadt.
 
 Landesnatur und Bevölkerung:
 
Landschaft:
 
Die Landesnatur wird durch den Gegensatz von Mittelgebirgen und eingelagerten Becken und Senken und die hierdurch bedingte Kammerung charakterisiert. Beherrschend treten zwei Nord-Süden verlaufende verkehrsleitende Senkenzonen hervor (Hessische Senken). Die Westhessische Senke geht im Süden ins Oberrheinische Tiefland über, das zum Teil zu Hessen gehört. Der tiefste Punkt Hessens (71 m über dem Meeresspiegel) liegt bei Lorchhausen. Der Westen Hessens gehört zum Rheinischen Schiefergebirge, dessen höchste Erhebungen (Großer Feldberg im Taunus 878 m über dem Meeresspiegel) aus widerständigen Quarziten bestehen. Weit gespannte Flächen prägen das Bild des Hintertaunus mit seinen steil eingetieften Tälern und der Zone der Idsteiner Senke und des Limburger Beckens. Flächen herrschen auch in dem aus tertiären Basalten bestehenden Hohen Westerwald vor. Im östlich anschließenden Lahn-Dill-Bergland und im Kellerwald bildete sich infolge der hier anstehenden Diabase und starker erosiver Zerschneidung ein kuppiges Relief aus. An den Block des Rheinischen Schiefergebirges schließt sich nach Osten und Nordosten, jenseits der Westhessischen Senke (Wetterau, Gießener Becken, Amöneburger Becken, Schwalmbecken, Fritzlarer Becken, Kasseler Becken), das Hessische Bergland an, vorwiegend aus mesozoischen Schichten aufgebaut, über die sich teilweise tertiäre Ergussgesteine gelagert haben. So entstand im Vogelsberg durch starke vulkanische Aktivitäten das flächenmäßig größte zusammenhängende Gebiet (rd. 2 500 km2) vulkanische Gesteine (Basalt, zum Teil als Trappdecke) in Mitteleuropa. Auch die höchsten Teile von Knüll, Meißner und Hoher Rhön (Wasserkuppe mit 950 m über dem Meeresspiegel höchster Berg in Hessen) sind aus Ergussgesteinen aufgebaut. Ältere kristalline Gesteine treten im Vorderen Odenwald und im Vorderen Spessart an die Oberfläche.
 
Durch Hessen verläuft über Vogelsberg, Keller- und Burgwald zum Rothaargebirge die Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Weser. Etwa 12 000 km2 werden zum Rhein (v. a. durch Main und Lahn) entwässert, 9 200 km2 zur Weser (besonders durch Fulda und Eder). Die Wasserführung der Weser wird durch die Talsperren von Eder und Diemel reguliert.
 
Klima:
 
In den Beckenzonen besitzt das Klima kontinentale Züge (besonders ausgeprägt an der Bergstraße und im Rheingau) mit relativ geringen Niederschlägen (500-600 mm jährlich) und höheren Temperaturen (Jahresmittel in der Rhein-Main-Ebene: 8,7 ºC). In den höheren Lagen des Rheinischen Schiefergebirges und im Hohen Vogelsberg ist das Klima dagegen feuchter und kühler (1 300 mm; 6,2 ºC im oberen Vogelsberg).
 
Bevölkerung:
 
Nach 1945 nahm Hessen eine große Zahl von Flüchtlingen auf (1960: 18,7 % der Einwohner). Eine starke Binnenwanderung hat zu einem Bevölkerungsrückgang im weitgehend agrarisch geprägten Nord- und Mittelhessen zugunsten einer erheblichen Konzentration im Rhein-Main-Gebiet geführt, in dem rd. 30 % der Bevölkerung Hessens leben (rd. 900 Einwohner je km2). Einziger Ballungsraum Nordhessens ist Kassel. Eine negative oder stagnierende Bevölkerungsentwicklung zeigen v. a. in Berglandschaften liegende Dörfer. Hessen hat einen Ausländeranteil von (1994) 13,2 % (v. a. Türken, 24,4 %, aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens 17,5 %, Italiener 9,2 %). Die Bevölkerungsdichte liegt mit 2857 Einwohnern/km2 über dem Bundesdurchschnitt.
 
Religion:
 
43,8 % der Bevölkerung gehören den evangelischen Landeskirchen an, 27,5 % der katholischen Kirche. Evangelische Landeskirchen in Hessen sind die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau sowie (in Teilen des Lahn-Dill-Kreises und des Landkreises Gießen) die Evangelische Kirche im Rheinland. Seitens der katholischen Kirche haben am Gebiet des Landes Hessen die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz und das Erzbistum Paderborn Anteil. Die jüdische Religionsgemeinschaft hat rd. 10 700 Mitglieder (neun Gemeinden, darunter mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main [rd. 6 600 Mitglieder] die nach Berlin und München drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland).
 
Bildungswesen:
 
Die Grundschule umfaßt 4 Jahre; für schulpflichtige, aber noch nicht schulfähige Kinder sind vielfach Vorklassen eingerichtet, in denen bezogen auf die Schulanfänger 6,7 % der Kinder auf den Besuch der ersten Klasse vorbereitet werden. Ausländische Kinder erhalten zusätzlich muttersprachlichen Unterricht. Von insgesamt 267 Hauptschulen sind 190 mit Grundschulen organisatorisch verbunden. Es besteht die Möglichkeit, statt der Klassen 5 und 6 der einzelnen Schularten die schulformunabhängige Förderstufe zu besuchen. Neben Hauptschule, Realschule, Gymnasium besteht ein breites Angebot an Gesamtschulen. Im ländlichen Bereich sind Gesamtschule, Hauptschule und Realschule in Form von Verbundschulen organisiert. Die Durchlässigkeit, d. h. der Übergang von einer Schulart zur anderen, wurde erleichtert. Die gymnasiale Oberstufe wurde 1976 landesweit neu gestaltet. Zu den Einrichtungen des zweiten Bildungsweges gehören Abendgymnasien und als Vollzeitschulen Hessenkollegs; auch das Volkshochschulwesen wurde ausgebaut. Das berufliche Bildungswesen umfaßt Berufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen, Fachoberschulen und berufliche Gymnasien. Das Hochschulwesen wurde 1978 neu geordnet (Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes), gleichzeitig wurde die Gesamthochschule Kassel nach Abschluß der Aufbauphase unter die Universität des Landes aufgenommen; mit ihr besitzt Hessen vier Universitäten (Marburg, Gießen, Frankfurt am Main, Kassel) und eine TH (Darmstadt). Außerdem bestehen fünf Fachhochschulen (Darmstadt, Frankfurt am Main, Fulda, Gießen-Friedberg, Wiesbaden) sowie zwei Kundthochschulen (Frankfurt am Main, Offenbach am Main). Hinzu kommen mehrere staatlich anerkannte Hochschulen in privater Trägerschaft.
 
 Wirtschaft und Verkehr:
 
Wirtschaft:
 
Das hessische Wirtschaftsgebiet ist gekennzeichnet durch seine günstige geographische Lage und seine gute verkehrsmäßige Erschließung. Ein Teil der Zentralitätsvorteile ging durch die Grenzziehung nach dem Zweiten Weltkrieg verloren, was sich besonders in einigen nordhessischen Gebieten nachteilig auswirkte. Der wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Mittelpunkt ist das Rhein-Main-Gebiet mit den Städten Darmstadt, Frankfurt am Main, Offenbach am Main, Hanau und Wiesbaden. Nach dem Ruhrgebiet weist das Rhein-Main-Gebiet die größte Industriekonzentration in Deutschland auf. Zu bedeutenden Industrieräumen haben sich auch der Raum Kassel und das Lahn-Dill-Gebiet entwickelt.
 
Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich von (1950) 2,0 Mio. auf (1998) 2,65 Mio. erhöht. Parallel zu der Veränderung der Gesamtzahl der Erwerbstätigen kam es, bedingt durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, zu erheblichen Umschichtungen in der Verteilung der Erwerbstätigen auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche. Der einzige Wirtschaftsbereich, in dem 1998 die Erwerbstätigenzahl niedriger lag als 1950, ist die Landwirtschaft. Eine weit überdurchschnittliche Zunahme war im Dienstleistungsbereich einschließlich Handel und Verkehr zu verzeichnen. In diesen Wirtschaftsbereichen zusammen hat sich die Zahl der Erwerbstätigen von 1950 bis 1998 mehr als verdoppelt, ihr Anteil an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Hessen erhöhte sich von 34 % auf 49 %. Der Anteil der im produzierenden Gewerbe Tätigen ist von (1950) 43 % auf (1998) 30 % zurückgegangen.
 
Diese Anpassung an die Strukturveränderungen in der Wirtschaft führte zu einer rückläufigen Arbeitslosigkeit. Nach einer Arbeitslosenquote von 0,5 % im Jahre 1970 wurde 1997 der Höchststand mit 10,4 % erreicht; dieser verringerte sich bis zum Dezember 1999 auf 8,0 % (Deutschland 10,3 %). Im Vergleich der Bundesländer weist Hessen die drittniedrigste Arbeitslosenquote auf (hinter Baden-Württemberg und Bayern). Hessen erreichte 1998 das höchste Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Deutschland. Im langjährigen Mittel lag es um 28 % (1998 = 29 %) über dem Durchschnitt Deutschlands. Das reale BIP pro Erwerbstätigen belief sich 1998 auf 120 700 DM. Hessen hielt damit nicht nur die erste Position unter den Flächenstaaten, sondern es konnte seinen Vorsprung noch ausbauen. Am BIP Deutschlands hat Hessen einen Anteil von (1998) 9,7 %.
 
Landwirtschaft:
 
Von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben werden mit (1998) 768 700 ha etwa 36,4 % der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt (493 100 ha Ackerland, 272 800 ha Dauergrünland, 2 452 ha Obstanlagen und Baumschulen, 3 300 ha Rebland); klein- und mittelbäuerliche Betriebe herrschen vor. Ackerbau mit hohem Anteil von Weizen- und Zuckerrübenanbau dominiert in den Beckenlandschaften. Der Anteil des Dauergrünlandes an der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist in den Basaltbergländern (Hoher Westerwald, Hohe Rhön, Hoher Vogelsberg) besonders hoch. Im Rheingau und an der Bergstraße wachsen Weine von Weltruf, wobei die Rebsorte Riesling überwiegt. Spezialkulturen nehmen in Südhessen v. a. im Hessischen Ried (Spargel, Gurken, Gemüse, Obst), im Odenwald (Erdbeeren), im Vortaunus (Obst) und in der Wetterau (Gemüse, Rosen) größere Flächen ein. Die Viehwirtschaft mit Rindvieh, Schweinen, Schafen und Legehennen ist v. a. in den Mittelgebirgen ein wichtiger Betriebszweig.
 
Forstwirtschaft:
 
Mit einem Waldanteil von 39,8 % an der Gesamtfläche hat Hessen den höchsten Waldanteil aller Bundesländer. 97 % der 837 200 ha großen Waldfläche werden als Hochwald bewirtschaftet. Nadelholz und Laubholz besitzen etwa gleiche Flächenanteile.
 
Bodenschätze:
 
Braunkohle wurde in der Wetterau bei Wölfersheim (im Wetteraukreis) und in Nordhessen gefördert; wichtigster Abbauort war Borken (Hessen) mit einem Großkraftwerk. Gegenwärtig (2000) erfolgt die Braunkohlenförderung nur noch bei Großalmerode (Werra-Meißner-Kreis) durch die Zeche Hirschberg (1999: rd. 150 000 t). Im Werratal und bei Fulda wird Kalisalz gefördert (50,2 % der Gesamtförderung Deutschlands, 5 % der Weltkaliproduktion). Die hessischen Kaliwerke zählen zu den modernsten der Erde. Die einst im Lahn-Dill-Gebiet und Vogelsberg wichtige Eisenerzförderung wurde eingestellt. Die Erdöl- und Erdgasgewinnung im Hessischen Ried (seit 1950) ist von relativ geringer Bedeutung.
 
Energiewirtschaft:
 
Neben der Braunkohle spielt auch die Kernkraft als Energieträger eine große Rolle. In Biblis befindet sich eines der größten deutschen Kernkraftwerke (installierte Leistung rd. 2 500 MW).
 
Industrie:
 
Ihre Struktur zeigt eine breite branchenmäßige Fächerung und einen hohen Anteil an wachstumsintensiven Industrien. Nach den Beschäftigtenzahlen sind die chemische Industrie (1998: 67 761; 13,6 % der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe), der Straßenfahrzeugbau (61 501 beziehungsweise 12,3 %) und die elektrotechnische Industrie (67 017 beziehungsweise 13,4 %) sowie der Maschinenbau 67 465 beziehungsweise 13,5 %) die größten Industriezweige. Wichtigster Industriestandort ist Frankfurt am Main (Chemie, Elektrotechnik und Maschinenbau). Die anderen Industriestandorte zeigen bei durchweg hohen Anteilen des Maschinenbaus gewisse Spezialisierungen; z. B. Hanau mit Schmuckwarenindustrie, Offenbach am Main mit Lederindustrie, Darmstadt und Wiesbaden mit chemischer Industrie und Rüsselsheim mit Straßenfahrzeugbau. Im nordhessischen Industriegebiet sind Waggon- und Lokomotivbau, Maschinenbau, chemische und Elektroindustrie in Kassel und Fahrzeugbau in Baunatal die wichtigsten Industriezweige. Textil- und Bekleidungsindustrie sind in Fulda und in einigen kleineren Industriestandorten Nordhessens von Bedeutung. In Mittelhessen mit Schwerpunkt Wetzlar herrschen feinmechanisch-optischen Industrie, Gießereien und Metall verarbeitende Industrie vor. Die Industrie ist stark exportorientiert: Fast ein Drittel des Umsatzes entfällt auf den Außenhandel.
 
Dienstleistungssektor:
 
Ein großes Gewicht kommt dem Dienstleistungssektor zu. Besonderen Anteil haben Frankfurt am Main als Finanz- und Handelszentrum sowie Wiesbaden (Versicherungsunternehmen, Landesverwaltung). Die Wertpapierbörse und die Devisenbörse wie auch die Produktenbörse in Frankfurt am Main haben internationalen Rang; der Sitz der Deutschen Bundesbank und von rd. 370 Banken (davon 230 ausländische Kreditinstitute) machen die Stadt zu Europas bedeutendstem Bankenplatz nach London. Hinzu kommt Frankfurts Bedeutung als internationaler Ausstellungs- und Messeplatz. Wichtig sind neben Handels- und Verkehrsunternehmen auch die Dienstleistungsunternehmen im Bereich der neuen Technologien (z. B. Unternehmen für Software der EDV und für Kommunikationstechnologien sowie Consulting-Firmen).
 
Tourismus:
 
Der Fremdenverkehr ist ein bedeutender Wirtschaftszweig (22,8 Mio. Übernachtungen 1998). Unter den Heilbädern und Kurorten sind v. a. Bad Nauheim, Bad Wildungen und Bad Orb zu nennen. Insgesamt stehen in den Fremdenverkehrsorten (1998) rd. 195 500 Gästebetten zur Verfügung.
 
Verkehr:
 
Hessen verfügt über ein leistungsfähiges Straßennetz (Länge: 16 310 km, davon 950 km Bundesautobahnen, v. a. im Rhein-Main-Gebiet). Dem Schienenverkehr (45 % der Strecken sind elektrifiziert) dient die Fernstrecke Mannheim-Frankfurt am Main-Kassel-Hannover als Rückgrat. Eine herausragende Position im Luftverkehr nimmt der Flughafen von Frankfurt am Main ein. Er ist mit jährlich rd. 1 Mio. t Luftfrachtaufkommen der größte Frachtflughafen und mit (1998) 42,7 Mio. Passagieren der zweitgrößte Passagierflughafen Europas. Die Länge der schiffbaren Wasserläufe in Hessen beträgt insgesamt 539 km (Rhein 107 km, Main 77 km, Lahn 92 km, Fulda 103 km, Werra 68 km, Weser 41 km). Wichtigster Binnenhafen ist der von Frankfurt am Main.
 
 Geschichte:
 
Die in frühgeschichtlicher Zeit in Hessen siedelnden Kelten wurden bereits vor der Zeitenwende von Germanen nach Süden und Westen vertrieben. Die germanische Landnahme unterbrachen die Römer, die Südhessen ihrem Machtbereich eingliederten. Nordhessen verblieb im Besitz der Chatten. Nach dem Rückzug der Römer drängten Alemannen in die bislang römischen Gebiete, wurden jedoch bald in Auseinandersetzungen mit den Franken verwickelt, deren Einfluss v. a. im Rhein-Main-Gebiet seit dem 6. Jahrhundert stetig zunahm. Von entscheidender Bedeutung für die politische Entwicklung des hessischen Gebiets war die endgültige Missionierung durch Bonifatius im 8. Jahrhundert. Die nun einsetzende politische Frühgeschichte Hessens ist zugleich Reichsgeschichte, da nach Abschluss der Christianisierung die drei wichtigsten Klöster, Fritzlar, Hersfeld und Fulda, noch Ende des 8. Jahrhunderts Reichsabteien wurden und das seit dem 9. Jahrhundert in Hessen führende Grafenhaus der Konradiner so fest in der karolingischen Tradition stand, dass es nach dem Aussterben der Karolinger mit Konrad I. 911 zur (»deutschen«) Königswürde gelangte. Auch die führenden Grafenhäuser des hohen Mittelalters waren reichsabhängig, so die Grafen Werner als Reichsbannerträger und die sie 1121 beerbenden Gisonen. 1122 folgten ihnen die Ludowinger, seit 1130 Landgrafen von Thüringen, die in langwierigen Kämpfen territorialen Ansprüchen des Erzbistums Mainz auf Hessen entgegentreten mussten. Als sie im Mannesstamm 1247 (Tod Heinrich Raspes) erloschen, vermochte Sophie, die Tochter Ludwigs IV. und der heiligen Elisabeth von Thüringen, Hessen im Thüringisch-Hessischen Erbfolgekrieg (1256-64) mit den Wettinern (Heinrich III.) von Thüringen zu lösen und ihrem Sohn Heinrich I. für das Haus Brabant zu gewinnen, dazu die wichtigen Werrastädte Eschwege, Sontra, Witzenhausen und Allendorf.
 
Heinrich (1265-1308) sicherte Existenz und Ausbau der Landgrafschaft, die 1292/1373 Reichsfürstentum wurde. Die weitere Aufwärtsentwicklung im 14. Jahrhundert war mit andauernden, zuweilen existenzbedrohenden Kämpfen mit dem hessischen Adel und besonders dem Erzbistum Mainz verbunden, die aber 1427 und endgültig 1461-63 (Zeilsheimer Vertrag) zugunsten Hessens entschieden wurden. Die reichspolitische Stellung bestimmten die Erbverbrüderungen mit Kursachsen seit 1373 und Kurbrandenburg seit 1457. Die Beerbung der Grafschaft Ziegenhain 1450 verband Niederhessen (Kassel) und Oberhessen (Marburg), die Beerbung der Grafschaft Katzenelnbogen 1479 brachte Hessen an den Mittelrhein (Rheinfels, Sankt Goar) und in das Rhein-Main-Gebiet (Darmstadt, Rüsselsheim). Nach vorübergehender Teilung (Hessen-Marburg und Hessen-Kassel 1458-1500) vereinigten Wilhelm II. und sein Sohn Philipp I., der Grossmütige (1509-67), ganz Hessen, das im Zeitalter der Reformation zu den bedeutendsten Reichsterritorien aufstieg: 1526 Einführung der Reformation und Aufhebung der Klöster; mit den dadurch gewonnenen Mitteln Gründung der Universität Marburg (1527) und der vier Hohen Hospitäler für Sieche und Geisteskranke in Haina, Merxhausen, Gronau und Hofheim; 1529 Marburger Religionsgespräch, Mittlerfunktion zwischen sächsischen Lutheranern und oberdeutschen Kalvinisten, starker Einfluss auf die Einführung der Reformation in Westfalen und Norddeutschland; führende Stellung im Schmalkaldischen Bund und im Kampf gegen Kaiser Karl V., Zusammenbruch im Schmalkaldischen Krieg; zuletzt vorsichtige evangelische Unionspolitik. Landgraf Philipp teilte Hessen 1567 testamentarisch unter seine vier Söhne: Wilhelm IV. bekam mit Hessen-Kassel die Hälfte des Landes, Ludwig IV. mit Hessen-Marburg ein Viertel, Philipp II., der Jüngere, mit Hessen-Rheinfels und Georg I. mit Hessen-Darmstadt je ein Achtel. Philipp II. und Ludwig IV. starben 1583 beziehungsweise 1604 erbenlos, sodass nur Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt bestehen blieben.
 
Hessen-Kassel: Hessen-Kassel, die ältere Linie, bestimmte unter Wilhelm IV. (1567-92) noch die Politik Gesamthessens, was seinem Sohn Moritz dem Gelehrten (1592-1627) nicht mehr gelang. Nach Einführung des Kalvinismus (1603/05) geriet Moritz mit Hessen-Darmstadt wegen der Beerbung der lutherischen Linie Hessen-Marburg in schweren Konflikt, der die Parteistellung Hessens im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) bestimmte, wobei Hessen-Kassel zunächst auf schwedisch, Hessen-Darmstadt auf kaiserlicher Seite stand, und der - zusammenfallend mit der Schlussphase des Krieges - im »Hessenkrieg« zwischen der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel (1637-51), der Witwe Wilhelms V., und Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt ausgetragen wurde. Der »Einigkeitsvertrag« von 1648 bestätigte die Teilung Hessens in zwei Teile mit Kassel und Darmstadt als Mittelpunkten. Unter Landgraf Karl (1670-1730), der das Land zur Blüte brachte, kam es zum Ausbau des Heeres; die reichspolitische Stellung Hessen-Kassels wurde seitdem durch seine militärische Stärke bestimmt. Das Heer musste erstmals 1677 in dänischen, 1688 in venezianischen Diensten kämpfen; es wurde nach der Regierungszeit Karls gegen Subsidien auf allen europäischen Kriegsschauplätzen eingesetzt (u. a. aufseiten des Reiches gegen König Ludwig XIV. von Frankreich, aufseiten des Kaisers im »Großen Türkenkrieg« sowie im Österreichen Erbfolgekrieg gleichzeitig auf österreichischer und brandenburg-preußischer Seite) und unterstützte im Siebenjährigen Krieg (1756-63) zusammen mit Großbritannien Preußen. Unter Landgraf Friedrich II. (1760-85) kämpften aufgrund des britisch-hessischen Subsidienvertrags von 1776 etwa 12 000 Soldaten aus Hessen-Kassel (»verkaufte Hessen«) in Nordamerika. Der feindlichen Einstellung Karls gegenüber dem Frankreich Ludwigs XIV. entsprach die Aufnahme französischer Glaubensflüchtlinge (Hugenotten; hessische Freiheitskonzession von 1685), deren Siedlungen noch heute an ihrem planmäßigen Grundriss zu erkennen sind (z. B. Hanau, Neu-Isenburg, Karlshafen). Der älteste Sohn Karls, Landgraf Friedrich I., wurde 1720 König von Schweden; für ihn führte sein Bruder Wilhelm (VII.) die Regierung. Bedeutend sind die kulturellen und städtebaulichen Leistungen dieser Epoche, besonders der Ausbau der Residenz Kassel (u. a. Gründung der Gemäldegalerie).
 
Die Nebenlinien Hessen-Kassels, Hessen-Eschwege (bis 1655), Hessen-Rotenburg (bis 1658), Rheinfels (1627-1834) und Hessen-Philippsthal (seit 1685, 1925 ausgestorben), erlangten keine große Bedeutung. Erhebliche territoriale Gewinne brachten 1571 die Herrschaft Plesse, 1582 die Hoyaer Ämter Uchte und Freudenberg, 1583 die Niedergrafschaft Katzenelnbogen, 1583 (endgültig 1619) die Herrschaft Schmalkalden, 1640 die Grafschaft Schaumburg und v. a. 1736 die Grafschaft Hanau-Münzenberg. Unter Landgraf Wilhelm IX. (1785-1821) wurde Hessen durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 Kurfürstentum (seitdem Kurfürst Wilhelm I.) und territorial geringfügig vergrößert.
 
Kurhessen
 
(1803-07; 1813-66): 1807 wurde Kurhessen trotz Neutralitätserklärung von Frankreich besetzt und dem Königreich Westfalen einverleibt (Hauptstadt Kassel, Residenz Wilhelmshöhe). Wiederholte Aufstände gegen die französische Herrschaft scheiterten (v. a. W. von Dörnberg). Bei der Wiederherstellung des Kurfürstentums 1813-15 erhielt es für die Niedergrafschaft Katzenelnbogen das Bistum Fulda, die begehrte Landbrücke zwischen Althessen und Hanau.
 
Unter dem Druck von Unruhen unterzeichnete Kurfürst Wilhelm II. (1821-47) die liberale Verfassung von 1831, die von reaktionären Kräften (Kurfürsten, Minister H. D. Hassenpflug) ebenso heftig bekämpft wie von den oppositionellen Landtagen verteidigt wurde, und übergab die Regierung dem Kronprinzen. Die liberale Regierung von 1848/49 stand auf der Seite der Frankfurter Nationalversammlung, dann des Erfurter Unionsparlaments (1850). Doch schloss sich Kurfürst Friedrich Wilhelm (1847-66) bald darauf Österreich an und versuchte 1850 nach Rückberufung Hassenpflugs seinen reaktionären Kurs durchzusetzen. Nunmehr versagten Gerichte und Behörden im Verfassungs-Kampf den Gehorsam, das Offizierskorps trat zurück. Mit militärischer Hilfe des Deutschen Bundes wurde die Revolte niedergeschlagen (1853 Besetzung Hessens); bayerische Truppen rückten in Kassel ein. Auf die »Strafbayern« gestützt, nahm der Kurfürst seine reaktionäre Politik wieder auf. Die Verfassungs-Kämpfe hielten unter ständigen Eingriffen Preußens und des Bundestages an, auch als 1862 die Verfassung von 1831 größtenteils wiederhergestellt worden war. Im Deutschen Krieg 1866 folgte der Kurfürst, entgegen dem Neutralitätswillen des Landes, Österreich. Das Kurfürstentum (1864: 9 581 km2 mit 745 063 Einwohnern) wurde daher von Preußen besetzt und annektiert, der Kurfürst verbannt.
 
Hessen-Nassau: Die preußische Provinz Hessen-Nassau (1868-1944) umfasste die 1866 angegliederten Gebiete Kurhessen, das Herzogtum Nassau, Hessen-Homburg, die bayerischen Bezirke Gersfeld und Orb, die darmstädtischen Kreise Biedenkopf und Vöhl sowie die Freie Stadt Frankfurt; Hauptstadt war Kassel. Die Provinz gliederte sich in 2 Regierungsbezirke: Kassel und Wiesbaden. 1925 hatte sie 15 703 km2 mit 2,39 Mio. Einwohnern; 1929 wurde Waldeck angegliedert, 1932 Wetzlar, während Rinteln (Grafschaft Schaumburg) der Provinz Hannover zugeschlagen wurde.
 
Im kurhessischen Teil vermochten die oppositionellen Landstände im preußischen Diktaturjahr 1867/68 erhebliche hessische Eigentümlichkeiten zu retten, so die selbstständige landständische Verwaltung. Die Provinz, die in auffallend engen Beziehungen zu den Hohenzollern stand und (1939) 16 847 km2 mit 2,675 Mio. Einwohnern umfasste, wurde 1944 erneut geteilt: in Nassau (Regierungsbezirk Wiesbaden mit den Kreisen Hanau, Gelnhausen, Schlüchtern) und Kurhessen (restliche Kreise ohne Schmalkalden, das zum Regierungsbezirk Erfurt kam).
 
Hessen-Darmstadt: Die von Georg I. (1567-96) 1567/68 begründete jüngere Linie, später stets auf der Seite Habsburgs und daher gegen Hessen-Kassel, war in der Grafschaft Oberkatzenelnbogen mit Darmstadt als Mittelpunkt beheimatet und erhielt ihren wichtigsten Zuwachs durch den Marburger Erbfall 1604, der jedoch zum »Hessenkrieg« mit Hessen-Kassel führte. Hessen-Darmstadt konnte zwar seine früheren Erfolge nicht behaupten, jedoch den wichtigen territorialen Zuwachs in Oberhessen sichern, allerdings ohne Marburg, weshalb das benachbarte Gießen gefördert wurde (1605 Universität). Die aus vielen unverbundenen Teilen bestehende Landgrafschaft litt unter der Verschwendungssucht ihrer Herren, aber auch unter den Kriegsfolgen, v. a. einer starken Verschuldung, die auch mehrfache Ämterverpfändungen und selbst die Erbschaft der Grafschaft Hanau-Lichtenberg 1736 nicht beseitigten. Erst die Reformtätigkeit des Ministers F. C. von Moser stellte den Staat wieder auf sicheren Grund. Zur gleichen Zeit entfaltete sich am Darmstädter Hof unter der »großen Landgräfin« Henriette Karoline auch das geistige und literarische Leben. Unter Landgraf Ludwig X. (1790-1830) erfolgte die entscheidende territoriale Neugestaltung des Landes (Erwerb des Herzogtums Westfalen, kurmainzischer und kurpfälzischer Gebiete, der Reichsstädte Friedberg und Wimpfen sowie der Grafschaft Erbach) und 1806 die Erhebung zum Großherzogtum: Der Landgraf trat dem Rheinbund bei und wurde als Ludwig I. Großherzog. Auf dem Wiener Kongress trat er 1815 Westfalen an Preußen ab und erhielt das Fürstentum Isenburg-Birstein (Residenz: Offenbach am Main), v. a. aber Worms, Alzey und Bingen sowie 1816 die Festung Mainz (Provinz Rheinhessen).
 
Das Großherzogtum Hessen erhielt 1820 eine Verfassung, die unter Ludwig II. (1830-48) zwischen Reaktion und Fortschritt politisch umkämpft blieb, wobei der Erfolg von 1848 (Berufung H. von Gagerns) bald wieder der Restauration zum Opfer fiel, die Großherzog Ludwig III. (1848-77) und sein Minister R. von Dalwigk im Anschluss an Österreich betrieben. Da das Großherzogtum im Deutschen Krieg von 1866 ebenfalls Österreich gefolgt war, musste es im Frieden von Berlin Hessen-Homburg und die Kreise Biedenkopf und Vöhl an Preußen abtreten und 1867 eine Militärkonvention mit ihm schließen. Trotz aller preußenfeindlichen Reaktionen war Hessen-Darmstadt schon 1828 dem preußischen Zollsystem beigetreten und schloss 1896 eine Eisenbahngemeinschaft mit Preußen.
 
Von den Nebenlinien Hessen-Darmstadts waren Hessen-Butzbach (1609-43) und Hessen-Braubach (1643-51) ohne Bestand, nur Hessen-Homburg (1622-1866) behauptete sich, fiel aber 1866 an Preußen. Die bedeutendste Persönlichkeit war Landgraf Friedrich II. (1680-1708), historisches Vorbild für H. Kleists »Prinz von Homburg«.
 
Volksstaat Hessen:
 
Im Verlauf der Novemberrevolution in Deutschland setzten revolutionäre Truppen am 9. 11. 1918 Großherzog Ernst Ludwig (ab 1892) ab. Es bildete sich ein Arbeiter-und-Soldaten-Rat, der jedoch schon im Dezember 1918 einem »Volksrat für die Republik Hessen« wich. Am 12. 12. 1919 verabschiedete der im Februar 1919 als verfassunggebender Landtag gewählte Volksrat eine »Verfassung des Volksstaates Hessen«. 1919-31 war die SPD stärkste Partei des Landes und stellte mit C. Ulrich (1919-28) und B. Adelung (1928-31/33) den Staatspräsidenten; Zentrum und Deutsche Demokratische Partei (DDP) beteiligten sich an der Regierungsbildung. Separatistische Bestrebungen belasteten bis 1923 die Entwicklung des Landes. Nach den Landtagswahlen von 1931, bei denen die NSDAP die stärkste Partei im Volksrat wurde, amtierte die Regierung Adelung (u. a. Innenminister W. Leuschner) angesichts der parlamentarischen Pattsituation weiter, wurde jedoch 1933 im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltungspolitik verdrängt. 1935-45 unterstand das Land einem nationalsozialistischen Reichsstatthalter (J. Sprenger). Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschlands im Mai 1945 ging der Volksstaat Hessen im neu gebildeten Land Hessen auf.
 
Land Hessen: Am 19. 9. 1945 vereinigte die amerikanische Militärregierung in Deutschland den größten Teil der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau und des früheren Volksstaates Hessen zum Land »Großhessen« (später »Hessen«); einige nassauische Kreise (Unter- und Oberwesterwald, Unterlahn und Sankt Goarshausen) sowie die rheinhessischen Kreise (Bingen, Mainz, Alzey und Worms) fielen an das ebenfalls neu gegründete Land Rheinland-Pfalz. Am 1. 10. 1945 ernannte die amerikanische Militärregierung K. Geiler zum ersten Ministerpräsidenten Am 1. 12. 1946 nahm die Bevölkerung in einer Abstimmung mit 76,8 % der gültigen Stimmen die Verfassung des Landes Hessen an; gleichzeitig fanden die ersten Landtagswahlen statt. 1949 wurde Hessen Land der Bundesrepublik Deutschland.
 
1946-74 war die SPD stärkste Partei im Landtag und besaß dort 1950-54 und 1962-70 die absolute Mehrheit. Sie stellte die Ministerpräsidenten: 1946-50 C. Stock, 1950-69 G. A. Zinn, 1969-76 A. Osswald und 1976-87 H. Börner (1982-84 nur geschäftsführend); 1946-50 bildete sie eine Koalitionsregierung mit der CDU, 1954-66 mit dem GB/BHE und 1970-82 mit der FDP; 1966-70 stellte sie allein die Regierung. 1974-83 und ab 1995 entsandte die CDU die stärkste Fraktion in den Landtag; 1982/83 war die FDP nicht im Landtag vertreten. Ab 1982 im Landesparlament, bildete die Partei »Die Grünen - bundesweit erstmalig - 1985-87 mit der SPD unter Börner eine Regierungskoalition (erster »grüner« Minister Deutschlands: J. Fischer, Umweltressort). Nach dem Bruch der Koaltion durch die Grünen war 1987-91 W. Wallmann (CDU) Ministerpräsident, gestützt auf ein Regierungsbündnis von CDU und FDP. 1991 kam es zu einer neuen Koalitionsregierung von SPD und Grünen (seit 1993 Bündnis 90/Die Grünen) unter H. Eichel (SPD), die nach den Wahlen von 1999 erneut von einer CDU/FDP-Koalition unter R. Koch (CDU) abgelöst wurde.
 
Literatur:
 
Hess. Volkskunde, hg. v. C. Hessler (1904, Nachdr. 1979);
 H. Blume: Das Land H. u. seine Landschaften (1951);
 W. Walbe: Das hessisch-fränk. Fachwerk (21954, Nachdr. 1979);
 G. Landau: Sitte u. Brauch in H. (1959);
 G. A. Zinn u. E. Stein: Verf. des Landes H. (1963 ff., Losebl.);
 K. E. Demandt u. a.: Schrifttum zur Gesch. u. geschichtl. Landeskunde von H., 7 Bde. (1965-84);
 K. E. Demandt: Gesch. des Landes H. (Neuausg. 1980);
 
H.-Lex., hg. v. R. Klein (1965);
 
H. in Karte u. Luftbild, hg. v. E. Ernst u. a., 2 Bde. (1969-73);
 
Hb. der histor. Stätten Dtl.s, Bd. 4: H., hg. v. G. W. Sante (31976, Nachdr. 1993);
 
Reclams Kunstführer, Bd. 4: H., bearb. v. G. Bott (51978);
 
Naturwunder H., bearb. v. Hilmar Schmitt (Zürich 1978);
 
Freizeitland H., bearb. v. Hilmar Schmitt: (1979);
 K. Klöckner: Der Fachwerkbau in H. (1980);
 
Denkmaltopographie Bundesrep. Dtl. Baudenkmale in H., hg. v. Landesamt für Denkmalpflege H., auf zahlr. Bde. ber. (1982 ff.);
 
Die Römer in H., hg. v. D. Baatz u. a. (1982);
 
Die Gesch. H.s, hg. v. U. Schultz (1983);
 
Hess. Staats- u. Verwaltungsrecht, hg. v. H. Meyer u. a. (1983);
 A. Brugger u. H. Sarkowicz: H. Eine Landeskunde im Luftbild (1985);
 
Das Werden H.s, hg. v. W. Heinemeyer (1986);
 
Von H. in die Neue Welt. Eine Sozial- u. Kulturgesch. der hess. Amerikaauswanderung, hg. v. P. Assion (1987);
 R. Friderici: 1866. Bismarcks Okkupation u. Annexion Kurhessens (1989);
 A. Pletsch: H. (1989);
 
Aspekte thüringisch-hess. Gesch., hg. v. M. Gockel (1992);
 
H. Eine polit. Landeskunde, hg. v. B. Heidenreich u. K. Schacht (1993);
 
H. Gesellschaft u. Politik, hg. v. dens. (1995).
 

* * *

Hẹs|sen; -s: Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.

Universal-Lexikon. 2012.